Willen des Gesezgebers gründet, und dann ist es ent- weder durch Gewohnheit, oder durch Observanz eingeführet worden. Was nun aber eine Gewohnheit sey, und wie sie sich von der Observanz unterscheide, wird der folgende §. lehren.
§. 84. Verschiedene Bedeutung der Worte consuetudo, und Gewohn- heit. Unterschied zwischen Gewohnheit in eigent- licher Bedeutung und Observanz.
Das lateinische Wort consuetudo hat wie das teutsche Gewohnheit mancherley Bedeutungen, und es ist nothwendig, diese kürzlich anzuführen, um hernach den eigentlichen Begrif von Gewohnheit desto richtiger bestimmen zu können. Consuetudo zeigt 1) in unsern Gesetzen einen sehr genauen Umgang, oder gesellschaft- liche Verbindung verschiedener Persohnen mit einander an. In dieser Bedeutung wird nicht nur die Ehe 35), sondern auch der Concubinat mit diesem Worte bezeich- net So z. B. sagt Modestin36): Stuprum com- mittit, qui liberam mulierem consuetudinis causa, (d. i. zur Concubine) non matrimonii, continet. 2) Bedeutet consuetudo auch dasjenige, was nach der Ord- nung der Natur gewöhnlich zu seyn pflegt. In diesem Verstande nimmt Paulus37) dieses Wort, wenn er bey Entscheidung der Frage, ob durch Ernennung sol- cher postumorum, die der Testirer seines Alters oder
einer
35)§. 1. l. de patr. pot. Vergleiche auch suetoniusNe- ron. c. 35. init. wo er von Nero erzählt, eum Octaviae (uxoris) consuetudinem (eheliche Beywohnung) asperna- tum.
36)L. 34. pr. D. ad Leg. Iul. de adulter.
37)L. 9. pr. D. de lib. et postum.
1. Buch. 3. Tit.
Willen des Geſezgebers gruͤndet, und dann iſt es ent- weder durch Gewohnheit, oder durch Obſervanz eingefuͤhret worden. Was nun aber eine Gewohnheit ſey, und wie ſie ſich von der Obſervanz unterſcheide, wird der folgende §. lehren.
§. 84. Verſchiedene Bedeutung der Worte conſuetudo, und Gewohn- heit. Unterſchied zwiſchen Gewohnheit in eigent- licher Bedeutung und Obſervanz.
Das lateiniſche Wort conſuetudo hat wie das teutſche Gewohnheit mancherley Bedeutungen, und es iſt nothwendig, dieſe kuͤrzlich anzufuͤhren, um hernach den eigentlichen Begrif von Gewohnheit deſto richtiger beſtimmen zu koͤnnen. Conſuetudo zeigt 1) in unſern Geſetzen einen ſehr genauen Umgang, oder geſellſchaft- liche Verbindung verſchiedener Perſohnen mit einander an. In dieſer Bedeutung wird nicht nur die Ehe 35), ſondern auch der Concubinat mit dieſem Worte bezeich- net So z. B. ſagt Modeſtin36): Stuprum com- mittit, qui liberam mulierem conſuetudinis cauſa, (d. i. zur Concubine) non matrimonii, continet. 2) Bedeutet conſuetudo auch dasjenige, was nach der Ord- nung der Natur gewoͤhnlich zu ſeyn pflegt. In dieſem Verſtande nimmt Paulus37) dieſes Wort, wenn er bey Entſcheidung der Frage, ob durch Ernennung ſol- cher poſtumorum, die der Teſtirer ſeines Alters oder
einer
35)§. 1. l. de patr. pot. Vergleiche auch suetoniusNe- ron. c. 35. init. wo er von Nero erzaͤhlt, eum Octaviae (uxoris) conſuetudinem (eheliche Beywohnung) aſperna- tum.
36)L. 34. pr. D. ad Leg. Iul. de adulter.
