Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Werfen wir einen Blick auf die ganze Masse der
Erscheinungen zurück, die wir an uns vorübergehen
sahen, dann drängt ein eignes wunderbares Gefühl
sich in uns hervor. In unabsehbar langer Reihe geordnet
stehen die Jahrhunderte, die Nächsten mit uns genau
befreundet, in Haltung und Gestalt wie wir beschaffen,
unsere eigene Sprache uns verständlich sprechend; die
Fernern immer seltsamer, immer wunderbarer, immer
unverständlicher und geheimnißvoller; in die Weite ein-
geschleiert, wollen ihre Züge sich nicht erfassen lassen,
und die fremden Laute, die von ihnen herübertönen,
verklingen und verschweben in die Weite: bei den
Fernsten aber ist alle Form in das Wunder aufgelöst,
und sie sprechen in dunkeln Hieroglyphen von der Ewig-
keit, wie die Elemente sprechen, sinnvoll und bedeutend,
aber nicht mit Menschenzungen, nicht mit artikulirten


Werfen wir einen Blick auf die ganze Maſſe der
Erſcheinungen zurück, die wir an uns vorübergehen
ſahen, dann drängt ein eignes wunderbares Gefühl
ſich in uns hervor. In unabſehbar langer Reihe geordnet
ſtehen die Jahrhunderte, die Nächſten mit uns genau
befreundet, in Haltung und Geſtalt wie wir beſchaffen,
unſere eigene Sprache uns verſtändlich ſprechend; die
Fernern immer ſeltſamer, immer wunderbarer, immer
unverſtändlicher und geheimnißvoller; in die Weite ein-
geſchleiert, wollen ihre Züge ſich nicht erfaſſen laſſen,
und die fremden Laute, die von ihnen herübertönen,
verklingen und verſchweben in die Weite: bei den
Fernſten aber iſt alle Form in das Wunder aufgelöſt,
und ſie ſprechen in dunkeln Hieroglyphen von der Ewig-
keit, wie die Elemente ſprechen, ſinnvoll und bedeutend,
aber nicht mit Menſchenzungen, nicht mit artikulirten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0280" n="262"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#in">W</hi>erfen wir einen Blick auf die ganze Ma&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Er&#x017F;cheinungen zurück, die wir an uns vorübergehen<lb/>
&#x017F;ahen, dann drängt ein eignes wunderbares Gefühl<lb/>
&#x017F;ich in uns hervor. In unab&#x017F;ehbar langer Reihe geordnet<lb/>
&#x017F;tehen die Jahrhunderte, die Näch&#x017F;ten mit uns genau<lb/>
befreundet, in Haltung und Ge&#x017F;talt wie wir be&#x017F;chaffen,<lb/>
un&#x017F;ere eigene Sprache uns ver&#x017F;tändlich &#x017F;prechend; die<lb/>
Fernern immer &#x017F;elt&#x017F;amer, immer wunderbarer, immer<lb/>
unver&#x017F;tändlicher und geheimnißvoller; in die Weite ein-<lb/>
ge&#x017F;chleiert, wollen ihre Züge &#x017F;ich nicht erfa&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und die fremden Laute, die von ihnen herübertönen,<lb/>
verklingen und ver&#x017F;chweben in die Weite: bei den<lb/>
Fern&#x017F;ten aber i&#x017F;t alle Form in das Wunder aufgelö&#x017F;t,<lb/>
und &#x017F;ie &#x017F;prechen in dunkeln Hieroglyphen von der Ewig-<lb/>
keit, wie die Elemente &#x017F;prechen, &#x017F;innvoll und bedeutend,<lb/>
aber nicht mit Men&#x017F;chenzungen, nicht mit artikulirten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0280] Werfen wir einen Blick auf die ganze Maſſe der Erſcheinungen zurück, die wir an uns vorübergehen ſahen, dann drängt ein eignes wunderbares Gefühl ſich in uns hervor. In unabſehbar langer Reihe geordnet ſtehen die Jahrhunderte, die Nächſten mit uns genau befreundet, in Haltung und Geſtalt wie wir beſchaffen, unſere eigene Sprache uns verſtändlich ſprechend; die Fernern immer ſeltſamer, immer wunderbarer, immer unverſtändlicher und geheimnißvoller; in die Weite ein- geſchleiert, wollen ihre Züge ſich nicht erfaſſen laſſen, und die fremden Laute, die von ihnen herübertönen, verklingen und verſchweben in die Weite: bei den Fernſten aber iſt alle Form in das Wunder aufgelöſt, und ſie ſprechen in dunkeln Hieroglyphen von der Ewig- keit, wie die Elemente ſprechen, ſinnvoll und bedeutend, aber nicht mit Menſchenzungen, nicht mit artikulirten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/280
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/280>, abgerufen am 22.12.2024.