Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Träumerin.
Ein kleines schwarzes Mädchen,
Hielt auf dem weichsten Bette,
Die sanfte Mittagsruhe.
Es schlief, wie Mädchen schlafen;
Es lächelte im Schlafe;
Es regte sich der Busen,
So oft es Athem holte.
Es that, als wolt es wachen;
Es warf sich hin und wieder,
Und lächelte noch zweimal;
Es stekkte, bei dem Lächeln,
Die rechte Hand im Busen.
Ich bükkte mich und lauschte
Die Linke zu erblikken;
Allein sie war verborgen.
Doch, als ich nicht mehr lauschte,
Zog es sie schnell zurükke,
Und warf sie zu der Rechten,
Und faltete die Hände,
Wie fromme Beterinnen,
Die Händ aus Andacht falten.
Ach! sprach ich zu den Brüdern,
Ach seht, das Mädchen betet!
Warum mag doch das Mädchen,
Den harten Himmel bitten?
Ver-
Die Träumerin.
Ein kleines ſchwarzes Mädchen,
Hielt auf dem weichſten Bette,
Die ſanfte Mittagsruhe.
Es ſchlief, wie Mädchen ſchlafen;
Es lächelte im Schlafe;
Es regte ſich der Buſen,
So oft es Athem holte.
Es that, als wolt es wachen;
Es warf ſich hin und wieder,
Und lächelte noch zweimal;
Es ſtekkte, bei dem Lächeln,
Die rechte Hand im Buſen.
Ich bükkte mich und lauſchte
Die Linke zu erblikken;
Allein ſie war verborgen.
Doch, als ich nicht mehr lauſchte,
Zog es ſie ſchnell zurükke,
Und warf ſie zu der Rechten,
Und faltete die Hände,
Wie fromme Beterinnen,
Die Händ aus Andacht falten.
Ach! ſprach ich zu den Brüdern,
Ach ſeht, das Mädchen betet!
Warum mag doch das Mädchen,
Den harten Himmel bitten?
Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0078" n="52"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Die Träumerin.</hi> </head><lb/>
        <lg n="1">
          <l><hi rendition="#in">E</hi>in kleines &#x017F;chwarzes Mädchen,</l><lb/>
          <l>Hielt auf dem weich&#x017F;ten Bette,</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;anfte Mittagsruhe.</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;chlief, wie Mädchen &#x017F;chlafen;</l><lb/>
          <l>Es lächelte im Schlafe;</l><lb/>
          <l>Es regte &#x017F;ich der Bu&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>So oft es Athem holte.</l><lb/>
          <l>Es that, als wolt es wachen;</l><lb/>
          <l>Es warf &#x017F;ich hin und wieder,</l><lb/>
          <l>Und lächelte noch zweimal;</l><lb/>
          <l>Es &#x017F;tekkte, bei dem Lächeln,</l><lb/>
          <l>Die rechte Hand im Bu&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Ich bükkte mich und lau&#x017F;chte</l><lb/>
          <l>Die Linke zu erblikken;</l><lb/>
          <l>Allein &#x017F;ie war verborgen.</l><lb/>
          <l>Doch, als ich nicht mehr lau&#x017F;chte,</l><lb/>
          <l>Zog es &#x017F;ie &#x017F;chnell zurükke,</l><lb/>
          <l>Und warf &#x017F;ie zu der Rechten,</l><lb/>
          <l>Und faltete die Hände,</l><lb/>
          <l>Wie fromme Beterinnen,</l><lb/>
          <l>Die Händ aus Andacht falten.</l><lb/>
          <l>Ach! &#x017F;prach ich zu den Brüdern,</l><lb/>
          <l>Ach &#x017F;eht, das Mädchen betet!</l><lb/>
          <l>Warum mag doch das Mädchen,</l><lb/>
          <l>Den harten Himmel bitten?<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0078] Die Träumerin. Ein kleines ſchwarzes Mädchen, Hielt auf dem weichſten Bette, Die ſanfte Mittagsruhe. Es ſchlief, wie Mädchen ſchlafen; Es lächelte im Schlafe; Es regte ſich der Buſen, So oft es Athem holte. Es that, als wolt es wachen; Es warf ſich hin und wieder, Und lächelte noch zweimal; Es ſtekkte, bei dem Lächeln, Die rechte Hand im Buſen. Ich bükkte mich und lauſchte Die Linke zu erblikken; Allein ſie war verborgen. Doch, als ich nicht mehr lauſchte, Zog es ſie ſchnell zurükke, Und warf ſie zu der Rechten, Und faltete die Hände, Wie fromme Beterinnen, Die Händ aus Andacht falten. Ach! ſprach ich zu den Brüdern, Ach ſeht, das Mädchen betet! Warum mag doch das Mädchen, Den harten Himmel bitten? Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/78
Zitationshilfe: Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Bd. 2. Berlin, 1745, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch02_1745/78>, abgerufen am 21.12.2024.