37)L. 9. pr. D. de lib. et poſtum.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbn="430"facs="#f0450"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#fr">1. Buch. 3. Tit.</hi></fw><lb/>
Willen des Geſezgebers gruͤndet, und dann iſt es ent-<lb/>
weder durch <hirendition="#g">Gewohnheit</hi>, oder durch <hirendition="#g">Obſervanz</hi><lb/>
eingefuͤhret worden. Was nun aber eine Gewohnheit<lb/>ſey, und wie ſie ſich von der Obſervanz unterſcheide,<lb/>
wird der folgende §. lehren.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 84.<lb/>
Verſchiedene Bedeutung der Worte <hirendition="#aq"><hirendition="#i">conſuetudo</hi>,</hi> und Gewohn-<lb/>
heit. Unterſchied zwiſchen <hirendition="#g">Gewohnheit</hi> in <hirendition="#g">eigent-<lb/>
licher</hi> Bedeutung und <hirendition="#g">Obſervanz</hi>.</head><lb/><p>Das lateiniſche Wort <hirendition="#i"><hirendition="#aq">conſuetudo</hi></hi> hat wie das<lb/>
teutſche <hirendition="#fr">Gewohnheit</hi> mancherley Bedeutungen, und<lb/>
es iſt nothwendig, dieſe kuͤrzlich anzufuͤhren, um hernach<lb/>
den eigentlichen Begrif von Gewohnheit deſto richtiger<lb/>
beſtimmen zu koͤnnen. <hirendition="#i"><hirendition="#aq">Conſuetudo</hi></hi> zeigt 1) in unſern<lb/>
Geſetzen einen ſehr genauen Umgang, oder geſellſchaft-<lb/>
liche Verbindung verſchiedener Perſohnen mit einander<lb/>
an. In dieſer Bedeutung wird nicht nur die Ehe <noteplace="foot"n="35)"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">§. 1. l. de patr. pot.</hi></hi> Vergleiche auch <hirendition="#aq"><hirendition="#k">suetonius</hi><hirendition="#i">Ne-<lb/>
ron. c. 35. init.</hi></hi> wo er von Nero erzaͤhlt, <hirendition="#aq">eum Octaviae<lb/>
(uxoris) <hirendition="#i">conſuetudinem</hi></hi> (eheliche Beywohnung) <hirendition="#aq">aſperna-<lb/>
tum.</hi></note>,<lb/>ſondern auch der Concubinat mit dieſem Worte bezeich-<lb/>
net So z. B. ſagt <hirendition="#g">Modeſtin</hi><noteplace="foot"n="36)"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">L. 34. pr. D. ad Leg. Iul. de adulter.</hi></hi></note>: <hirendition="#aq">Stuprum com-<lb/>
mittit, qui liberam mulierem <hirendition="#i">conſuetudinis cauſa</hi>,</hi><lb/>
(d. i. zur Concubine) <hirendition="#aq">non matrimonii, continet.</hi> 2)<lb/>
Bedeutet <hirendition="#i"><hirendition="#aq">conſuetudo</hi></hi> auch dasjenige, was nach der Ord-<lb/>
nung der Natur gewoͤhnlich zu ſeyn pflegt. In dieſem<lb/>
Verſtande nimmt <hirendition="#g">Paulus</hi><noteplace="foot"n="37)"><hirendition="#i"><hirendition="#aq">L. 9. pr. D. de lib. et poſtum.</hi></hi></note> dieſes Wort, wenn er<lb/>
bey Entſcheidung der Frage, ob durch Ernennung ſol-<lb/>
cher <hirendition="#aq">poſtumorum,</hi> die der Teſtirer ſeines Alters oder<lb/><fwtype="catch"place="bottom">einer</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[430/0450]
1. Buch. 3. Tit.
Willen des Geſezgebers gruͤndet, und dann iſt es ent-
weder durch Gewohnheit, oder durch Obſervanz
eingefuͤhret worden. Was nun aber eine Gewohnheit
ſey, und wie ſie ſich von der Obſervanz unterſcheide,
wird der folgende §. lehren.
§. 84.
Verſchiedene Bedeutung der Worte conſuetudo, und Gewohn-
heit. Unterſchied zwiſchen Gewohnheit in eigent-
licher Bedeutung und Obſervanz.
Das lateiniſche Wort conſuetudo hat wie das
teutſche Gewohnheit mancherley Bedeutungen, und
es iſt nothwendig, dieſe kuͤrzlich anzufuͤhren, um hernach
den eigentlichen Begrif von Gewohnheit deſto richtiger
beſtimmen zu koͤnnen. Conſuetudo zeigt 1) in unſern
Geſetzen einen ſehr genauen Umgang, oder geſellſchaft-
liche Verbindung verſchiedener Perſohnen mit einander
an. In dieſer Bedeutung wird nicht nur die Ehe 35),
ſondern auch der Concubinat mit dieſem Worte bezeich-
net So z. B. ſagt Modeſtin 36): Stuprum com-
mittit, qui liberam mulierem conſuetudinis cauſa,
(d. i. zur Concubine) non matrimonii, continet. 2)
Bedeutet conſuetudo auch dasjenige, was nach der Ord-
nung der Natur gewoͤhnlich zu ſeyn pflegt. In dieſem
Verſtande nimmt Paulus 37) dieſes Wort, wenn er
bey Entſcheidung der Frage, ob durch Ernennung ſol-
cher poſtumorum, die der Teſtirer ſeines Alters oder
einer
35) §. 1. l. de patr. pot. Vergleiche auch suetonius Ne-
ron. c. 35. init. wo er von Nero erzaͤhlt, eum Octaviae
(uxoris) conſuetudinem (eheliche Beywohnung) aſperna-
tum.
36) L. 34. pr. D. ad Leg. Iul. de adulter.
37) L. 9. pr. D. de lib. et poſtum.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/450>, abgerufen am 02.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.