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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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377
Nummer 71
Vom 11. bis 19. May.

Nachdem wir die große bagage recta auf Meyland voraus geschickt
und, um mit dem Postgelde nicht übersetzet zu werden, eine schriftliche offne
ordonnantz von dem Venetianischen General Post-Meister di Tatsis an alle
Post=Meister in dem Venetianischen Gebieth ausgewircket; giengen wir
den 11ten May früh in 2 peotten, deren eine mit denen Sedien beladen war,
über die Lagunen nach Fusina, und von da zu Lande nach Padua, maaßen
die sonst gewöhnliche Waßer Reise von Venedig nach Padua deßwegen unter-
laßen wurde, weil wir, wegen einer auf dem Brenta=Fluß zerbrochenen Schleu-
se unterweges hätten die Schiffe changiren, folglich mit Umladung der
Sedien doppelte Beschwerden haben müßen. Unsre auf Padua folgen-
den Nacht quartiere sind gewesen den 13ten zu Vicenza, den 14 und
15den zu Verona, den 16ten zu Mantua, den 17den zu Brescia,
und den 18den zu Bergamo, von da wir den 19den gegen Mittag gantz
glücklich und gesund in Mayland angelanget sind. Der Weg von Fusina
nach Padua
, gehet grösten theils an dem Ufer der Brenta herahin, und ist,
wegen derer an diesem Fluß liegenden schönen Dörffer, auch Gärten
und Lusthäuser derer Venetianischen Nobili, über die maaßen an-
genehm. Sonderlich meritiret der Pisanische Garten zwischen Dolo und
Padua, wegen seiner schönen alleen und Hecken, in Specie wegen des arti-
gen Labyrinths und etlicher langen berceaux von Orange=Früchten,
daß man abstiege, und ihn in Augenschein nehme. Wie es denn über
haupt uns recht besonders wohl that, nach dem Venetianischen Endten-
heben, uns wiederum auf dem festen Lande, und zwar in einer so
fruchtbaren und trefflich cultivirten flachen Gegend zu befinden.
Padua ist eine alte rustige Stadt mit engen Gaßen und schlimmen
Pflaster, doch gehet sichs zu Fuß unter denen allenthalben vohande-
nen arcaden gantz gemächlich, auch sicherer, als in vorigen Zeiten,
da die Studenten in diesen arcaden des abends Mord und Todt=
Schlag verübeten, und von ihrem Qui va li? womit sie die vorbey
passierenden anschrien, Quivalisten genennet wurden. Ihre
Anzahl soll sich ietzt über 5- 600 nicht erstrecken, und ist über
Haupt auch die Stadt, nach proportion ihrer considerablen Größe,
wenig peupliret. Das Palazzo degli Studii, oder das Collegium
der Universitaet, enthält, außer unzählichen Wappen und portraits
derer prorectorum und B[unleserliches Material]eysitzer iedweder nation, und außer
denen auditoriis, weiter nichts merckwürdiges, als ein theatrum
anatomicum
, deme es iedoch am Tags Licht fehlet, und demnach ied-

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Nummer 71
Vom 11. bis 19. May.

