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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Schulenburg zu Venedig ihn zum Universal-Erben einsetzen wird, deßen Geschlechts
Nahmen annehmen müßen. Die Gräfin, deren Vater Graf Kottolinski, Lands Hauptman
zu Glogau gewesen, und vor der Preußischen Belagerung sich noch in Zeiten retiniret,
hat in erster Ehe einen Printzen von Lichtenstein gehabt, und trägt den Stern=Creutz
Orden, ist also catholisch, mithin diese Schulenburgische Ehe aus beyden religionen zu-
sammen gesetzt, wie denn auch die domestiquen gemischt sind. Weil Graf Bagliotti das
mit Diamanten reich versetzte portrait der Königin von Ungarn vorwiese, welche
er zum present bekommen, als er mit der gratulation zur Geburth des jungen Ertz-
hertzogs
von hier nach Wien abgeschicket worden; so hatten Wir gute Gelegenheit, die
von uns von Hause communicirte Copie des Antworts=Schreibens eben dieser
Königin an die hochgräflichen Reußischen Häuser gleichfals zu produciren, welche denn
vom Graf Schulenburg, seiner Gemahlin, und denen Secretaris mit Vergnügen ge-
lesen wurde, auch den Effect zuhaben schien, daß man nach der Tafel noch viel
Zuversichtlicher und vertraulicher sich gegen uns bezeigete. Wie denn der Secreta-
rius
ein von seinem Bruder aus dem Osterreichischen Lager in Schlesien erhalte-
nes journal uns vorlase, darinn das merckwürdigste dieses war, daß mann
aus denen vielen ab und zugehenden couriers ein bevorstehendes accommodement,
vermuthe. Der Graf versprach uns an den Gouverneur zu Mayland, Graf Traun
Briefe mit zu geben, und wir kehreten gegen Abend nach der Stadt zurück, woselbst an
denen gewöhnlichen Orten, nehmlich bey Madame d'Entraive, dahin auch die Gräfin von
Schulenburg nach kam, undendlich bey Madame de Cavaglia der Überrest des Abends mit sprechen hingebracht wurde.

Den 6ten October

Früh gaben der Englische Ministre de Villettes und der Comte Bagliotti Illustrissimo visite, und wir machten
darauf dem König bey Hofe die cour, statteten Nachmittags bey nur gedachten Comte die Gegen-Visite ab, be-
suchten auch die Marquise de Breuil nebst der Comtesse de Favria, und fuhren darauff zum Graf Schulenburg
und seiner Gemahlin, welche letztere gantz guthertzig von allerhand Schlesischen Familien=Sachen, uns
entretenirete, auch die Nachrichten gab, daß der König von Preußen die Elisabeth Kirche in Breßlau
denen reformirten eingeräumet, und den Graf Schönaich zu Carolath zum Director oder oberambts-
Verweser daselbst declariert habe, doch meinete sie, es könnten dergleichen engagements manche Schle-
sische Herrn nochwohl gereuen. Der Graf erzehlete mancherley particularia von denen letzten
Ungarischen Campagnes; welche er alle mitgethan, auch als Succon kranck gewesen, die de-
molition von Belgrad commandiret hat, welche fatalitaet er beseufzete, und sich nur so weit
heraus ließ, daß an der noch übrigen Kayserlichen armee und an der in vollkommen guten
Stande sich befindenden Vestung Belgrad die Türcken sich würden unfehlbahr die Köpfe
zerstoßen haben, wie denn, seinen Ausdruck nach, man sich eher des Himmels-Einfall
als einer solchen Übergabe versehen hätte. Eine Promenade au Valentin
und das Ablager bey der Marquise de Borgeal waren der Beschluß
dieses Tages, und fanden wir an dem letzten Ort auch den Chevalier de Fleury,
Sur Intendant des Etudes du Duc de Savoye, welcher überaus verstän-
dig, und gantz besonders gelehrt ist.

