Hier bestätigt sich also jener Ausspruch (203. f.), ein Bild müsse dergestalt verrückt werden, daß seine helle Gränze über die dunkle, die dunkle Gränze aber über die helle, das Bild über seine Begränzung, die Begränzung über das Bild scheinbar hingeführt werde. Bewegen sich aber die geradlinigen Gränzen eines Bildes durch Refraction immerfort, daß sie nur neben einan- der, nicht aber über einander ihren Weg zurücklegen; so entstehen keine Farben, und wenn sie auch bis ins Unendliche fortgeführt würden.
XIV. Bedingungen unter welchen die Far- benerscheinung zunimmt.
209.
Wir haben in dem Vorigen gesehen, daß alle Farbenerscheinung bey Gelegenheit der Refraction dar- auf beruht, daß der Rand eines Bildes gegen das Bild selbst oder über den Grund gerückt, daß das Bild gleichsam über sich selbst oder über den Grund hingeführt werde. Und nun zeigt sich auch, bey ver- mehrter Verrückung des Bildes, die Farbenerscheinung in einem breitern Maße, und zwar bey subjectiven
208.
Hier beſtaͤtigt ſich alſo jener Ausſpruch (203. f.), ein Bild muͤſſe dergeſtalt verruͤckt werden, daß ſeine helle Graͤnze uͤber die dunkle, die dunkle Graͤnze aber uͤber die helle, das Bild uͤber ſeine Begraͤnzung, die Begraͤnzung uͤber das Bild ſcheinbar hingefuͤhrt werde. Bewegen ſich aber die geradlinigen Graͤnzen eines Bildes durch Refraction immerfort, daß ſie nur neben einan- der, nicht aber uͤber einander ihren Weg zuruͤcklegen; ſo entſtehen keine Farben, und wenn ſie auch bis ins Unendliche fortgefuͤhrt wuͤrden.
XIV. Bedingungen unter welchen die Far- benerſcheinung zunimmt.
209.
Wir haben in dem Vorigen geſehen, daß alle Farbenerſcheinung bey Gelegenheit der Refraction dar- auf beruht, daß der Rand eines Bildes gegen das Bild ſelbſt oder uͤber den Grund geruͤckt, daß das Bild gleichſam uͤber ſich ſelbſt oder uͤber den Grund hingefuͤhrt werde. Und nun zeigt ſich auch, bey ver- mehrter Verruͤckung des Bildes, die Farbenerſcheinung in einem breitern Maße, und zwar bey ſubjectiven
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208.
Hier beſtaͤtigt ſich alſo jener Ausſpruch (203. f.),
ein Bild muͤſſe dergeſtalt verruͤckt werden, daß ſeine
helle Graͤnze uͤber die dunkle, die dunkle Graͤnze aber
uͤber die helle, das Bild uͤber ſeine Begraͤnzung, die
Begraͤnzung uͤber das Bild ſcheinbar hingefuͤhrt werde.
Bewegen ſich aber die geradlinigen Graͤnzen eines Bildes
durch Refraction immerfort, daß ſie nur neben einan-
der, nicht aber uͤber einander ihren Weg zuruͤcklegen;
ſo entſtehen keine Farben, und wenn ſie auch bis ins
Unendliche fortgefuͤhrt wuͤrden.
XIV.
Bedingungen unter welchen die Far-
benerſcheinung zunimmt.
209.
Wir haben in dem Vorigen geſehen, daß alle
Farbenerſcheinung bey Gelegenheit der Refraction dar-
auf beruht, daß der Rand eines Bildes gegen das
Bild ſelbſt oder uͤber den Grund geruͤckt, daß das
Bild gleichſam uͤber ſich ſelbſt oder uͤber den Grund
hingefuͤhrt werde. Und nun zeigt ſich auch, bey ver-
mehrter Verruͤckung des Bildes, die Farbenerſcheinung
in einem breitern Maße, und zwar bey ſubjectiven
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/133>, abgerufen am 22.12.2024.
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