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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Aderlaßen einen absolut unbrauchbaren Arm bekommen, durch
die Intercession ihres gedachten Heiligen aber wider frisch und gesund
worden, daß sie nunmehro alle Arbeit thun könne. Sie hielt dieses
Wunder um so merckwürdiger, weil durch daßelbe ein gewißer
Deist oder gar Atheist Nahmens Boindin Mitglied der hiesigen Aca-
demie des belles lettres
bekehret worden. Bey unserem Daseyn fand
sich auch die Marquise de Pont, welche bey der Duchesse d'Orleans
engagiret ist, ein, da denn von Staats- und hiesigen Policey-
Sachen gesprochen wurde. Unter andern versicherte die Marquise,
daß im vorigen harten Winter nur allein von denen Pariser
Schneider=Gesellen 1500 vor Frost und Nahrungs-Mangel ihr Leben
eingebüßt. Den Uberrest des Abends passirten wir bey Monsieur de la
Tournelle
, und vernahmen von der nunmehro aus den Zeitungen
auch bekanten Arretirung des Hertzogs von Curland, noch diese
particularia, daß der Feld-Marschall Münch, mit 6 Personen von
der Garde begleitet, ihn in Arrest genommen, und, weil er sich
gewehret, demselben mit seiner Officier-Echarpe die Hände
habe binden laßen, dabey er aber, nichts destoweniger einen
von gedachter Garde in die Hand gebißen und sich gantz ungeber-
dig gestellet. Seine Güter habe man confisciret, die Gemahlin
und Kinder aber in einem Closter verwahret. Der Vice-Canzler
Östermann sey zum Chef [unleserliches Material]de Marine gemacht und dem Feld-
Marschall Münch der Caracter eines Generalisimi angetragen
worden, den er aber depreciret, und daß solcher sich vor den Herrn
Vater des Kaysers beßer schicke, vorgestellet. Welche Vorstellung
denn auch Platz gefunden. Er machte dabey die Reflexion, daß
das gantz frische Exempel des Hertzogs von Curland, den Feld-
Marschall
gelehret habe, dem allzuhoch steigenden Glück nicht
zu trauen, und die Eltern seines Herrn zu menagiren.
Alle vor erzehlete Umstände hat der an den Printz Cantimir hirher
geschickte Courier mitgebracht. Von der Trauer des hiesigen Hofs
vor den Kayser war dem Monsieur de la Tournelle weiter nichts
bekannt, als daß der Herr von Waßnär seine Credentiales und
das Notifications-Schreiben alle Post-Tage erwarte.

Den 15 December

Unsre zwey Haupt-Ausfarthen sind gewesen 1) zu dem Marquis
de Gardouge und 2) zu dem Abbe Ferrus. Bey dem ersten fanden
wir eine Gesellschaft von zwey Patres. de l'oratorire und etliche Dames,
wie denn auch des Marquis Gemahlin sich einfand, welche eine sehr

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Aderlaßen einen absolut unbrauchbaren Arm bekommen, durch
die Intercession ihres gedachten Heiligen aber wider frisch und gesund
worden, daß sie nunmehro alle Arbeit thun könne. Sie hielt dieses
Wunder um so merckwürdiger, weil durch daßelbe ein gewißer
Deist oder gar Atheist Nahmens Boindin Mitglied der hiesigen Aca-
demie des belles lettres
bekehret worden. Bey unserem Daseyn fand
sich auch die Marquise de Pont, welche bey der Duchesse d’Orleans
engagiret ist, ein, da denn von Staats- und hiesigen Policey-
Sachen gesprochen wurde. Unter andern versicherte die Marquise,
daß im vorigen harten Winter nur allein von denen Pariser
Schneider=Gesellen 1500 vor Frost und Nahrungs-Mangel ihr Leben
eingebüßt. Den Uberrest des Abends passirten wir bey Monsieur de la
Tournelle
, und vernahmen von der nunmehro aus den Zeitungen
auch bekanten Arrêtirung des Hertzogs von Curland, noch diese
particularia, daß der Feld-Marschall Münch, mit 6 Personen von
der Garde begleitet, ihn in Arrest genommen, und, weil er sich
gewehret, demselben mit seiner Officier-Echarpe die Hände
habe binden laßen, dabey er aber, nichts destoweniger einen
von gedachter Garde in die Hand gebißen und sich gantz ungeber-
dig gestellet. Seine Güter habe man confisciret, die Gemahlin
und Kinder aber in einem Closter verwahret. Der Vice-Canzler
Østermann sey zum Chef [unleserliches Material]de Marine gemacht und dem Feld-
Marschall Münch der Caracter eines Generalisimi angetragen
worden, den er aber depreciret, und daß solcher sich vor den Herrn
Vater des Kaysers beßer schicke, vorgestellet. Welche Vorstellung
denn auch Platz gefunden. Er machte dabey die Reflexion, daß
das gantz frische Exempel des Hertzogs von Curland, den Feld-
Marschall
gelehret habe, dem allzuhoch steigenden Glück nicht
zu trauen, und die Eltern seines Herrn zu menagiren.
Alle vor erzehlete Umstände hat der an den Printz Cantimir hirher
geschickte Courier mitgebracht. Von der Trauer des hiesigen Hofs
vor den Kayser war dem Monsieur de la Tournelle weiter nichts
bekannt, als daß der Herr von Waßnär seine Credentiales und
das Notifications-Schreiben alle Post-Tage erwarte.

