Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Berlin, [1744].Der Regenbogen. Blöder Schönen blasse Wangen Werden schnell vor Scham erröthet, Wenn sich bei der lieben Mutter Ein erwünschter Bräut'gam meldet; Wenn sie, auf Befehl der Mutter, Seinen ersten Kuß empfinden, Wird das holde Roth erhöhet, Und dann gleicht es iungen Rosen. Aber wenn sie, ohne Mutter, Küssen und sich küssen lassen, Dann beschämt das Roth der Wangen Alle Rosen, allen Purpur. Laßt mir tausend solche Wangen Um den halben Himmel setzen; Setzt sie mir in runder Ordnung Unter diesen Regenbogen: Plötzlich soll er sich verliehren, Denn er soll dem Wangenbogen, Wie der Mond der Sonnen weichen. Der Regenbogen. Bloͤder Schoͤnen blaſſe Wangen Werden ſchnell vor Scham erroͤthet, Wenn ſich bei der lieben Mutter Ein erwuͤnſchter Braͤut’gam meldet; Wenn ſie, auf Befehl der Mutter, Seinen erſten Kuß empfinden, Wird das holde Roth erhoͤhet, Und dann gleicht es iungen Roſen. Aber wenn ſie, ohne Mutter, Kuͤſſen und ſich kuͤſſen laſſen, Dann beſchaͤmt das Roth der Wangen Alle Roſen, allen Purpur. Laßt mir tauſend ſolche Wangen Um den halben Himmel ſetzen; Setzt ſie mir in runder Ordnung Unter dieſen Regenbogen: Ploͤtzlich ſoll er ſich verliehren, Denn er ſoll dem Wangenbogen, Wie der Mond der Sonnen weichen. <TEI> <text> <body> <pb n="72" facs="#f0084"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Der Regenbogen.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">B</hi>loͤder Schoͤnen blaſſe Wangen</l><lb/> <l>Werden ſchnell vor Scham erroͤthet,</l><lb/> <l>Wenn ſich bei der lieben Mutter</l><lb/> <l>Ein erwuͤnſchter Braͤut’gam meldet;</l><lb/> <l>Wenn ſie, auf Befehl der Mutter,</l><lb/> <l>Seinen erſten Kuß empfinden,</l><lb/> <l>Wird das holde Roth erhoͤhet,</l><lb/> <l>Und dann gleicht es iungen Roſen.</l><lb/> <l>Aber wenn ſie, ohne Mutter,</l><lb/> <l>Kuͤſſen und ſich kuͤſſen laſſen,</l><lb/> <l>Dann beſchaͤmt das Roth der Wangen</l><lb/> <l>Alle Roſen, allen Purpur.</l><lb/> <l>Laßt mir tauſend ſolche Wangen</l><lb/> <l>Um den halben Himmel ſetzen;</l><lb/> <l>Setzt ſie mir in runder Ordnung</l><lb/> <l>Unter dieſen Regenbogen:</l><lb/> <l>Ploͤtzlich ſoll er ſich verliehren,</l><lb/> <l>Denn er ſoll dem Wangenbogen,</l><lb/> <l>Wie der Mond der Sonnen weichen.</l> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/><lb/> </body> </text> </TEI> [72/0084]
Der Regenbogen.
Bloͤder Schoͤnen blaſſe Wangen
Werden ſchnell vor Scham erroͤthet,
Wenn ſich bei der lieben Mutter
Ein erwuͤnſchter Braͤut’gam meldet;
Wenn ſie, auf Befehl der Mutter,
Seinen erſten Kuß empfinden,
Wird das holde Roth erhoͤhet,
Und dann gleicht es iungen Roſen.
Aber wenn ſie, ohne Mutter,
Kuͤſſen und ſich kuͤſſen laſſen,
Dann beſchaͤmt das Roth der Wangen
Alle Roſen, allen Purpur.
Laßt mir tauſend ſolche Wangen
Um den halben Himmel ſetzen;
Setzt ſie mir in runder Ordnung
Unter dieſen Regenbogen:
Ploͤtzlich ſoll er ſich verliehren,
Denn er ſoll dem Wangenbogen,
Wie der Mond der Sonnen weichen.
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Zitationshilfe: | Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Berlin, [1744], S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch01_1744/84>, abgerufen am 03.03.2025. |