Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].230 Nummer 47.Vom 7den bis den 14. October Sind wir täglich nach Hofe gefahren und haben dem König die cour 230 Nummer 47.Vom 7den bis den 14. October Sind wir täglich nach Hofe gefahren und haben dem König die cour <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <pb facs="#f0474"/> <fw type="folNum" place="top">230</fw><lb/> <metamark><choice><abbr>N<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">o</hi></hi></abbr><expan>Nummer</expan></choice> 47.</metamark><lb/> <div type="diaryEntry"> <head rendition="#c"> Vom 7<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">den</hi></hi> bis <choice><abbr>d:</abbr><expan>den</expan></choice> 14. <choice><abbr>Octobr:</abbr><expan>October</expan></choice></head><lb/> <p> Sind wir täglich nach Hofe gefahren und haben dem <persName xml:id="TidB7530" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11137" ref="http://d-nb.info/gnd/119080184">König</persName> die cour<lb/> gemacht, wie wir ihn denn auch den 12<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">ten</hi></hi> hujus auf der promenade<lb/> au Valentin abermal angetroffen, und im Spatzieren gehen mit ihm<lb/> ein langes Gespräch gehalten. Er bedauerte, daß wir zu einer<lb/> Zeit hergekommen, da wenig amusement vor frembde hier sey, meinte<lb/> auch, daß <placeName xml:id="TidB7531" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10499">Turin</placeName>, nachdem wir <placeName xml:id="TidB7532" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10004" ref="http://d-nb.info/gnd/4044660-8">Paris</placeName> gesehen, uns schlecht gefallen<lb/> würde. Wir erzehleten aber dagegen alle die avantagen die wir<lb/> hier vorzüglich vor <placeName xml:id="TidB7533" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10004" ref="http://d-nb.info/gnd/4044660-8">Paris</placeName> gefunden, auch was wir in publiquen<lb/> Gebäuden und sonst sonderbares und sehenswürdiges angemercket,<lb/> worüber Ihro <persName xml:id="TidB7534" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11137" ref="http://d-nb.info/gnd/119080184"><choice><abbr>Maj:</abbr><expan>Majestät</expan></choice></persName> sich recht vergnügt bezeigten, und wegen der<lb/> Anlage des hiesigen neuen Opern-Hauses und wie ferne solches<lb/> nehmlich mit der architectur derer alten Römischen theatres oder<lb/> amphitheatres eine Gleichheit habe, oder nicht, gar umständlich<lb/> mit uns redeten. Auch musten wir vor der vorhabenden<lb/> Reise durch den Uberrest von <placeName xml:id="TidB7535" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10179">Italien</placeName> nochmals gantz eigentliche<lb/> Rede und Antwort geben, und Ihro <persName xml:id="TidB7536" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11137" ref="http://d-nb.info/gnd/119080184"><choice><abbr>Maj.</abbr><expan>Majestät</expan></choice></persName> unter diesem anhalten,<lb/> dem Gespräch zum Garten hinaus bis an dero Wagen begleiten.<lb/> Dem <persName xml:id="TidB7537" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11138" ref="http://d-nb.info/gnd/117682349">Duc de Savoye</persName> haben wir in diesen Tagen einmal in<lb/> seinem Zimmer aufgewartet, und die Fragen, wie es uns hier<lb/> gefalle? was wir besehen? und wie wir sonst unsre Zeit zu-<lb/> gebracht? disc<del rendition="#s">ur</del>sive beantwortet, auch an diesem <persName xml:id="TidB7538" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11138" ref="http://d-nb.info/gnd/117682349">Herrn</persName> die<lb/> gute Eigenschaft beobachtet, daß er, seiner vivacitaet ohngeachtet,<lb/> einem niemals in die Rede fällt, sondern die Antworten eben<lb/> so geduldig anhöret, als freundlich und modest er gefraget. Die<lb/> Nachmittage sind zum Visiten geben und <add place="superlinear">an</add>nehmen, auch hier<lb/> nächst zur promenade und zur Fahrt auf den cours angewendet<lb/> worden, und die Abende haben wir, der bisherigen Einrichtung<lb/> nach, bey der <choice><abbr>Mad:</abbr><expan>Madame</expan></choice> <persName xml:id="TidB7542" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10511">d'Entraive</persName>, <choice><abbr>Mad.</abbr><expan>Madame</expan></choice> <persName xml:id="TidB7543" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10523">de Borgeal</persName> und <choice><abbr>Mad.</abbr><expan>Madame</expan></choice> <persName xml:id="TidB7544" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10532">de<lb/> Cavaglia</persName> in der Conversation zugebracht.<lb/> Die neuen Bekantschafften<lb/> welche wir in dieser Woche acquiriret, sind 1) Der <persName xml:id="TidB7545" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10559">Marquis de<lb/> Rivarole</persName>, Lieutenant general und Gouverneur von <placeName xml:id="TidB7546" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10165">Navara</placeName>,<lb/> ehemaliger Vice Roi in <placeName xml:id="TidB7547" corresp="register.xml#regID_66.lemID_11688">Sardinien</placeName> und Ritter des großen Ordens,<lb/> ein alter respectabler Mann, 2) Der <persName xml:id="TidB7561" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10657">Marquis Cassini</persName> premier<lb/> Ecuyer, welcher den <persName xml:id="TidB7548" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11137" ref="http://d-nb.info/gnd/119080184">König</persName> bey obgedachtem Spatzier-Gang begleitete.<lb/> 3.) 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230
No 47.
