Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Berlin, [1744].Soll ich mit den Schönen tändeln? Ja, dis soll ich, und mein Vater Lehrt es mich bei grauen Haaren, Und er nennt es: Lebenspflichten. An den Tod. Tod, kanst du dich auch verlieben? Warum holst du denn mein Mädchen? Kanst du nicht die Mutter holen? Denn die sieht dir doch noch ähnlich. Frische rosenrote Wangen, Die mein Wunsch so schön gefärbet, Blühen nicht für blasse Knochen, Blühen nicht für deine Lippen. Tod! was wilst du mit dem Mädchen? Mit den Zähnen ohne Lippen Kanst du es ia doch nicht küssen. Soll ich mit den Schoͤnen taͤndeln? Ja, dis ſoll ich, und mein Vater Lehrt es mich bei grauen Haaren, Und er nennt es: Lebenspflichten. An den Tod. Tod, kanſt du dich auch verlieben? Warum holſt du denn mein Maͤdchen? Kanſt du nicht die Mutter holen? Denn die ſieht dir doch noch aͤhnlich. Friſche roſenrote Wangen, Die mein Wunſch ſo ſchoͤn gefaͤrbet, Bluͤhen nicht fuͤr blaſſe Knochen, Bluͤhen nicht fuͤr deine Lippen. Tod! was wilſt du mit dem Maͤdchen? Mit den Zaͤhnen ohne Lippen Kanſt du es ia doch nicht kuͤſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0052" n="40"/> <l>Soll ich mit den Schoͤnen taͤndeln?</l><lb/> <l>Ja, dis ſoll ich, und mein Vater</l><lb/> <l>Lehrt es mich bei grauen Haaren,</l><lb/> <l>Und er nennt es: Lebenspflichten.</l> </lg> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">An den Tod.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">T</hi>od, kanſt du dich auch verlieben?</l><lb/> <l>Warum holſt du denn mein Maͤdchen?</l><lb/> <l>Kanſt du nicht die Mutter holen?</l><lb/> <l>Denn die ſieht dir doch noch aͤhnlich.</l><lb/> <l>Friſche roſenrote Wangen,</l><lb/> <l>Die mein Wunſch ſo ſchoͤn gefaͤrbet,</l><lb/> <l>Bluͤhen nicht fuͤr blaſſe Knochen,</l><lb/> <l>Bluͤhen nicht fuͤr deine Lippen.</l><lb/> <l>Tod! was wilſt du mit dem Maͤdchen?</l><lb/> <l>Mit den Zaͤhnen ohne Lippen</l><lb/> <l>Kanſt du es ia doch nicht kuͤſſen.</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [40/0052]
Soll ich mit den Schoͤnen taͤndeln?
Ja, dis ſoll ich, und mein Vater
Lehrt es mich bei grauen Haaren,
Und er nennt es: Lebenspflichten.
An den Tod.
Tod, kanſt du dich auch verlieben?
Warum holſt du denn mein Maͤdchen?
Kanſt du nicht die Mutter holen?
Denn die ſieht dir doch noch aͤhnlich.
Friſche roſenrote Wangen,
Die mein Wunſch ſo ſchoͤn gefaͤrbet,
Bluͤhen nicht fuͤr blaſſe Knochen,
Bluͤhen nicht fuͤr deine Lippen.
Tod! was wilſt du mit dem Maͤdchen?
Mit den Zaͤhnen ohne Lippen
Kanſt du es ia doch nicht kuͤſſen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch01_1744 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch01_1744/52 |
Zitationshilfe: | Gleim, Johann Wilhelm Ludwig: Versuch in Scherzhaften Liedern. Berlin, [1744], S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleim_versuch01_1744/52>, abgerufen am 16.07.2024. |