Viele Dichter versammelten sich an Mahmuds Hofe, man spricht von vierhunder- ten, die daselbst ihr Wesen getrieben. Und wie nun alles im Orient sich unterordnen, sich höheren Geboten fügen muss, so be- stellte ihnen auch der Fürst einen Dichter- fürsten, der sie prüfen, beurtheilen, sie zu Arbeiten, jedem Talent gemäss, auf- muntern sollte. Diese Stelle hat man als eine der vorzüglichsten am Hofe zu betrach- ten: er war Minister aller wissenschaftli- chen, historischpoetischen Geschäfte; durch ihn wurden die Gunstbezeigungen seinen Untergebenen zu Theil, und wenn er den Hof begleitete, geschah es in so grossem Gefolge, in so stattlichem Aufzuge, dass man ihn wohl für einen Vezier halten konnte.
Dichterkönige.
Viele Dichter versammelten sich an Mahmuds Hofe, man spricht von vierhunder- ten, die daselbst ihr Wesen getrieben. Und wie nun alles im Orient sich unterordnen, sich höheren Geboten fügen muſs, so be- stellte ihnen auch der Fürst einen Dichter- fürsten, der sie prüfen, beurtheilen, sie zu Arbeiten, jedem Talent gemäſs, auf- muntern sollte. Diese Stelle hat man als eine der vorzüglichsten am Hofe zu betrach- ten: er war Minister aller wissenschaftli- chen, historischpoetischen Geschäfte; durch ihn wurden die Gunstbezeigungen seinen Untergebenen zu Theil, und wenn er den Hof begleitete, geschah es in so groſsem Gefolge, in so stattlichem Aufzuge, daſs man ihn wohl für einen Vezier halten konnte.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0309"n="299"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#i"><hirendition="#g">Dichterkönige</hi></hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Viele Dichter versammelten sich an<lb/>
Mahmuds Hofe, man spricht von vierhunder-<lb/>
ten, die daselbst ihr Wesen getrieben. Und<lb/>
wie nun alles im Orient sich unterordnen,<lb/>
sich höheren Geboten fügen muſs, so be-<lb/>
stellte ihnen auch der Fürst einen Dichter-<lb/>
fürsten, der sie prüfen, beurtheilen, sie<lb/>
zu Arbeiten, jedem Talent gemäſs, auf-<lb/>
muntern sollte. Diese Stelle hat man als<lb/>
eine der vorzüglichsten am Hofe zu betrach-<lb/>
ten: er war Minister aller wissenschaftli-<lb/>
chen, historischpoetischen Geschäfte; durch<lb/>
ihn wurden die Gunstbezeigungen seinen<lb/>
Untergebenen zu Theil, und wenn er den<lb/>
Hof begleitete, geschah es in so groſsem<lb/>
Gefolge, in so stattlichem Aufzuge, daſs man<lb/>
ihn wohl für einen Vezier halten konnte.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[299/0309]
Dichterkönige.
Viele Dichter versammelten sich an
Mahmuds Hofe, man spricht von vierhunder-
ten, die daselbst ihr Wesen getrieben. Und
wie nun alles im Orient sich unterordnen,
sich höheren Geboten fügen muſs, so be-
stellte ihnen auch der Fürst einen Dichter-
fürsten, der sie prüfen, beurtheilen, sie
zu Arbeiten, jedem Talent gemäſs, auf-
muntern sollte. Diese Stelle hat man als
eine der vorzüglichsten am Hofe zu betrach-
ten: er war Minister aller wissenschaftli-
chen, historischpoetischen Geschäfte; durch
ihn wurden die Gunstbezeigungen seinen
Untergebenen zu Theil, und wenn er den
Hof begleitete, geschah es in so groſsem
Gefolge, in so stattlichem Aufzuge, daſs man
ihn wohl für einen Vezier halten konnte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/309>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.