Den 15 December

Unsre zwey Haupt-Ausfarthen sind gewesen 1) zu dem Marquis
de Gardouge und 2) zu dem Abbé Ferrus. Bey dem ersten fanden
wir eine Gesellschaft von zwey Patres. de l’oratorire und etliche Dames,
wie denn auch des Marquis Gemahlin sich einfand, welche eine sehr

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[0086] 38 Aderlaßen einen absolut unbrauchbaren Arm bekommen, durch die Intercession ihres gedachten Heiligen aber wider frisch und gesund worden, daß sie nunmehro alle Arbeit thun könne. Sie hielt dieses Wunder um so merckwürdiger, weil durch daßelbe ein gewißer Deist oder gar Atheist Nahmens Boindin Mitglied der hiesigen Aca- demie des belles lettres bekehret worden. Bey unserem Daseyn fand sich auch die Marquise de Pont, welche bey der Duchesse d’Orleans engagiret ist, ein, da denn von Staats- und hiesigen Policey- Sachen gesprochen wurde. Unter andern versicherte die Marquise, daß im vorigen harten Winter nur allein von denen Pariser Schneider=Gesellen 1500 vor Frost und Nahrungs-Mangel ihr Leben eingebüßt. Den Uberrest des Abends passirten wir bey Mr. de la Tournelle, und vernahmen von der nunmehro aus den Zeitungen auch bekanten Arrêtirung des Hertzogs von Curland, noch diese particularia, daß der Feld-Marschall Münch, mit 6 Personen von der Garde begleitet, ihn in Arrest genommen, und, weil er sich gewehret, demselben mit seiner Officier-Echarpe die Hände habe binden laßen, dabey er aber, nichts destoweniger einen von gedachter Garde in die Hand gebißen und sich gantz ungeber- dig gestellet. Seine Güter habe man confisciret, die Gemahlin und Kinder aber in einem Closter verwahret. Der Vice-Canzler Østermann sey zum Chef de Marine gemacht und dem Feld- Marschall Münch der Caracter eines Generalisimi angetragen worden, den er aber depreciret, und daß solcher sich vor den Hl: Vater des Kaysers beßer schicke, vorgestellet. Welche Vorstellung denn auch Platz gefunden. Er machte dabey die Reflexion, daß das gantz frische Exempel des Hertzogs von Curland, den Feld- Marschall gelehret habe, dem allzuhoch steigenden Glück nicht zu trauen, und die Eltern seines Herrn zu menagiren. Alle vor erzehlete Umstände hat der an den Printz Cantimir hirher geschickte Courier mitgebracht. Von der Trauer des hiesigen Hofs vor den Kayser war dem Mr. de la Tournelle weiter nichts bekannt, als daß der Herr v. Waßnär seine Credentiales und das Notifications-Schreiben alle Post-Tage erwarte. Den 15 Decembr: Unsre zwey Haupt-Ausfarthen sind gewesen 1) zu dem Marquis de Gardouge u. 2) zu dem Abbé Ferrus. Bey dem ersten fanden wir eine Gesellschaft von zwey PP. de l’oratorire und etliche Dames, wie denn auch des Marquis Gemahlin sich einfand, welche eine sehr

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/86>, abgerufen am 21.11.2024.