Ginsong ist eine Pflanze, deren Wurzel in China einen so großen Ruf hatte, daß der größte Theil der Einwohner, die sich eine große Hofnung von ihrer nervenstärkenden Kraft machen, dieselbe lange Zeit mit einer Art von rasender Begierde gesucht haben, welche sich noch heut zu Tage bey einem großen Theil dieser Völker gehalten hat. Diese Meinung, die sich wie eine Mode in diesem Lande bald überall ver- breitet hatte, schmeichelt die verliebte Einbildungs- kraft der Chineser noch immer. Diese Vorstellung wurde bey ihnen, da sie ohnehin einen Geschmack an Liebestränken haben, durch dreyerley Dinge unter- stützt, die sie an den Ginsong wahrzunehmen glaub- ten. Das erste ist seine äußere Form, welche ins- gemein, wie die Alraunenwurzel, zwey dicke Beine vor- stellet, woraus man zweytens schloß, daß die Natur derselben, durch diese Bildung seine Bestimmung angedeutet hätte. Das dritte endlich ist der Eigen-
nutz
Beſchreibung der Wurzel Ginſong aus Kanada.
Ginſong iſt eine Pflanze, deren Wurzel in China einen ſo großen Ruf hatte, daß der groͤßte Theil der Einwohner, die ſich eine große Hofnung von ihrer nervenſtaͤrkenden Kraft machen, dieſelbe lange Zeit mit einer Art von raſender Begierde geſucht haben, welche ſich noch heut zu Tage bey einem großen Theil dieſer Voͤlker gehalten hat. Dieſe Meinung, die ſich wie eine Mode in dieſem Lande bald uͤberall ver- breitet hatte, ſchmeichelt die verliebte Einbildungs- kraft der Chineſer noch immer. Dieſe Vorſtellung wurde bey ihnen, da ſie ohnehin einen Geſchmack an Liebestraͤnken haben, durch dreyerley Dinge unter- ſtuͤtzt, die ſie an den Ginſong wahrzunehmen glaub- ten. Das erſte iſt ſeine aͤußere Form, welche ins- gemein, wie die Alraunenwurzel, zwey dicke Beine vor- ſtellet, woraus man zweytens ſchloß, daß die Natur derſelben, durch dieſe Bildung ſeine Beſtimmung angedeutet haͤtte. Das dritte endlich iſt der Eigen-
nutz
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[[139]/0149]
Beſchreibung
der
Wurzel Ginſong
aus
Kanada.
Ginſong iſt eine Pflanze, deren Wurzel in China
einen ſo großen Ruf hatte, daß der groͤßte Theil der
Einwohner, die ſich eine große Hofnung von ihrer
nervenſtaͤrkenden Kraft machen, dieſelbe lange Zeit
mit einer Art von raſender Begierde geſucht haben,
welche ſich noch heut zu Tage bey einem großen Theil
dieſer Voͤlker gehalten hat. Dieſe Meinung, die
ſich wie eine Mode in dieſem Lande bald uͤberall ver-
breitet hatte, ſchmeichelt die verliebte Einbildungs-
kraft der Chineſer noch immer. Dieſe Vorſtellung
wurde bey ihnen, da ſie ohnehin einen Geſchmack an
Liebestraͤnken haben, durch dreyerley Dinge unter-
ſtuͤtzt, die ſie an den Ginſong wahrzunehmen glaub-
ten. Das erſte iſt ſeine aͤußere Form, welche ins-
gemein, wie die Alraunenwurzel, zwey dicke Beine vor-
ſtellet, woraus man zweytens ſchloß, daß die Natur
derſelben, durch dieſe Bildung ſeine Beſtimmung
angedeutet haͤtte. Das dritte endlich iſt der Eigen-
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 3. Berlin, 1789, S. [139]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen03_1789/149>, abgerufen am 23.02.2025.
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