Wenn ich drey solcher Hauptkreise zählen konnte, so war die Mitte farblos und dieser Raum wurde nach und nach größer, indem die Kreise mehr niedersanken, bis zuletzt die Blase zerplatzte.
470.
Fünfte Bedingung. Es können auf verschie- dene Weise sehr zarte Häutchen entstehen, an welchen man ein sehr lebhaftes Farbenspiel entdeckt, indem nehmlich sämmtliche Farben entweder in der bekannten Ordnung, oder mehr verworren durch einander laufend gesehen werden. Das Wasser, in welchem ungelöschter Kalk aufgelöst worden, überzieht sich bald mit einem farbigen Häutchen. Ein Gleiches geschieht auf der Oberfläche stehender Wasser, vorzüglich solcher, welche Eisen enthalten. Die Lamellen des feinen Weinsteins, die sich, besonders von rothem französischen Weine, in den Bouteillen anlegen, glänzen von den schönsten Farben, wenn sie auf sorgfältige Weise losgeweicht und an das Tageslicht gebracht werden. Oeltropfen auf Wasser, Branntwein und andern Flüssigkeiten brin- gen auch dergleichen Ringe und Flämmchen hervor. Der schönste Versuch aber, den man machen kann, ist folgender. Man gieße nicht allzustarkes Scheidewasser in eine flache Schale und tropfe mit einem Pinsel von jenem Firniß darauf, welchen die Kupferstecher brau- chen, um während des Aetzens gewisse Stellen ihrer Platten zu decken. Sogleich entsteht unter lebhafter Bewegung ein Häutchen, das sich in Kreise ausbrei-
469.
Wenn ich drey ſolcher Hauptkreiſe zaͤhlen konnte, ſo war die Mitte farblos und dieſer Raum wurde nach und nach groͤßer, indem die Kreiſe mehr niederſanken, bis zuletzt die Blaſe zerplatzte.
470.
Fuͤnfte Bedingung. Es koͤnnen auf verſchie- dene Weiſe ſehr zarte Haͤutchen entſtehen, an welchen man ein ſehr lebhaftes Farbenſpiel entdeckt, indem nehmlich ſaͤmmtliche Farben entweder in der bekannten Ordnung, oder mehr verworren durch einander laufend geſehen werden. Das Waſſer, in welchem ungeloͤſchter Kalk aufgeloͤſt worden, uͤberzieht ſich bald mit einem farbigen Haͤutchen. Ein Gleiches geſchieht auf der Oberflaͤche ſtehender Waſſer, vorzuͤglich ſolcher, welche Eiſen enthalten. Die Lamellen des feinen Weinſteins, die ſich, beſonders von rothem franzoͤſiſchen Weine, in den Bouteillen anlegen, glaͤnzen von den ſchoͤnſten Farben, wenn ſie auf ſorgfaͤltige Weiſe losgeweicht und an das Tageslicht gebracht werden. Oeltropfen auf Waſſer, Branntwein und andern Fluͤſſigkeiten brin- gen auch dergleichen Ringe und Flaͤmmchen hervor. Der ſchoͤnſte Verſuch aber, den man machen kann, iſt folgender. Man gieße nicht allzuſtarkes Scheidewaſſer in eine flache Schale und tropfe mit einem Pinſel von jenem Firniß darauf, welchen die Kupferſtecher brau- chen, um waͤhrend des Aetzens gewiſſe Stellen ihrer Platten zu decken. Sogleich entſteht unter lebhafter Bewegung ein Haͤutchen, das ſich in Kreiſe ausbrei-
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469.
Wenn ich drey ſolcher Hauptkreiſe zaͤhlen konnte,
ſo war die Mitte farblos und dieſer Raum wurde nach
und nach groͤßer, indem die Kreiſe mehr niederſanken,
bis zuletzt die Blaſe zerplatzte.
470.
Fuͤnfte Bedingung. Es koͤnnen auf verſchie-
dene Weiſe ſehr zarte Haͤutchen entſtehen, an welchen
man ein ſehr lebhaftes Farbenſpiel entdeckt, indem
nehmlich ſaͤmmtliche Farben entweder in der bekannten
Ordnung, oder mehr verworren durch einander laufend
geſehen werden. Das Waſſer, in welchem ungeloͤſchter
Kalk aufgeloͤſt worden, uͤberzieht ſich bald mit einem
farbigen Haͤutchen. Ein Gleiches geſchieht auf der
Oberflaͤche ſtehender Waſſer, vorzuͤglich ſolcher, welche
Eiſen enthalten. Die Lamellen des feinen Weinſteins,
die ſich, beſonders von rothem franzoͤſiſchen Weine,
in den Bouteillen anlegen, glaͤnzen von den ſchoͤnſten
Farben, wenn ſie auf ſorgfaͤltige Weiſe losgeweicht
und an das Tageslicht gebracht werden. Oeltropfen
auf Waſſer, Branntwein und andern Fluͤſſigkeiten brin-
gen auch dergleichen Ringe und Flaͤmmchen hervor.
Der ſchoͤnſte Verſuch aber, den man machen kann, iſt
folgender. Man gieße nicht allzuſtarkes Scheidewaſſer
in eine flache Schale und tropfe mit einem Pinſel von
jenem Firniß darauf, welchen die Kupferſtecher brau-
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Platten zu decken. Sogleich entſteht unter lebhafter
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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