mehr seyn. Wenn demnach die Frage ist, ob Jemand für mündig oder unmündig, für majorenn oder minorenn, für einen Verschwender oder nicht, für einen Filius oder filiafamilias oder für eine Persohn, die sui iuris ist, zu halten, und daher fähig oder unfähig sey, zu contrahiren, und über das Seinige zu disponiren; des- gleichen, ob Jemand ehelich oder unehelich, ehrlich oder unehrlich sey, auch welches die Wirkungen der Ehe seyn, darin Jemand lebt, so kommt es allemahl auf die Gesetze des Domiciliums an. Es ist daher keinen Zweifel unterworffen, daß eine Persohn, die nach den besondern Gesetzen des Orts, wo sie wohnhaft ist, für sui iuris zu halten, über ihr Vermögen ein gültig Te- stament machen könne, wenn auch gleich ein Theil des- selben auswärts und an einem solchen Orte liegen soll- te, wo dieselbe noch nicht dafür erkannt wird.
§. 75. Zweite Regel.
2) Wenn aber von den Handlungen ei- ner Persohn, deren Form, Gültigkeit und Strafbarkeit die Rede ist, so müssen in der Regel die Gesetze des Landes angewendet werden, wo die Handlung vorgenommen oder zu Stande gekommen ist.
Denn die Gesetze eines Landes, welche von den Handlungen der Unterthanen disponiren, können ei- gentlich nur in so fern zur Richtschnur dienen, als diese Handlungen in dem Territorium vorgenommen werden; nicht weiter. Denn sonst ginge der Gesezgeber über die Grenzen seines Gebiets hinaus: Leges vero non va- lent extra territorium. Daß nun der Inländer die- sen Gesetzen unterworffen, wenn er dergleichen Hand-
lungen,
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de Origine Iuris.
mehr ſeyn. Wenn demnach die Frage iſt, ob Jemand fuͤr muͤndig oder unmuͤndig, fuͤr majorenn oder minorenn, fuͤr einen Verſchwender oder nicht, fuͤr einen Filius oder filiafamilias oder fuͤr eine Perſohn, die ſui iuris iſt, zu halten, und daher faͤhig oder unfaͤhig ſey, zu contrahiren, und uͤber das Seinige zu disponiren; des- gleichen, ob Jemand ehelich oder unehelich, ehrlich oder unehrlich ſey, auch welches die Wirkungen der Ehe ſeyn, darin Jemand lebt, ſo kommt es allemahl auf die Geſetze des Domiciliums an. Es iſt daher keinen Zweifel unterworffen, daß eine Perſohn, die nach den beſondern Geſetzen des Orts, wo ſie wohnhaft iſt, fuͤr ſui iuris zu halten, uͤber ihr Vermoͤgen ein guͤltig Te- ſtament machen koͤnne, wenn auch gleich ein Theil deſ- ſelben auswaͤrts und an einem ſolchen Orte liegen ſoll- te, wo dieſelbe noch nicht dafuͤr erkannt wird.
§. 75. Zweite Regel.
2) Wenn aber von den Handlungen ei- ner Perſohn, deren Form, Guͤltigkeit und Strafbarkeit die Rede iſt, ſo muͤſſen in der Regel die Geſetze des Landes angewendet werden, wo die Handlung vorgenommen oder zu Stande gekommen iſt.
Denn die Geſetze eines Landes, welche von den Handlungen der Unterthanen disponiren, koͤnnen ei- gentlich nur in ſo fern zur Richtſchnur dienen, als dieſe Handlungen in dem Territorium vorgenommen werden; nicht weiter. Denn ſonſt ginge der Geſezgeber uͤber die Grenzen ſeines Gebiets hinaus: Leges vero non va- lent extra territorium. Daß nun der Inlaͤnder die- ſen Geſetzen unterworffen, wenn er dergleichen Hand-
lungen,
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de Origine Iuris.
mehr ſeyn. Wenn demnach die Frage iſt, ob Jemand
fuͤr muͤndig oder unmuͤndig, fuͤr majorenn oder minorenn,
fuͤr einen Verſchwender oder nicht, fuͤr einen Filius
oder filiafamilias oder fuͤr eine Perſohn, die ſui iuris
iſt, zu halten, und daher faͤhig oder unfaͤhig ſey, zu
contrahiren, und uͤber das Seinige zu disponiren; des-
gleichen, ob Jemand ehelich oder unehelich, ehrlich oder
unehrlich ſey, auch welches die Wirkungen der Ehe
ſeyn, darin Jemand lebt, ſo kommt es allemahl auf
die Geſetze des Domiciliums an. Es iſt daher keinen
Zweifel unterworffen, daß eine Perſohn, die nach den
beſondern Geſetzen des Orts, wo ſie wohnhaft iſt, fuͤr
ſui iuris zu halten, uͤber ihr Vermoͤgen ein guͤltig Te-
ſtament machen koͤnne, wenn auch gleich ein Theil deſ-
ſelben auswaͤrts und an einem ſolchen Orte liegen ſoll-
te, wo dieſelbe noch nicht dafuͤr erkannt wird.
§. 75.
Zweite Regel.
2) Wenn aber von den Handlungen ei-
ner Perſohn, deren Form, Guͤltigkeit und
Strafbarkeit die Rede iſt, ſo muͤſſen in der
Regel die Geſetze des Landes angewendet
werden, wo die Handlung vorgenommen oder
zu Stande gekommen iſt.
Denn die Geſetze eines Landes, welche von den
Handlungen der Unterthanen disponiren, koͤnnen ei-
gentlich nur in ſo fern zur Richtſchnur dienen, als dieſe
Handlungen in dem Territorium vorgenommen werden;
nicht weiter. Denn ſonſt ginge der Geſezgeber uͤber die
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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/409>, abgerufen am 02.03.2025.
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