Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].280 vorhielt, nahmen wir zu Vermeidung des Niederfallens unsernAbmarsch, haben aber so viel zuverläßige Nachricht, daß man dem Pabst die Communion auf den Thron gebracht, und er den Wein ver- mittelst einer goldnen Röhre zu sich genommen. Von dem Gebäude der Capelle ist noch zu gedencken, daß Paulus V. dieselbse gestifftet habe, und daß oben unter dem Plafon rings umher lauter Adler und Drachen von Stucatur-Arbeit zu sehen sind, weil dieses die Wapen-Thiere dieses Pabsts gewesen. Die höchst nutzbaren Reflexio- nes, welche einem nur halb weg unterrichteten Protestanten bey solchen Gelegenheiten einfallen müßen, laßen sich an diesem Ort nicht schreiben. Uberhaupt können wir so viel versichern, daß wir eines theils in der Evangelischen Warheit recht kräfftig bestärcket, andern theils aber auch zu dem Wunsch veran- laßet worden, daß doch alles und iedes, was in unsrer Kirche nuretwa halbweg noch von diesem Schemate übrig geblieben [unleserliches Material]wäre, vollend gantz und gar möchte abgethan werden. Den Rückweg aus der Capelle nahm der Pabst durch die schon gedachte Neben-Thür zu Fuß, und wurde es bey dem Ausziehen eben so, als gestern gehalten außer daß der Cardinal Decanus ihm im Nahmen des Cardinals-Collegii zum Fest gratulirte. Nachmittags besahen wir die Jesus Kirche, welche dem Nouiciat der hiesigen Jesuiten zugehörig ist. Die Capelle und der Altar ihres Stiffters Ignatii Lojolae ist etwas höchst magnifiques. Alles ist mit lapis lazoli, Jaspis, Orientalischem Alabaster und dem kostbarsten Marmor überkleidet, die Statue Ignatii selbst aber in Lebens-Größe von massiven Silber in Priester Habit gegoßen, und das Meß-Gewand mit Edelgesteinen reich besetzet. Unter denen Statuen von weißem Marmor neben dem Altar ist die Religion anzumercken, welche in der lincken Hand das Creutz und in der rechten einen Donner-Keil hat. Mit dem lincken Fuß tritt sie zwey abscheuliche Schlaraffen-Gesichter nebst zwey großen Büchern unter sich, und stehet auf dem einen Buch Martin Lutherus, auf dem andern aber Johannes Caluinus mit großen Buchstaben geschrie- ben. Noch eine andere Jesuiter-Kirche, Scholarum piarum ge- nannt, ist auch merckwürdig, weil deren Stiffter Pabst Gregorius XV und sein Nepot der Cardinal Ludouisius darinn ein vor- trefliches Grabmal haben. Den 26 December Nachdem wir uns den gantzen Tag zu Hause gehalten, weil 280 vorhielt, nahmen wir zu Vermeidung des Niederfallens unsernAbmarsch, haben aber so viel zuverläßige Nachricht, daß man dem Pabst die Communion auf den Thron gebracht, und er den Wein ver- mittelst einer goldnen Röhre zu sich genommen. Von dem Gebäude der Capelle ist noch zu gedencken, daß Paulus V. dieselbse gestifftet habe, und daß oben unter dem Plafon rings umher lauter Adler und Drachen von Stucatur-Arbeit zu sehen sind, weil dieses die Wapen-Thiere dieses Pabsts gewesen. Die höchst nutzbaren Reflexio- nes, welche einem nur halb weg unterrichteten Protestanten bey solchen Gelegenheiten einfallen müßen, laßen sich an diesem Ort nicht schreiben. Uberhaupt können wir so viel versichern, daß wir eines theils in der Evangelischen Warheit recht kräfftig bestärcket, andern theils aber auch zu dem Wunsch veran- laßet worden, daß doch alles und iedes, was in unsrer Kirche nuretwa halbweg noch von diesem Schemate übrig geblieben [unleserliches Material]wäre, vollend gantz und gar möchte abgethan werden. Den Rückweg aus der Capelle nahm der Pabst durch die schon gedachte Neben-Thür zu Fuß, und wurde es bey dem Ausziehen eben so, als gestern gehalten außer daß der Cardinal Decanus ihm im Nahmen des Cardinals-Collegii zum Fest gratulirte. Nachmittags besahen wir die Jesus Kirche, welche dem Nouiciat der hiesigen Jesuiten zugehörig ist. Die Capelle und der Altar ihres Stiffters Ignatii