Nachdem wir die große bagage recta auf Meyland voraus geschickt
und, um mit dem Postgelde nicht übersetzet zu werden, eine schriftliche offne
ordonnantz von dem Venetianischen General Post-Meister di Tatsis an alle
Post=Meister in dem Venetianischen Gebieth ausgewircket; giengen wir
den 11ten May früh in 2 peotten, deren eine mit denen Sedien beladen war,
über die Lagunen nach Fusina, und von da zu Lande nach Padua, maaßen
die sonst gewöhnliche Waßer Reise von Venedig nach Padua deßwegen unter-
laßen wurde, weil wir, wegen einer auf dem Brenta=Fluß zerbrochenen Schleu-
se unterweges hätten die Schiffe changiren, folglich mit Umladung der
Sedien doppelte Beschwerden haben müßen. Unsre auf Padua folgen-
den Nacht quartiere sind gewesen den 13ten zu Vicenza, den 14 und 
15den zu Verona, den 16ten zu Mantua, den 17den zu Brescia,
und den 18den zu Bergamo, von da wir den 19den gegen Mittag gantz  
glücklich und gesund in Mayland angelanget sind. Der Weg von Fusina
nach Padua
, gehet grösten theils an dem Ufer der Brenta herahin, und ist,
wegen derer an diesem Fluß liegenden schönen Dörffer, auch Gärten
und Lusthäuser derer Venetianischen Nobili, über die maaßen an-
genehm. Sonderlich meritiret der Pisanische Garten zwischen Dolo und
Padua, wegen seiner schönen alleen und Hecken, in Specie wegen des arti-
gen Labyrinths und etlicher langen berceaux von Orange=Früchten,
daß man abstiege, und ihn in Augenschein nehme. Wie es denn über
haupt uns recht besonders wohl that, nach dem Venetianischen Endten-
heben, uns wiederum auf dem festen Lande, und zwar in einer so
fruchtbaren und trefflich cultivirten flachen Gegend zu befinden.
Padua ist eine alte rustige Stadt mit engen Gaßen und schlimmen
Pflaster, doch gehet sichs zu Fuß unter denen allenthalben vohande-
nen arcaden gantz gemächlich, auch sicherer, als in vorigen Zeiten,
da die Studenten in diesen arcaden des abends Mord und Todt=
Schlag verübeten, und von ihrem Qui va li? womit sie die vorbey
passierenden anschrien, Quivalisten genennet wurden. Ihre
Anzahl soll sich ietzt über 5- 600 nicht erstrecken, und ist über
Haupt auch die Stadt, nach proportion ihrer considerablen Größe,
wenig peupliret. Das Palazzo degli Studii, oder das Collegium
der Universitaet, enthält, außer unzählichen Wappen und portraits
derer prorectorum und B[unleserliches Material]eysitzer iedweder nation, und außer
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anatomicum
, deme es iedoch am Tags Licht fehlet, und demnach ied-

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[0768] 377 No 71 Vom 11. bis 19. May. Nachdem wir die große bagage recta auf Meyland voraus geschickt und, um mit dem Postgelde nicht übersetzet zu werden, eine schriftliche offne ordonnantz von dem Venetianischen General Post-Meister di Tatsis an alle Post=Meister in dem Venetianischen Gebieth ausgewircket; giengen wir den 11ten May früh in 2 peotten, deren eine mit denen Sedien beladen war, über die Lagunen nach Fusina, und von da zu Lande nach Padua, maaßen die sonst gewöhnliche Waßer Reise von Venedig nach Padua deßwegen unter- laßen wurde, weil wir, wegen einer auf dem Brenta=Fluß zerbrochenen Schleu- se unterweges hätten die Schiffe changiren, folglich mit Umladung der Sedien doppelte Beschwerden haben müßen. Unsre auf Padua folgen- den Nacht quartiere sind gewesen den 13ten zu Vicenza, den 14 und  15den zu Verona, den 16ten zu Mantua, den 17den zu Brescia, und den 18den zu Bergamo, von da wir den 19den gegen Mittag gantz   glücklich und gesund in Mayland angelanget sind. Der Weg von Fusina nach Padua, gehet grösten theils an dem Ufer der Brenta hin, und ist, wegen derer an diesem Fluß liegenden schönen Dörffer, auch Gärten und Lusthäuser derer Venetianischen Nobili, über die maaßen an- genehm. Sonderlich meritiret der Pisanische Garten zwischen Dolo und Padua, wegen seiner schönen alleen und Hecken, in Specie wegen des arti- gen Labyrinths und etlicher langen berceaux von Orange=Früchten, daß man abstiege, und ihn in Augenschein nehme. Wie es denn über haupt uns recht besonders wohl that, nach dem Venetianischen Endten- heben uns wiederum auf dem festen Lande, und zwar in einer so fruchtbaren und trefflich cultivirten flachen Gegend zu befinden. Padua ist eine alte rustige Stadt mit engen Gaßen und schlimmen Pflaster, doch gehet sichs zu Fuß unter denen allenthalben vohande- nen arcaden gantz gemächlich, auch sicherer, als in vorigen Zeiten, da die Studenten in diesen arcaden des abends Mord und Todt= Schlag verübeten, und von ihrem Qui va li? womit sie die vorbey passierenden anschrien, Quivalisten genennet wurden. Ihre Anzahl soll sich ietzt über 5- 600 nicht erstrecken, und ist über Haupt auch die Stadt, nach proportion ihrer considerablen Größe, wenig peupliret. Das Palazzo degli Studii, oder das Collegium der Universitaet, enthält, außer unzählichen Wappen und portraits derer prorectorum und Beysitzer iedweder nation, und außer denen auditoriis, weiter nichts merckwürdiges, als ein theatrum anatomicum, deme es iedoch am Tags Licht fehlet, und demnach ied-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/768>, abgerufen am 21.11.2024.