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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Schlußbetrachtung
über Sprache und Terminologie
.

751.

Man bedenkt niemals genug, daß eine Sprache
eigentlich nur symbolisch, nur bildlich sey und die Ge-
genstände niemals unmittelbar, sondern nur im Wider-
scheine ausdrücke. Dieses ist besonders der Fall, wenn
von Wesen die Rede ist, welche an die Erfahrung
nur herantreten und die man mehr Thätigkeiten als
Gegenstände nennen kann, dergleichen im Reiche der
Naturlehre immerfort in Bewegung sind. Sie lassen
sich nicht festhalten, und doch soll man von ihnen re-
den; man sucht daher alle Arten von Formeln auf,
um ihnen wenigstens gleichnißweise beyzukommen.

752.

Metaphysische Formeln haben eine große Breite
und Tiefe, jedoch sie würdig auszufüllen, wird ein rei-
cher Gehalt erfordert, sonst bleiben sie hohl. Mathema-
tische Formeln lassen sich in vielen Fällen sehr bequem
und glücklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer
etwas steifes und ungelenkes, und wir fühlen bald
ihre Unzulänglichkeit, weil wir, selbst in Elementar-
fällen, sehr früh ein Incommensurables gewahr wer-
den; ferner sind sie auch nur innerhalb eines gewissen

Schlußbetrachtung
uͤber Sprache und Terminologie
.

751.

Man bedenkt niemals genug, daß eine Sprache
eigentlich nur ſymboliſch, nur bildlich ſey und die Ge-
genſtaͤnde niemals unmittelbar, ſondern nur im Wider-
ſcheine ausdruͤcke. Dieſes iſt beſonders der Fall, wenn
von Weſen die Rede iſt, welche an die Erfahrung
nur herantreten und die man mehr Thaͤtigkeiten als
Gegenſtaͤnde nennen kann, dergleichen im Reiche der
Naturlehre immerfort in Bewegung ſind. Sie laſſen
ſich nicht feſthalten, und doch ſoll man von ihnen re-
den; man ſucht daher alle Arten von Formeln auf,
um ihnen wenigſtens gleichnißweiſe beyzukommen.

752.

Metaphyſiſche Formeln haben eine große Breite
und Tiefe, jedoch ſie wuͤrdig auszufuͤllen, wird ein rei-
cher Gehalt erfordert, ſonſt bleiben ſie hohl. Mathema-
tiſche Formeln laſſen ſich in vielen Faͤllen ſehr bequem
und gluͤcklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer
etwas ſteifes und ungelenkes, und wir fuͤhlen bald
ihre Unzulaͤnglichkeit, weil wir, ſelbſt in Elementar-
faͤllen, ſehr fruͤh ein Incommenſurables gewahr wer-
den; ferner ſind ſie auch nur innerhalb eines gewiſſen

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[283/0337] Schlußbetrachtung uͤber Sprache und Terminologie. 751. Man bedenkt niemals genug, daß eine Sprache eigentlich nur ſymboliſch, nur bildlich ſey und die Ge- genſtaͤnde niemals unmittelbar, ſondern nur im Wider- ſcheine ausdruͤcke. Dieſes iſt beſonders der Fall, wenn von Weſen die Rede iſt, welche an die Erfahrung nur herantreten und die man mehr Thaͤtigkeiten als Gegenſtaͤnde nennen kann, dergleichen im Reiche der Naturlehre immerfort in Bewegung ſind. Sie laſſen ſich nicht feſthalten, und doch ſoll man von ihnen re- den; man ſucht daher alle Arten von Formeln auf, um ihnen wenigſtens gleichnißweiſe beyzukommen. 752. Metaphyſiſche Formeln haben eine große Breite und Tiefe, jedoch ſie wuͤrdig auszufuͤllen, wird ein rei- cher Gehalt erfordert, ſonſt bleiben ſie hohl. Mathema- tiſche Formeln laſſen ſich in vielen Faͤllen ſehr bequem und gluͤcklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer etwas ſteifes und ungelenkes, und wir fuͤhlen bald ihre Unzulaͤnglichkeit, weil wir, ſelbſt in Elementar- faͤllen, ſehr fruͤh ein Incommenſurables gewahr wer- den; ferner ſind ſie auch nur innerhalb eines gewiſſen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/337>, abgerufen am 21.11.2024.