Wenn man alles dieses nun gesehen, untersucht und sich deutlich gemacht hat; so kann man zu dem Versuche mit den Messerklingen schreiten, welches nur ein Aneinanderrücken und parallaktisches Uebereinander- greifen der uns schon bekannten Halbschatten und Höfe genannt werden kann.
411.
Zuletzt hat man jene Versuche mit Haaren, Nadeln und Drähten in jenem Halblichte, das die Sonne wirkt, so wie im Halblichte, das sich vom blauen Himmel herschreibt und auf dem Papiere zeigt, anzu- stellen und zu betrachten; wodurch man der wahren Ansicht dieser Phänomene sich immer mehr bemeistern wird.
412.
Da nun aber bey diesen Versuchen alles darauf ankommt, daß man sich von der parallaktischen Wir- kung des scheinenden Lichtes überzeuge; so kann man sich das, worauf es ankommt, durch zwey Lichter deut- licher machen, wodurch sich die zwey Schatten über einander führen und völlig sondern lassen. Bey Tage kann es durch zwey Oeffnungen am Fensterladen ge- schehen, bey Nacht durch zwey Kerzen; ja es giebt manche Zufälligkeiten in Gebäuden beym Auf- und Zu- schlagen von Läden, wo man diese Erscheinungen bes- ser beobachten kann, als bey dem sorgfältigsten Appa- rate. Jedoch lassen sich alle und jede zum Versuch er- heben, wenn man einen Kasten einrichtet, in den
410.
Wenn man alles dieſes nun geſehen, unterſucht und ſich deutlich gemacht hat; ſo kann man zu dem Verſuche mit den Meſſerklingen ſchreiten, welches nur ein Aneinanderruͤcken und parallaktiſches Uebereinander- greifen der uns ſchon bekannten Halbſchatten und Hoͤfe genannt werden kann.
411.
Zuletzt hat man jene Verſuche mit Haaren, Nadeln und Draͤhten in jenem Halblichte, das die Sonne wirkt, ſo wie im Halblichte, das ſich vom blauen Himmel herſchreibt und auf dem Papiere zeigt, anzu- ſtellen und zu betrachten; wodurch man der wahren Anſicht dieſer Phaͤnomene ſich immer mehr bemeiſtern wird.
412.
Da nun aber bey dieſen Verſuchen alles darauf ankommt, daß man ſich von der parallaktiſchen Wir- kung des ſcheinenden Lichtes uͤberzeuge; ſo kann man ſich das, worauf es ankommt, durch zwey Lichter deut- licher machen, wodurch ſich die zwey Schatten uͤber einander fuͤhren und voͤllig ſondern laſſen. Bey Tage kann es durch zwey Oeffnungen am Fenſterladen ge- ſchehen, bey Nacht durch zwey Kerzen; ja es giebt manche Zufaͤlligkeiten in Gebaͤuden beym Auf- und Zu- ſchlagen von Laͤden, wo man dieſe Erſcheinungen beſ- ſer beobachten kann, als bey dem ſorgfaͤltigſten Appa- rate. Jedoch laſſen ſich alle und jede zum Verſuch er- heben, wenn man einen Kaſten einrichtet, in den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0211"n="157"/><divn="4"><head>410.</head><lb/><p>Wenn man alles dieſes nun geſehen, unterſucht<lb/>
und ſich deutlich gemacht hat; ſo kann man zu dem<lb/>
Verſuche mit den Meſſerklingen ſchreiten, welches nur<lb/>
ein Aneinanderruͤcken und parallaktiſches Uebereinander-<lb/>
greifen der uns ſchon bekannten Halbſchatten und Hoͤfe<lb/>
genannt werden kann.</p></div><lb/><divn="4"><head>411.</head><lb/><p>Zuletzt hat man jene Verſuche mit Haaren, Nadeln<lb/>
und Draͤhten in jenem Halblichte, das die Sonne<lb/>
wirkt, ſo wie im Halblichte, das ſich vom blauen<lb/>
Himmel herſchreibt und auf dem Papiere zeigt, anzu-<lb/>ſtellen und zu betrachten; wodurch man der wahren<lb/>
Anſicht dieſer Phaͤnomene ſich immer mehr bemeiſtern<lb/>
wird.</p></div><lb/><divn="4"><head>412.</head><lb/><p>Da nun aber bey dieſen Verſuchen alles darauf<lb/>
ankommt, daß man ſich von der parallaktiſchen Wir-<lb/>
kung des ſcheinenden Lichtes uͤberzeuge; ſo kann man<lb/>ſich das, worauf es ankommt, durch zwey Lichter deut-<lb/>
licher machen, wodurch ſich die zwey Schatten uͤber<lb/>
einander fuͤhren und voͤllig ſondern laſſen. Bey Tage<lb/>
kann es durch zwey Oeffnungen am Fenſterladen ge-<lb/>ſchehen, bey Nacht durch zwey Kerzen; ja es giebt<lb/>
manche Zufaͤlligkeiten in Gebaͤuden beym Auf- und Zu-<lb/>ſchlagen von Laͤden, wo man dieſe Erſcheinungen beſ-<lb/>ſer beobachten kann, als bey dem ſorgfaͤltigſten Appa-<lb/>
rate. Jedoch laſſen ſich alle und jede zum Verſuch er-<lb/>
heben, wenn man einen Kaſten einrichtet, in den<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[157/0211]
410.
Wenn man alles dieſes nun geſehen, unterſucht
und ſich deutlich gemacht hat; ſo kann man zu dem
Verſuche mit den Meſſerklingen ſchreiten, welches nur
ein Aneinanderruͤcken und parallaktiſches Uebereinander-
greifen der uns ſchon bekannten Halbſchatten und Hoͤfe
genannt werden kann.
411.
Zuletzt hat man jene Verſuche mit Haaren, Nadeln
und Draͤhten in jenem Halblichte, das die Sonne
wirkt, ſo wie im Halblichte, das ſich vom blauen
Himmel herſchreibt und auf dem Papiere zeigt, anzu-
ſtellen und zu betrachten; wodurch man der wahren
Anſicht dieſer Phaͤnomene ſich immer mehr bemeiſtern
wird.
412.
Da nun aber bey dieſen Verſuchen alles darauf
ankommt, daß man ſich von der parallaktiſchen Wir-
kung des ſcheinenden Lichtes uͤberzeuge; ſo kann man
ſich das, worauf es ankommt, durch zwey Lichter deut-
licher machen, wodurch ſich die zwey Schatten uͤber
einander fuͤhren und voͤllig ſondern laſſen. Bey Tage
kann es durch zwey Oeffnungen am Fenſterladen ge-
ſchehen, bey Nacht durch zwey Kerzen; ja es giebt
manche Zufaͤlligkeiten in Gebaͤuden beym Auf- und Zu-
ſchlagen von Laͤden, wo man dieſe Erſcheinungen beſ-
ſer beobachten kann, als bey dem ſorgfaͤltigſten Appa-
rate. Jedoch laſſen ſich alle und jede zum Verſuch er-
heben, wenn man einen Kaſten einrichtet, in den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/211>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.