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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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sey es gesagt, ein Ueberfluß der Haare an Brust, Ar-
men, Schenkeln deutet eher auf Schwäche als auf
Stärke; wie denn wahrscheinlich nur die Poeten,
durch den Anlaß einer übrigens starken Thiernatur ver-
führt, mit unter solche haarige Helden zu Ehren ge-
bracht haben.

670.

Doch haben wir hauptsächlich an diesem Ort von
der Farbe zu reden. Und so ist die Farbe der mensch-
lichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus
keine Elementarfarbe, sondern eine durch organische
Kochung höchst bearbeitete Erscheinung.

671.

Daß die Farbe der Haut und Haare auf einen
Unterschied der Charaktere deute, ist wohl keine Frage,
wie wir ja schon einen bedeutenden Unterschied an
blonden und braunen Menschen gewahr werden; wo-
durch wir auf die Vermuthung geleitet worden, daß
ein oder das andre organische System vorwaltend eine
solche Verschiedenheit hervorbringe. Ein gleiches läßt
sich wohl auf Nationen anwenden; wobey vielleicht
zu bemerken wäre, daß auch gewisse Farben mit ge-
wissen Bildungen zusammentreffen, worauf wir schon
durch die Mohrenphysiognomien aufmerksam geworden.

672.

Uebrigens wäre wohl hier der Ort, der Zweifler-
frage zu begegnen, ob denn nicht alle Menschenbil-
dung und Farbe gleich schön, und nur durch Gewohn-

ſey es geſagt, ein Ueberfluß der Haare an Bruſt, Ar-
men, Schenkeln deutet eher auf Schwaͤche als auf
Staͤrke; wie denn wahrſcheinlich nur die Poeten,
durch den Anlaß einer uͤbrigens ſtarken Thiernatur ver-
fuͤhrt, mit unter ſolche haarige Helden zu Ehren ge-
bracht haben.

670.

Doch haben wir hauptſaͤchlich an dieſem Ort von
der Farbe zu reden. Und ſo iſt die Farbe der menſch-
lichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus
keine Elementarfarbe, ſondern eine durch organiſche
Kochung hoͤchſt bearbeitete Erſcheinung.

671.

Daß die Farbe der Haut und Haare auf einen
Unterſchied der Charaktere deute, iſt wohl keine Frage,
wie wir ja ſchon einen bedeutenden Unterſchied an
blonden und braunen Menſchen gewahr werden; wo-
durch wir auf die Vermuthung geleitet worden, daß
ein oder das andre organiſche Syſtem vorwaltend eine
ſolche Verſchiedenheit hervorbringe. Ein gleiches laͤßt
ſich wohl auf Nationen anwenden; wobey vielleicht
zu bemerken waͤre, daß auch gewiſſe Farben mit ge-
wiſſen Bildungen zuſammentreffen, worauf wir ſchon
durch die Mohrenphyſiognomien aufmerkſam geworden.

672.

Uebrigens waͤre wohl hier der Ort, der Zweifler-
frage zu begegnen, ob denn nicht alle Menſchenbil-
dung und Farbe gleich ſchoͤn, und nur durch Gewohn-

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[247/0301] ſey es geſagt, ein Ueberfluß der Haare an Bruſt, Ar- men, Schenkeln deutet eher auf Schwaͤche als auf Staͤrke; wie denn wahrſcheinlich nur die Poeten, durch den Anlaß einer uͤbrigens ſtarken Thiernatur ver- fuͤhrt, mit unter ſolche haarige Helden zu Ehren ge- bracht haben. 670. Doch haben wir hauptſaͤchlich an dieſem Ort von der Farbe zu reden. Und ſo iſt die Farbe der menſch- lichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus keine Elementarfarbe, ſondern eine durch organiſche Kochung hoͤchſt bearbeitete Erſcheinung. 671. Daß die Farbe der Haut und Haare auf einen Unterſchied der Charaktere deute, iſt wohl keine Frage, wie wir ja ſchon einen bedeutenden Unterſchied an blonden und braunen Menſchen gewahr werden; wo- durch wir auf die Vermuthung geleitet worden, daß ein oder das andre organiſche Syſtem vorwaltend eine ſolche Verſchiedenheit hervorbringe. Ein gleiches laͤßt ſich wohl auf Nationen anwenden; wobey vielleicht zu bemerken waͤre, daß auch gewiſſe Farben mit ge- wiſſen Bildungen zuſammentreffen, worauf wir ſchon durch die Mohrenphyſiognomien aufmerkſam geworden. 672. Uebrigens waͤre wohl hier der Ort, der Zweifler- frage zu begegnen, ob denn nicht alle Menſchenbil- dung und Farbe gleich ſchoͤn, und nur durch Gewohn-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/301>, abgerufen am 21.11.2024.