gränzt seyn. Es wird daher ein Bild gefordert; die- ses Bild wird durch Refraction verrückt, aber nicht vollkommen, nicht rein, nicht scharf verrückt, sondern unvollkommen, dergestalt, daß ein Nebenbild entstehet.
228.
Bey einer jeden Erscheinung der Natur, besonders aber bey einer bedeutenden, auffallenden, muß man nicht stehen bleiben, man muß sich nicht an sie heften, nicht an ihr kleben, sie nicht isolirt betrachten; sondern in der ganzen Natur umhersehen, wo sich etwas Aehn- liches, etwas Verwandtes zeigt: denn nur durch Zusam- menstellen des Verwandten entsteht nach und nach eine Totalität, die sich selbst ausspricht und keiner weitern Erklärung bedarf.
229.
Wir erinnern uns also hier, daß bey gewissen Fällen Refraction unläugbare Doppelbilder hervorbringt, wie es bey dem sogenannten Isländischen Krystalle der Fall ist. Dergleichen Doppelbilder entstehen aber auch bey Refraction durch große Bergkrystalle und sonst; Phänomene, die noch nicht genugsam beobachtet sind.
230.
Da nun aber in gedachtem Falle (227.) nicht von Doppel-, sondern von Nebenbildern die Rede ist; so gedenken wir einer von uns schon dargelegten, aber noch nicht vollkommen ausgeführten Erscheinung. Man erinnere sich jener frühern Erfahrung, daß ein helles Bild mit einem dunklen Grunde, ein dunkles mit ei-
graͤnzt ſeyn. Es wird daher ein Bild gefordert; die- ſes Bild wird durch Refraction verruͤckt, aber nicht vollkommen, nicht rein, nicht ſcharf verruͤckt, ſondern unvollkommen, dergeſtalt, daß ein Nebenbild entſtehet.
228.
Bey einer jeden Erſcheinung der Natur, beſonders aber bey einer bedeutenden, auffallenden, muß man nicht ſtehen bleiben, man muß ſich nicht an ſie heften, nicht an ihr kleben, ſie nicht iſolirt betrachten; ſondern in der ganzen Natur umherſehen, wo ſich etwas Aehn- liches, etwas Verwandtes zeigt: denn nur durch Zuſam- menſtellen des Verwandten entſteht nach und nach eine Totalitaͤt, die ſich ſelbſt ausſpricht und keiner weitern Erklaͤrung bedarf.
229.
Wir erinnern uns alſo hier, daß bey gewiſſen Faͤllen Refraction unlaͤugbare Doppelbilder hervorbringt, wie es bey dem ſogenannten Islaͤndiſchen Kryſtalle der Fall iſt. Dergleichen Doppelbilder entſtehen aber auch bey Refraction durch große Bergkryſtalle und ſonſt; Phaͤnomene, die noch nicht genugſam beobachtet ſind.
230.
Da nun aber in gedachtem Falle (227.) nicht von Doppel-, ſondern von Nebenbildern die Rede iſt; ſo gedenken wir einer von uns ſchon dargelegten, aber noch nicht vollkommen ausgefuͤhrten Erſcheinung. Man erinnere ſich jener fruͤhern Erfahrung, daß ein helles Bild mit einem dunklen Grunde, ein dunkles mit ei-
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graͤnzt ſeyn. Es wird daher ein Bild gefordert; die-
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vollkommen, nicht rein, nicht ſcharf verruͤckt, ſondern
unvollkommen, dergeſtalt, daß ein Nebenbild entſtehet.
228.
Bey einer jeden Erſcheinung der Natur, beſonders
aber bey einer bedeutenden, auffallenden, muß man nicht
ſtehen bleiben, man muß ſich nicht an ſie heften,
nicht an ihr kleben, ſie nicht iſolirt betrachten; ſondern
in der ganzen Natur umherſehen, wo ſich etwas Aehn-
liches, etwas Verwandtes zeigt: denn nur durch Zuſam-
menſtellen des Verwandten entſteht nach und nach eine
Totalitaͤt, die ſich ſelbſt ausſpricht und keiner weitern
Erklaͤrung bedarf.
229.
Wir erinnern uns alſo hier, daß bey gewiſſen
Faͤllen Refraction unlaͤugbare Doppelbilder hervorbringt,
wie es bey dem ſogenannten Islaͤndiſchen Kryſtalle der
Fall iſt. Dergleichen Doppelbilder entſtehen aber auch
bey Refraction durch große Bergkryſtalle und ſonſt;
Phaͤnomene, die noch nicht genugſam beobachtet ſind.
230.
Da nun aber in gedachtem Falle (227.) nicht von
Doppel-, ſondern von Nebenbildern die Rede iſt; ſo
gedenken wir einer von uns ſchon dargelegten, aber
noch nicht vollkommen ausgefuͤhrten Erſcheinung. Man
erinnere ſich jener fruͤhern Erfahrung, daß ein helles
Bild mit einem dunklen Grunde, ein dunkles mit ei-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/141>, abgerufen am 21.11.2024.
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