Lojolae ist etwas höchst magnifiques. Alles ist mit lapis lazoli, Jaspis, Orientalischem Alabaster und dem kostbarsten Marmor überkleidet, die Statue Ignatii selbst aber in Lebens-Größe von massiven Silber in Priester Habit gegoßen, und das Meß-Gewand mit Edelgesteinen reich besetzet. Unter denen Statuen von weißem Marmor neben dem Altar ist die Religion anzumercken, welche in der lincken Hand das Creutz und in der rechten einen Donner-Keil hat. Mit dem lincken Fuß tritt sie zwey abscheuliche Schlaraffen-Gesichter nebst zwey großen Büchern unter sich, und stehet auf dem einen Buch Martin Lutherus, auf dem andern aber Johannes Caluinus mit großen Buchstaben geschrie- ben. Noch eine andere Jesuiter-Kirche, Scholarum piarum ge- nannt, ist auch merckwürdig, weil deren Stiffter Pabst Gregorius XV und sein Nepot der Cardinal Ludouisius darinn ein vor- trefliches Grabmal haben. 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Unter denen vielen Anwesenden </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0574]
280
vorhielt, nahmen wir zu Vermeidung des Niederfallens unsern
Abmarsch, haben aber so viel zuverläßige Nachricht, daß man dem
Pabst die Communion auf den Thron gebracht, und er den Wein ver-
mittelst einer goldnen Röhre zu sich genommen. Von dem Gebäude
der Capelle ist noch zu gedencken, daß Paulus V. dieselbse gestifftet
habe, und daß oben unter dem Plafon rings umher lauter Adler
und Drachen von Stucatur-Arbeit zu sehen sind, weil dieses die
Wapen-Thiere dieses Pabsts gewesen. Die höchst nutzbaren Reflexio-
nes, welche einem nur halb weg unterrichteten Protestanten
bey solchen Gelegenheiten einfallen müßen, laßen sich an
diesem Ort nicht schreiben. Uberhaupt können wir so viel
versichern, daß wir eines theils in der Ewangl: Warheit recht
kräfftig bestärcket, andern theils aber auch zu dem Wunsch veran-
laßet worden, daß doch alles und iedes, was in unsrer Kirche etwa
noch von diesem Schemate übrig geblieben wäre, vollend
gantz und gar möchte abgethan werden. Den Rückweg aus der
Capelle nahm der Pabst durch die schon gedachte Neben-Thür zu
Fuß, und wurde es bey dem Ausziehen eben so, als gestern gehalten
außer daß der Cardinal Decanus ihm im Nahmen des Cardinals-Collegii
zum Fest gratulirte. Nachmittags besahen wir die Jesus Kirche, welche
dem Nouiciat der hiesigen Jesuiten zugehörig ist. Die Capelle und
der Altar ihres Stiffters Ignatii Lojolae ist etwas höchst magnifiques.
Alles ist mit lapis lazoli, Jaspis, Orientalischem Alabaster und dem
kostbarsten Marmor überkleidet, die Statue Ignatii selbst aber in
Lebens-Größe von massiven Silber in Priester Habit gegoßen, und
das Meß-Gewand mit Edelgesteinen reich besetzet. Unter denen
Statuen von weißem Marmor neben dem Altar ist die Religion
anzumercken, welche in der lincken Hand das Creutz und in der
rechten einen Donner-Keil hat. Mit dem lincken Fuß tritt sie
zwey abscheuliche Schlaraffen-Gesichter nebst zwey großen Büchern
unter sich, und stehet auf dem einen Buch Mart. Lutherus, auf
dem andern aber Joh: Caluinus mit großen Buchstaben geschrie-
ben. Noch eine andere Jesuiter-Kirche, Scholarum piarum ge-
nannt, ist auch merckwürdig, weil deren Stiffter Pabst Gregorius
XV und sein Nepot der Cardinal Ludouisius darinn ein vor-
trefliches Grabmal haben.
Den 26 Dec.
Nachdem wir uns den gantzen Tag zu Hause gehalten, weil
ohnedem auswärts keine Fest-Speise zu finden ist, so wurden
wir Abends durch den Mylord Dumbart in die assemblée bey dem
Cardinal Acquaviva abgeholet und an denselben praesentiret.
Er ist etl: 40 Jahr alt und hat unter allen Cardinälen das beste
Exterieur, machet auch wegen der Spanisch= und Neapolitanischen
Zuflüße hier die gröste Figur. Unter denen vielen Anwesenden
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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