Entfernung eines solchen Geschöpfs von der Vollkom- menheit an: denn man kann sagen, je edler ein Ge- schöpf ist, je mehr ist alles Stoffartige in ihm verar- beitet; je wesentlicher seine Oberfläche mit dem In- nern zusammenhängt, desto weniger können auf dersel- ben Elementarfarben erscheinen. Denn da, wo alles ein vollkommenes Ganzes zusammen ausmachen soll, kann sich nicht hier und da etwas Specifisches abson- dern.
667.
Von dem Menschen haben wir wenig zu sagen, denn er trennt sich ganz von der allgemeinen Naturlehre los, in der wir jetzt eigentlich wandeln. Auf des Men- schen Inneres ist so viel verwandt, daß seine Oberfläche nur sparsamer begabt werden konnte.
668.
Wenn man nimmt, daß schon unter der Haut die Thiere mit Intercutanmuskeln mehr belastet als be- günstigt sind; wenn man sieht, daß gar manches Ueberflüssige nach außen strebt, wie zum Beyspiel die großen Ohren und Schwänze, nicht weniger die Haare, Mähnen, Zotten: so sieht man wohl, daß die Natur vieles abzugeben und zu verschwenden hatte.
669.
Dagegen ist die Oberfläche des Menschen glatt und rein, und läßt, bey den vollkommensten, außer wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stel- len, die schöne Form sehen: denn im Vorbeygehen
Entfernung eines ſolchen Geſchoͤpfs von der Vollkom- menheit an: denn man kann ſagen, je edler ein Ge- ſchoͤpf iſt, je mehr iſt alles Stoffartige in ihm verar- beitet; je weſentlicher ſeine Oberflaͤche mit dem In- nern zuſammenhaͤngt, deſto weniger koͤnnen auf derſel- ben Elementarfarben erſcheinen. Denn da, wo alles ein vollkommenes Ganzes zuſammen ausmachen ſoll, kann ſich nicht hier und da etwas Specifiſches abſon- dern.
667.
Von dem Menſchen haben wir wenig zu ſagen, denn er trennt ſich ganz von der allgemeinen Naturlehre los, in der wir jetzt eigentlich wandeln. Auf des Men- ſchen Inneres iſt ſo viel verwandt, daß ſeine Oberflaͤche nur ſparſamer begabt werden konnte.
668.
Wenn man nimmt, daß ſchon unter der Haut die Thiere mit Intercutanmuskeln mehr belaſtet als be- guͤnſtigt ſind; wenn man ſieht, daß gar manches Ueberfluͤſſige nach außen ſtrebt, wie zum Beyſpiel die großen Ohren und Schwaͤnze, nicht weniger die Haare, Maͤhnen, Zotten: ſo ſieht man wohl, daß die Natur vieles abzugeben und zu verſchwenden hatte.
669.
Dagegen iſt die Oberflaͤche des Menſchen glatt und rein, und laͤßt, bey den vollkommenſten, außer wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stel- len, die ſchoͤne Form ſehen: denn im Vorbeygehen
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Entfernung eines ſolchen Geſchoͤpfs von der Vollkom-
menheit an: denn man kann ſagen, je edler ein Ge-
ſchoͤpf iſt, je mehr iſt alles Stoffartige in ihm verar-
beitet; je weſentlicher ſeine Oberflaͤche mit dem In-
nern zuſammenhaͤngt, deſto weniger koͤnnen auf derſel-
ben Elementarfarben erſcheinen. Denn da, wo alles
ein vollkommenes Ganzes zuſammen ausmachen ſoll,
kann ſich nicht hier und da etwas Specifiſches abſon-
dern.
667.
Von dem Menſchen haben wir wenig zu ſagen,
denn er trennt ſich ganz von der allgemeinen Naturlehre
los, in der wir jetzt eigentlich wandeln. Auf des Men-
ſchen Inneres iſt ſo viel verwandt, daß ſeine Oberflaͤche
nur ſparſamer begabt werden konnte.
668.
Wenn man nimmt, daß ſchon unter der Haut
die Thiere mit Intercutanmuskeln mehr belaſtet als be-
guͤnſtigt ſind; wenn man ſieht, daß gar manches
Ueberfluͤſſige nach außen ſtrebt, wie zum Beyſpiel die
großen Ohren und Schwaͤnze, nicht weniger die Haare,
Maͤhnen, Zotten: ſo ſieht man wohl, daß die Natur
vieles abzugeben und zu verſchwenden hatte.
669.
Dagegen iſt die Oberflaͤche des Menſchen glatt
und rein, und laͤßt, bey den vollkommenſten, außer
wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stel-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/300>, abgerufen am 21.11.2024.
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