Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.Medschnun heisst -- ich will nicht sagen Dass es grad' ein Toller heisse; Doch ihr müsst mich nicht verklagen Dass ich mich als Medschnun preise. Wenn die Brust, die redlich volle, Sich entladet euch zu retten, Ruft ihr nicht: das ist der Tolle! Holet Stricke, schaffet Ketten! Und wenn ihr zuletzt in Fesseln Seht die Klügeren verschmachten, Sengt es euch wie Feuernesseln Das vergebens zu betrachten. Medschnun heiſst — ich will nicht sagen Daſs es grad’ ein Toller heiſse; Doch ihr müſst mich nicht verklagen Daſs ich mich als Medschnun preise. Wenn die Brust, die redlich volle, Sich entladet euch zu retten, Ruft ihr nicht: das ist der Tolle! Holet Stricke, schaffet Ketten! Und wenn ihr zuletzt in Fesseln Seht die Klügeren verschmachten, Sengt es euch wie Feuernesseln Das vergebens zu betrachten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0102" n="92"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Medschnun heiſst — ich will nicht sagen</l><lb/> <l>Daſs es grad’ ein Toller heiſse;</l><lb/> <l>Doch ihr müſst mich nicht verklagen</l><lb/> <l>Daſs ich mich als Medschnun preise.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn die Brust, die redlich volle,</l><lb/> <l>Sich entladet euch zu retten,</l><lb/> <l>Ruft ihr nicht: das ist der Tolle!</l><lb/> <l>Holet Stricke, schaffet Ketten!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und wenn ihr zuletzt in Fesseln</l><lb/> <l>Seht die Klügeren verschmachten,</l><lb/> <l>Sengt es euch wie Feuernesseln</l><lb/> <l>Das vergebens zu betrachten.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [92/0102]
Medschnun heiſst — ich will nicht sagen
Daſs es grad’ ein Toller heiſse;
Doch ihr müſst mich nicht verklagen
Daſs ich mich als Medschnun preise.
Wenn die Brust, die redlich volle,
Sich entladet euch zu retten,
Ruft ihr nicht: das ist der Tolle!
Holet Stricke, schaffet Ketten!
Und wenn ihr zuletzt in Fesseln
Seht die Klügeren verschmachten,
Sengt es euch wie Feuernesseln
Das vergebens zu betrachten.
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