Wenn jemand Wort und Ausdruck als heilige Zeugnisse betrachtet und sie nicht etwa, wie Scheidemünze oder Papiergeld, nur zu schnellem augenblicklichen Verkehr bringen, sondern im geistigen Handel und Wandel als wahres Aequivalent ausgetauscht wissen will; so kann man ihm nicht ver- übeln dass er aufmerksam macht, wie her- kömmliche Ausdrücke, woran niemand mehr Arges hat, doch einen schädlichen Einfluss verüben, Ansichten verdüstern, den Begriff entstellen und ganzen Fächern eine falsche Richtung geben.
Von der Art möchte wohl der einge- führte Gebrauch seyn dass man den Titel: schöne Redekünste, als allgemeine Rubrik behandelt, unter welcher man Poe- sie und Prosa begreifen und eine neben der andern, ihren verschiedenen Theilen nach, aufstellen will.
Verwahrung.
Wenn jemand Wort und Ausdruck als heilige Zeugnisse betrachtet und sie nicht etwa, wie Scheidemünze oder Papiergeld, nur zu schnellem augenblicklichen Verkehr bringen, sondern im geistigen Handel und Wandel als wahres Aequivalent ausgetauscht wissen will; so kann man ihm nicht ver- übeln daſs er aufmerksam macht, wie her- kömmliche Ausdrücke, woran niemand mehr Arges hat, doch einen schädlichen Einfluſs verüben, Ansichten verdüstern, den Begriff entstellen und ganzen Fächern eine falsche Richtung geben.
Von der Art möchte wohl der einge- führte Gebrauch seyn daſs man den Titel: schöne Redekünste, als allgemeine Rubrik behandelt, unter welcher man Poe- sie und Prosa begreifen und eine neben der andern, ihren verschiedenen Theilen nach, aufstellen will.
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Verwahrung.
Wenn jemand Wort und Ausdruck als
heilige Zeugnisse betrachtet und sie nicht
etwa, wie Scheidemünze oder Papiergeld,
nur zu schnellem augenblicklichen Verkehr
bringen, sondern im geistigen Handel und
Wandel als wahres Aequivalent ausgetauscht
wissen will; so kann man ihm nicht ver-
übeln daſs er aufmerksam macht, wie her-
kömmliche Ausdrücke, woran niemand mehr
Arges hat, doch einen schädlichen Einfluſs
verüben, Ansichten verdüstern, den Begriff
entstellen und ganzen Fächern eine falsche
Richtung geben.
Von der Art möchte wohl der einge-
führte Gebrauch seyn daſs man den Titel:
schöne Redekünste, als allgemeine
Rubrik behandelt, unter welcher man Poe-
sie und Prosa begreifen und eine neben der
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/387>, abgerufen am 21.11.2024.
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