Dessen Reise beginnt im Jahre 1320 und ist uns die Beschreibung derselben als Volksbuch, aber leider sehr ungestaltet, zu- gekommen. Man gesteht dem Verfasser zu dass er grosse Reisen gemacht, vieles ge- sehen und gut gesehen, auch richtig be- schrieben. Nun beliebt es ihm aber nicht nur mit fremdem Kalbe zu pflügen, sondern auch alte und neue Fabeln einzuschalten, wodurch denn das Wahre selbst seine Glaub- würdigkeit verliert. Aus der lateinischen Ursprache erst ins Niederdeutsche, sodann ins Oberdeutsche gebracht, erleidet das Büch- lein neue Verfälschung der Namen. Auch der Uebersetzer erlaubt sich auszulassen und einzuschalten, wie unser Görres, in sei- ner verdienstlichen Schrift über die deut- schen Volksbücher anzeigt, auf welche Weise Genuss und Nutzen an diesem bedeutenden Werke verkümmert worden.
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Johannes von Montevilla.
Dessen Reise beginnt im Jahre 1320 und ist uns die Beschreibung derselben als Volksbuch, aber leider sehr ungestaltet, zu- gekommen. Man gesteht dem Verfasser zu daſs er groſse Reisen gemacht, vieles ge- sehen und gut gesehen, auch richtig be- schrieben. Nun beliebt es ihm aber nicht nur mit fremdem Kalbe zu pflügen, sondern auch alte und neue Fabeln einzuschalten, wodurch denn das Wahre selbst seine Glaub- würdigkeit verliert. Aus der lateinischen Ursprache erst ins Niederdeutsche, sodann ins Oberdeutsche gebracht, erleidet das Büch- lein neue Verfälschung der Namen. Auch der Uebersetzer erlaubt sich auszulassen und einzuschalten, wie unser Görres, in sei- ner verdienstlichen Schrift über die deut- schen Volksbücher anzeigt, auf welche Weise Genuſs und Nutzen an diesem bedeutenden Werke verkümmert worden.
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[465[467]/0477]
Johannes von Montevilla.
Dessen Reise beginnt im Jahre 1320
und ist uns die Beschreibung derselben als
Volksbuch, aber leider sehr ungestaltet, zu-
gekommen. Man gesteht dem Verfasser zu
daſs er groſse Reisen gemacht, vieles ge-
sehen und gut gesehen, auch richtig be-
schrieben. Nun beliebt es ihm aber nicht
nur mit fremdem Kalbe zu pflügen, sondern
auch alte und neue Fabeln einzuschalten,
wodurch denn das Wahre selbst seine Glaub-
würdigkeit verliert. Aus der lateinischen
Ursprache erst ins Niederdeutsche, sodann
ins Oberdeutsche gebracht, erleidet das Büch-
lein neue Verfälschung der Namen. Auch
der Uebersetzer erlaubt sich auszulassen und
einzuschalten, wie unser Görres, in sei-
ner verdienstlichen Schrift über die deut-
schen Volksbücher anzeigt, auf welche Weise
Genuſs und Nutzen an diesem bedeutenden
Werke verkümmert worden.
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 465[467]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/477>, abgerufen am 21.11.2024.
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