Schulenburg zu Venedig ihn zum Universal-Erben einsetzen wird, deßen Geschlechts
Nahmen annehmen müßen. Die Gräfin, deren Vater Graf Kottolinski, Lands Hauptman
zu Glogau gewesen, und vor der Preußischen Belagerung sich noch in Zeiten retiniret,
hat in erster Ehe einen Printzen von Lichtenstein gehabt, und trägt den Stern=Creutz
Orden, ist also catholisch, mithin diese Schulenburgische Ehe aus beyden religionen zu-
sammen gesetzt, wie denn auch die domestiquen gemischt sind. Weil Graf Bagliotti das
mit Diamanten reich versetzte portrait der Königin von Ungarn vorwiese, welche
er zum present bekommen, als er mit der gratulation zur Geburth des jungen Ertz-
hertzogs
von hier nach Wien abgeschicket worden; so hatten Wir gute Gelegenheit, die
von uns von Hause communicirte Copie des Antworts=Schreibens eben dieser
Königin an die hochgräflichen Reußischen Häuser gleichfals zu produciren, welche denn
vom Graf Schulenburg, seiner Gemahlin, und denen Secretaris mit Vergnügen ge-
lesen wurde, auch den Effect zuhaben schien, daß man nach der Tafel noch viel
Zuversichtlicher und vertraulicher sich gegen uns bezeigete. Wie denn der Secreta-
rius
ein von seinem Bruder aus dem Osterreichischen Lager in Schlesien erhalte-
nes journal uns vorlase, darinn das merckwürdigste dieses war, daß mann
aus denen vielen ab und zugehenden couriers ein bevorstehendes accommodement,
vermuthe. Der Graf versprach uns an den Gouverneur zu Mayland, Graf Traun
Briefe mit zu geben, und wir kehreten gegen Abend nach der Stadt zurück, woselbst an
denen gewöhnlichen Orten, nehmlich bey Madame d'Entraive, dahin auch die Gräfin von
Schulenburg nach kam, undendlich bey Madame de Cavaglia der Überrest des Abends mit sprechen hingebracht wurde.

Den 6ten October

Früh gaben der Englische Ministre de Villettes und der Comte Bagliotti Illustrissimo visite, und wir machten
darauf dem König bey Hofe die cour, statteten Nachmittags bey nur gedachten Comte die Gegen-Visite ab, be-
suchten auch die Marquise de Breuil nebst der Comtesse de Favria, und fuhren darauff zum Graf Schulenburg
und seiner Gemahlin, welche letztere gantz guthertzig von allerhand Schlesischen Familien=Sachen, uns
entretenirete, auch die Nachrichten gab, daß der König von Preußen die Elisabeth Kirche in Breßlau
denen reformirten eingeräumet, und den Graf Schönaich zu Carolath zum Director oder oberambts-
Verweser daselbst declariert habe, doch meinete sie, es könnten dergleichen engagements manche Schle-
sische Herrn nochwohl gereuen. Der Graf erzehlete mancherley particularia von denen letzten
Ungarischen Campagnes; welche er alle mitgethan, auch als Succon kranck gewesen, die de-
molition von Belgrad commandiret hat, welche fatalitaet er beseufzete, und sich nur so weit
heraus ließ, daß an der noch übrigen Kayserlichen armée und an der in vollkommen guten
Stande sich befindenden Vestung Belgrad die Türcken sich würden unfehlbahr die Köpfe
zerstoßen haben, wie denn, seinen Ausdruck nach, man sich eher des Himmels-Einfall
als einer solchen Übergabe versehen hätte. Eine Promenade au Valentin
und das Ablager bey der Marquise de Borgeal waren der Beschluß
dieses Tages, und fanden wir an dem letzten Ort auch den Chevalier de Fleury,
Sur Intendant des Etudes du Duc de Savoye, welcher überaus verstän-
dig, und gantz besonders gelehrt ist.