Vom 7den bis d: 14. Octobr:
Sind wir täglich nach Hofe gefahren und haben dem König die cour
gemacht, wie wir ihn denn auch den 12ten hujus auf der promenade
au Valentin abermal angetroffen, und im Spatzieren gehen mit ihm
ein langes Gespräch gehalten. Er bedauerte, daß wir zu einer
Zeit hergekommen, da wenig amusement vor frembde hier sey, meinte
auch, daß Turin, nachdem wir Paris gesehen, uns schlecht gefallen
würde. Wir erzehleten aber dagegen alle die avantagen die wir
hier vorzüglich vor Paris gefunden, auch was wir in publiquen
Gebäuden und sonst sonderbares und sehenswürdiges angemercket,
worüber Ihro Maj: sich recht vergnügt bezeigten, und wegen der
Anlage des hiesigen neuen Opern-Hauses und wie ferne solches
nehmlich mit der architectur derer alten Römischen theatres oder
amphitheatres eine Gleichheit habe, oder nicht, gar umständlich
mit uns redeten. Auch musten wir vor der vorhabenden
Reise durch den Uberrest von Italien nochmals gantz eigentliche
Rede und Antwort geben, und Ihro Maj. unter diesem anhalten,
dem Gespräch zum Garten hinaus bis an dero Wagen begleiten.
Dem Duc de Savoye haben wir in diesen Tagen einmal in
seinem Zimmer aufgewartet, und die Fragen, wie es uns hier
gefalle? was wir besehen? und wie wir sonst unsre Zeit zu-
gebracht? discsive beantwortet, auch an diesem Herrn die
gute Eigenschaft beobachtet, daß er, seiner vivacitaet ohngeachtet,
einem niemals in die Rede fällt, sondern die Antworten eben
so geduldig anhöret, als freundlich und modest er gefraget. Die
Nachmittage sind zum Visiten geben und annehmen, auch hier
nächst zur promenade und zur Fahrt auf den cours angewendet
worden, und die Abende haben wir, der bisherigen Einrichtung
nach, bey der Mad: d'Entraive, Mad. de Borgeal und Mad. de
Cavaglia in der Conversation zugebracht.
Die neuen Bekantschafften
welche wir in dieser Woche acquiriret, sind 1) Der Marquis de
Rivarole, Lieutenant general und Gouverneur von Navara,
ehemaliger Vice Roi in Sardinien und Ritter des großen Ordens,
ein alter respectabler Mann, 2) Der Marquis Cassini premier
Ecuyer, welcher den König bey obgedachtem Spatzier-Gang begleitete.
3.) Der Comte de Pruane Ecuyer bey dem Duc de Savoye. 4.) der
Comte Donas. 5) der Comte Doria, des Comte de Siries ältesten Bru-
der. 6.) Der Chevalier de Pron, des Comte de Pron jüngster Bruder.
8.) der Marquis de St. Thomas, welcher ehemals vor dem Marquis
d'Ormea premier ministre gewesen, ietzo aber nur einer von den
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Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
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