Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.Unbegrenzt. Dass du nicht enden kannst das macht dich gross, Und dass du nie beginnst das ist dein Loos. Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe, Anfang und Ende immer fort dasselbe, Und was die Mitte bringt ist offenbar, Das was zu Ende bleibt und Anfangs war. Du bist der Freuden ächte Dichterquelle, Und ungezählt entfliesst dir Well' auf Welle. Zum Küssen stets bereiter Mund, Ein Brustgesang der lieblich fliesset, Zum Trinken stets gereizter Schlund, Ein gutes Herz das sich ergiesset. Unbegrenzt. Daſs du nicht enden kannst das macht dich groſs, Und daſs du nie beginnst das ist dein Loos. Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe, Anfang und Ende immer fort dasselbe, Und was die Mitte bringt ist offenbar, Das was zu Ende bleibt und Anfangs war. Du bist der Freuden ächte Dichterquelle, Und ungezählt entflieſst dir Well’ auf Welle. Zum Küssen stets bereiter Mund, Ein Brustgesang der lieblich flieſset, Zum Trinken stets gereizter Schlund, Ein gutes Herz das sich ergieſset. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0052" n="42"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Unbegrenzt</hi></hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Daſs du nicht enden kannst das macht dich groſs,</l><lb/> <l>Und daſs du nie beginnst das ist dein Loos.</l><lb/> <l>Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,</l><lb/> <l>Anfang und Ende immer fort dasselbe,</l><lb/> <l>Und was die Mitte bringt ist offenbar,</l><lb/> <l>Das was zu Ende bleibt und Anfangs war.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du bist der Freuden ächte Dichterquelle,</l><lb/> <l>Und ungezählt entflieſst dir Well’ auf Welle.</l><lb/> <l>Zum Küssen stets bereiter Mund,</l><lb/> <l>Ein Brustgesang der lieblich flieſset,</l><lb/> <l>Zum Trinken stets gereizter Schlund,</l><lb/> <l>Ein gutes Herz das sich ergieſset.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0052]
Unbegrenzt.
Daſs du nicht enden kannst das macht dich groſs,
Und daſs du nie beginnst das ist dein Loos.
Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,
Anfang und Ende immer fort dasselbe,
Und was die Mitte bringt ist offenbar,
Das was zu Ende bleibt und Anfangs war.
Du bist der Freuden ächte Dichterquelle,
Und ungezählt entflieſst dir Well’ auf Welle.
Zum Küssen stets bereiter Mund,
Ein Brustgesang der lieblich flieſset,
Zum Trinken stets gereizter Schlund,
Ein gutes Herz das sich ergieſset.
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