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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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sprochen, welche denn freylich auf mancherley Weise
wiederholt, variirt, erhöht, verringert, verbunden,
verwickelt, verwirrt, zuletzt aber immer wieder auf
ihre ursprüngliche Einfalt zurückgeführt werden können.

203.

Untersuchen wir nun die Operation, welche wir
vorgenommen, so finden wir, daß wir in dem einen
Falle den hellen Rand gegen die dunkle, in dem an-
dern den dunkeln Rand gegen die helle Fläche scheinbar
geführt, eins durch das andre verdrängt, eins über
das andre weggeschoben haben. Wir wollen nunmehr
sämmtliche Erfahrungen schrittweise zu entwickeln suchen.

204.

Rückt man die helle Scheibe, wie es besonders
durch Prismen geschehen kann, im Ganzen von ihrer
Stelle; so wird sie in der Richtung gefärbt, in der
sie scheinbar bewegt wird, und zwar nach jenen Ge-
setzen. Man betrachte durch ein Prisma die in a be-
findliche Scheibe dergestalt, daß sie nach b verrückt
erscheine; so wird der obere Rand, nach dem Gesetz der
Figur c, blau und blauroth erscheinen, der untere,
nach dem Gesetz der Scheibe b, gelb und gelbroth.
Denn im ersten Fall wird das helle Bild in den dunk-
len Rand hinüber, und in dem andern der dunkle
Rand über das helle Bild gleichsam hineingeführt. Ein
gleiches gilt, wenn man die Scheibe von a nach c,
von a nach d, und so im ganzen Kreise scheinbar her-
umführt.

ſprochen, welche denn freylich auf mancherley Weiſe
wiederholt, variirt, erhoͤht, verringert, verbunden,
verwickelt, verwirrt, zuletzt aber immer wieder auf
ihre urſpruͤngliche Einfalt zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnen.

203.

Unterſuchen wir nun die Operation, welche wir
vorgenommen, ſo finden wir, daß wir in dem einen
Falle den hellen Rand gegen die dunkle, in dem an-
dern den dunkeln Rand gegen die helle Flaͤche ſcheinbar
gefuͤhrt, eins durch das andre verdraͤngt, eins uͤber
das andre weggeſchoben haben. Wir wollen nunmehr
ſaͤmmtliche Erfahrungen ſchrittweiſe zu entwickeln ſuchen.

204.

Ruͤckt man die helle Scheibe, wie es beſonders
durch Prismen geſchehen kann, im Ganzen von ihrer
Stelle; ſo wird ſie in der Richtung gefaͤrbt, in der
ſie ſcheinbar bewegt wird, und zwar nach jenen Ge-
ſetzen. Man betrachte durch ein Prisma die in a be-
findliche Scheibe dergeſtalt, daß ſie nach b verruͤckt
erſcheine; ſo wird der obere Rand, nach dem Geſetz der
Figur c, blau und blauroth erſcheinen, der untere,
nach dem Geſetz der Scheibe b, gelb und gelbroth.
Denn im erſten Fall wird das helle Bild in den dunk-
len Rand hinuͤber, und in dem andern der dunkle
Rand uͤber das helle Bild gleichſam hineingefuͤhrt. Ein
gleiches gilt, wenn man die Scheibe von a nach c,
von a nach d, und ſo im ganzen Kreiſe ſcheinbar her-
umfuͤhrt.

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[77/0131] ſprochen, welche denn freylich auf mancherley Weiſe wiederholt, variirt, erhoͤht, verringert, verbunden, verwickelt, verwirrt, zuletzt aber immer wieder auf ihre urſpruͤngliche Einfalt zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnen. 203. Unterſuchen wir nun die Operation, welche wir vorgenommen, ſo finden wir, daß wir in dem einen Falle den hellen Rand gegen die dunkle, in dem an- dern den dunkeln Rand gegen die helle Flaͤche ſcheinbar gefuͤhrt, eins durch das andre verdraͤngt, eins uͤber das andre weggeſchoben haben. Wir wollen nunmehr ſaͤmmtliche Erfahrungen ſchrittweiſe zu entwickeln ſuchen. 204. Ruͤckt man die helle Scheibe, wie es beſonders durch Prismen geſchehen kann, im Ganzen von ihrer Stelle; ſo wird ſie in der Richtung gefaͤrbt, in der ſie ſcheinbar bewegt wird, und zwar nach jenen Ge- ſetzen. Man betrachte durch ein Prisma die in a be- findliche Scheibe dergeſtalt, daß ſie nach b verruͤckt erſcheine; ſo wird der obere Rand, nach dem Geſetz der Figur c, blau und blauroth erſcheinen, der untere, nach dem Geſetz der Scheibe b, gelb und gelbroth. Denn im erſten Fall wird das helle Bild in den dunk- len Rand hinuͤber, und in dem andern der dunkle Rand uͤber das helle Bild gleichſam hineingefuͤhrt. Ein gleiches gilt, wenn man die Scheibe von a nach c, von a nach d, und ſo im ganzen Kreiſe ſcheinbar her- umfuͤhrt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/131>, abgerufen am 21.11.2024.