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[0473] Schulenburg zu Venedig ihn zum Universal-Erben einsetzen wird, deßen Geschlechts Nahmen annehmen müßen. Die Gräfin, deren Vater Graf Kottolinski, Lands Hauptman zu Glogau gewesen, und vor der Preußischen Belagerung sich noch in Zeiten retiniret, hat in erster Ehe einen Printzen von Lichtenstein gehabt, und trägt den Stern=Creutz Orden, ist also catholisch, mithin diese Schulenburgische Ehe aus beyden religionen zu- sammen gesetzt, wie denn auch die domestiquen gemischt sind. Weil Graf Bagliotti das mit Diamanten reich versetzte portrait der Königin von Ungarn vorwiese, welche er zum present bekommen, als er mit der gratulation zur Geburth des jungen Ertz- hertzogs von hier nach Wien abgeschicket worden; so hatten Wir gute Gelegenheit, die uns von Hause communicirte Copie des Antwort=Schreibens eben dieser Königin an die hochgräfl. Reußischen Häuser gleichfals zu produciren, welche denn vom Graf Schulenburg, seiner Gemahlin, und denen Secretaris mit Vergnügen ge- lesen wurde, auch den Effect zuhaben schien, daß man nach der Tafel noch viel Zuversichtlicher und vertraulicher sich gegen uns bezeigete. Wie denn der Secreta- rius ein von seinem Bruder aus dem Osterreichischen Lager in Schlesien erhalte- nes journal uns vorlase, darinn das merckwürdigste dieses war, daß man aus denen vielen ab und zugehenden couriers ein bevorstehendes accommodement, vermuthe. Der Graf versprach uns an den Gouverneur zu Mayland, Graf Traun Briefe mit zu geben, und wir kehreten gegen Abend nach der Stadt zurück, woselbst an denen gewöhnlichen Orten, nehmlich bey Mad. d'Entraive, dahin auch die Gräfin von Schulenburg nach kam, u. endlich bey Mad de Cavaglia der Überrest des Abends mit sprechen hingebracht wurde. Den 6ten Octobr. Früh gaben der Englische Ministre de Villettes und der Comte Bagliotti Illmo visite, und wir machten darauf dem König bey Hofe die cour, statteten Nachmittags bey nur gedachten Comte die Gegen-Visite ab, be- suchten auch die Marquise de Breuil nebst der Comtesse de Favria, und fuhren darauff zum Graf Schulenburg und seiner Gemahlin, welche letztere gantz guthertzig von allerhand Schlesischen Familien=Sachen uns entretenirete, auch die Nachrichten gab, daß der König von Preußen die Elisabeth Kirche in Breßlau denen reformirten eingeräumet, und den Graf Schönaich zu Carolath zum Director oder oberambts- Verweser daselbst declariert habe, doch meinete sie, es könnten dergl. engagements manche Schle- sische Herrn nochwohl gereuen. Der Graf erzehlete mancherley particularia von denen letzten Ungarischen Campagnes; welche er alle mitgethan, auch als Succon kranck gewesen, die de- molition von Belgrad commandiret hat, welche fatalitaet er beseufzete, und sich nur so weit heraus ließ, daß an der noch übrigen Kayserl.n armée und an der in vollkommen guten Stande sich befindenden Vestung Belgrad die Türcken sich würden unfehlbahr die Köpfe zerstoßen haben, wie denn, seinen Ausdruck nach, man sich eher des Himmels-Einfall als einer solchen Übergabe versehen hätte. Eine Promenade au Valentin und das Ablager bey der Marquise de Borgeal waren der Beschluß dieses Tages, und fanden wir an dem letzten Ort auch den Chevalier de Fleury, Sur Intendant des Etudes du Duc de Savoye, welcher überaus verstän- dig, und gantz besonders gelehrt ist.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/473>, abgerufen am 21.11.2024.