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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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483.

Dieses Blindwerden oder Trüben des Glases geht
nach und nach in eine Farbenerscheinung über, die
sehr lebhaft werden kann, und bey welcher vielleicht
auch eine gewisse Succession, oder sonst etwas Ord-
nungsgemäßes zu entdecken wäre.

484.

Und so hätten wir denn auch die physischen Far-
ben von ihrer leisesten Wirkung an bis dahin geführt,
wo sich diese flüchtigen Erscheinungen an die Körper
festsetzen, und wir wären auf diese Weise an die Gränze
gelangt, wo die chemischen Farben eintreten, ja ge-
wissermaßen haben wir diese Gränze schon überschrit-
ten; welches für die Stätigkeit unsres Vortrags ein
gutes Vorurtheil erregen mag. Sollen wir aber noch
zu Ende dieser Abtheilung etwas Allgemeines ausspre-
chen und auf ihren innern Zusammenhang hindeuten;
so fügen wir zu dem, was wir oben (451--454.) ge-
sagt haben, noch folgendes hinzu.

485.

Das Anlaufen des Stahls und die verwandten
Erfahrungen könnte man vielleicht ganz bequem aus
der Lehre von den trüben Mitteln herleiten. Polirter
Stahl wirft mächtig das Licht zurück. Man denke sich
das durch die Hitze bewirkte Anlaufen als eine gelinde
Trübe; sogleich müßte daher ein Hellgelb erscheinen,
welches bey zunehmender Trübe immer verdichteter, ge-
drängter und röther, ja zuletzt Purpur- und Rubin-
roth erscheinen muß. Wäre nun zuletzt diese Farbe auf

483.

Dieſes Blindwerden oder Truͤben des Glaſes geht
nach und nach in eine Farbenerſcheinung uͤber, die
ſehr lebhaft werden kann, und bey welcher vielleicht
auch eine gewiſſe Succeſſion, oder ſonſt etwas Ord-
nungsgemaͤßes zu entdecken waͤre.

484.

Und ſo haͤtten wir denn auch die phyſiſchen Far-
ben von ihrer leiſeſten Wirkung an bis dahin gefuͤhrt,
wo ſich dieſe fluͤchtigen Erſcheinungen an die Koͤrper
feſtſetzen, und wir waͤren auf dieſe Weiſe an die Graͤnze
gelangt, wo die chemiſchen Farben eintreten, ja ge-
wiſſermaßen haben wir dieſe Graͤnze ſchon uͤberſchrit-
ten; welches fuͤr die Staͤtigkeit unſres Vortrags ein
gutes Vorurtheil erregen mag. Sollen wir aber noch
zu Ende dieſer Abtheilung etwas Allgemeines ausſpre-
chen und auf ihren innern Zuſammenhang hindeuten;
ſo fuͤgen wir zu dem, was wir oben (451—454.) ge-
ſagt haben, noch folgendes hinzu.

485.

Das Anlaufen des Stahls und die verwandten
Erfahrungen koͤnnte man vielleicht ganz bequem aus
der Lehre von den truͤben Mitteln herleiten. Polirter
Stahl wirft maͤchtig das Licht zuruͤck. Man denke ſich
das durch die Hitze bewirkte Anlaufen als eine gelinde
Truͤbe; ſogleich muͤßte daher ein Hellgelb erſcheinen,
welches bey zunehmender Truͤbe immer verdichteter, ge-
draͤngter und roͤther, ja zuletzt Purpur- und Rubin-
roth erſcheinen muß. Waͤre nun zuletzt dieſe Farbe auf

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[184/0238] 483. Dieſes Blindwerden oder Truͤben des Glaſes geht nach und nach in eine Farbenerſcheinung uͤber, die ſehr lebhaft werden kann, und bey welcher vielleicht auch eine gewiſſe Succeſſion, oder ſonſt etwas Ord- nungsgemaͤßes zu entdecken waͤre. 484. Und ſo haͤtten wir denn auch die phyſiſchen Far- ben von ihrer leiſeſten Wirkung an bis dahin gefuͤhrt, wo ſich dieſe fluͤchtigen Erſcheinungen an die Koͤrper feſtſetzen, und wir waͤren auf dieſe Weiſe an die Graͤnze gelangt, wo die chemiſchen Farben eintreten, ja ge- wiſſermaßen haben wir dieſe Graͤnze ſchon uͤberſchrit- ten; welches fuͤr die Staͤtigkeit unſres Vortrags ein gutes Vorurtheil erregen mag. Sollen wir aber noch zu Ende dieſer Abtheilung etwas Allgemeines ausſpre- chen und auf ihren innern Zuſammenhang hindeuten; ſo fuͤgen wir zu dem, was wir oben (451—454.) ge- ſagt haben, noch folgendes hinzu. 485. Das Anlaufen des Stahls und die verwandten Erfahrungen koͤnnte man vielleicht ganz bequem aus der Lehre von den truͤben Mitteln herleiten. Polirter Stahl wirft maͤchtig das Licht zuruͤck. Man denke ſich das durch die Hitze bewirkte Anlaufen als eine gelinde Truͤbe; ſogleich muͤßte daher ein Hellgelb erſcheinen, welches bey zunehmender Truͤbe immer verdichteter, ge- draͤngter und roͤther, ja zuletzt Purpur- und Rubin- roth erſcheinen muß. Waͤre nun zuletzt dieſe Farbe auf

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/238>, abgerufen am 21.11.2024.