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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Gespenst erscheinen, so wie sich die Doppelschatten je-
desmal als Halbschatten zeigen müssen. Diese nehmen
die Farbe leicht an und bringen sie schnell hervor. (69.)
Jene gleichfalls. (80.) Und eben der Fall tritt auch
bey den Nebenbildern ein, welche zwar von dem Haupt-
bilde nicht ab, aber auch als halbirte Bilder aus dem-
selben hervortreten, und daher so schnell, so leicht und
so energisch gefärbt erscheinen können.

234.

Daß nun die prismatische Farbenerscheinung ein
Nebenbild sey, davon kann man sich auf mehr als eine
Weise überzeugen. Es entsteht genau nach der Form
des Hauptbildes. Dieses sey nun gerade oder im Bo-
gen begränzt, gezackt oder wellenförmig, durchaus hält
sich das Nebenbild genau an den Umriß des Haupt-
bildes.

235.

Aber nicht allein die Form des wahren Bildes,
sondern auch andre Bestimmungen desselben theilen sich
dem Nebenbilde mit. Schneidet sich das Hauptbild
scharf vom Grunde ab, wie Weiß auf Schwarz, so er-
scheint das farbige Nebenbild gleichfalls in seiner höch-
sten Energie. Es ist lebhaft, deutlich und gewaltig.
Am allermächtigsten aber ist es, wenn ein leuchtendes
Bild sich auf einem dunkeln Grunde zeigt, wozu man
verschiedene Vorrichtungen machen kann.

236.

Stuft sich aber das Hauptbild schwach von dem
Grunde ab, wie sich graue Bilder gegen Schwarz und

Geſpenſt erſcheinen, ſo wie ſich die Doppelſchatten je-
desmal als Halbſchatten zeigen muͤſſen. Dieſe nehmen
die Farbe leicht an und bringen ſie ſchnell hervor. (69.)
Jene gleichfalls. (80.) Und eben der Fall tritt auch
bey den Nebenbildern ein, welche zwar von dem Haupt-
bilde nicht ab, aber auch als halbirte Bilder aus dem-
ſelben hervortreten, und daher ſo ſchnell, ſo leicht und
ſo energiſch gefaͤrbt erſcheinen koͤnnen.

234.

Daß nun die prismatiſche Farbenerſcheinung ein
Nebenbild ſey, davon kann man ſich auf mehr als eine
Weiſe uͤberzeugen. Es entſteht genau nach der Form
des Hauptbildes. Dieſes ſey nun gerade oder im Bo-
gen begraͤnzt, gezackt oder wellenfoͤrmig, durchaus haͤlt
ſich das Nebenbild genau an den Umriß des Haupt-
bildes.

235.

Aber nicht allein die Form des wahren Bildes,
ſondern auch andre Beſtimmungen deſſelben theilen ſich
dem Nebenbilde mit. Schneidet ſich das Hauptbild
ſcharf vom Grunde ab, wie Weiß auf Schwarz, ſo er-
ſcheint das farbige Nebenbild gleichfalls in ſeiner hoͤch-
ſten Energie. Es iſt lebhaft, deutlich und gewaltig.
Am allermaͤchtigſten aber iſt es, wenn ein leuchtendes
Bild ſich auf einem dunkeln Grunde zeigt, wozu man
verſchiedene Vorrichtungen machen kann.

236.

Stuft ſich aber das Hauptbild ſchwach von dem
Grunde ab, wie ſich graue Bilder gegen Schwarz und

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[89/0143] Geſpenſt erſcheinen, ſo wie ſich die Doppelſchatten je- desmal als Halbſchatten zeigen muͤſſen. Dieſe nehmen die Farbe leicht an und bringen ſie ſchnell hervor. (69.) Jene gleichfalls. (80.) Und eben der Fall tritt auch bey den Nebenbildern ein, welche zwar von dem Haupt- bilde nicht ab, aber auch als halbirte Bilder aus dem- ſelben hervortreten, und daher ſo ſchnell, ſo leicht und ſo energiſch gefaͤrbt erſcheinen koͤnnen. 234. Daß nun die prismatiſche Farbenerſcheinung ein Nebenbild ſey, davon kann man ſich auf mehr als eine Weiſe uͤberzeugen. Es entſteht genau nach der Form des Hauptbildes. Dieſes ſey nun gerade oder im Bo- gen begraͤnzt, gezackt oder wellenfoͤrmig, durchaus haͤlt ſich das Nebenbild genau an den Umriß des Haupt- bildes. 235. Aber nicht allein die Form des wahren Bildes, ſondern auch andre Beſtimmungen deſſelben theilen ſich dem Nebenbilde mit. Schneidet ſich das Hauptbild ſcharf vom Grunde ab, wie Weiß auf Schwarz, ſo er- ſcheint das farbige Nebenbild gleichfalls in ſeiner hoͤch- ſten Energie. Es iſt lebhaft, deutlich und gewaltig. Am allermaͤchtigſten aber iſt es, wenn ein leuchtendes Bild ſich auf einem dunkeln Grunde zeigt, wozu man verſchiedene Vorrichtungen machen kann. 236. Stuft ſich aber das Hauptbild ſchwach von dem Grunde ab, wie ſich graue Bilder gegen Schwarz und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/143>, abgerufen am 21.11.2024.