Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].225 einen Riß zu einer inprenablen Vestung zu machen. Als er nun denselbenVerfertiget, und der Herr gefragt, wo denn eigentlich das Kunst-Stück der Unüberwindlichkeit stecke? Habe der Ingenieur auf eine neben der Vestung in der ferne gezeichnete armee gewiesen, und dabey die Erklärung ge- geben, daß nichts, als ein tüchtiger Entsatz eine Vestung unüberwindlich machen könne. Liefland, als sein Vaterland, priese er unter denen Rußen sonderlich deswegen glückseelig, weil der Zar Peter der große, denen adelichen Familien alle Güther wieder gegeben, welche bey der ehmaligen bekannten Schwedischen reduction oder reunion ihnen Weg genommen worden. Seiner Erzehlung nach, ist er damals aus Schwedischen Diensten gegangen, als König Wilhelm die descente in Engelland gethan, und bey dieser Gelegenheit etliche Schwedische Regimenter den Holländern überlaßen worden. Er desapprobirte sehr, daß man bey denen Österreichischen trouppen denen Regimentern ihre Cassen, und denen Obristen die Macht benommen, ihre Subalternen Officiers selbst zumachen. Bey der Rückkunft in unser quartier fanden wir eine Carte von dem Französischen Ambassadeur, daß er zur Visite dagewesen. Den 28ten September Machten wir zur gewöhnlichen Stunde au palais dem König die Cour, und 225 einen Riß zu einer inprenablen Vestung zu machen. Als er nun denselbenVerfertiget, und der Herr gefragt, wo denn eigentlich das Kunst-Stück der Unüberwindlichkeit stecke? Habe der Ingenieur auf eine neben der Vestung in der ferne gezeichnete armée gewiesen, und dabey die Erklärung ge- geben, daß nichts, als ein tüchtiger Entsatz eine Vestung unüberwindlich machen könne. Liefland, als sein Vaterland, priese er unter denen Rußen sonderlich deswegen glückseelig, weil der Zar Peter der große, denen adelichen Familien alle Güther wieder gegeben, welche bey der ehmaligen bekannten Schwedischen reduction oder reunion ihnen Weg genommen worden. Seiner Erzehlung nach, ist er damals aus Schwedischen Diensten gegangen, als König Wilhelm die descente in Engelland gethan, und bey dieser Gelegenheit etliche Schwedische Regimenter den Holländern überlaßen worden. Er desapprobirte sehr, daß man bey denen Österreichischen trouppen denen Regimentern ihre Cassen, und denen Obristen die Macht benommen, ihre Subalternen Officiers selbst zumachen. Bey der Rückkunft in unser quartier fanden wir eine Carte von dem Französischen Ambassadeur, daß er zur Visite dagewesen. Den 28ten September Machten wir zur gewöhnlichen Stunde au palais dem König die Cour, und <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <div type="diaryEntry"> <p><pb facs="#f0464"/><fw type="folNum" place="top">225</fw><lb/> einen Riß zu einer inprenablen Vestung zu machen. Als er nun denselben<lb/> Verfertiget, und der Herr gefragt, wo denn eigentlich das Kunst-Stück der<lb/> Unüberwindlichkeit stecke? Habe der Ingenieur auf eine neben der Vestung<lb/> in der ferne gezeichnete armée gewiesen, und dabey die Erklärung ge-<lb/> geben, daß nichts, als ein tüchtiger Entsatz eine Vestung unüberwindlich<lb/> machen könne. <placeName xml:id="TidB6769" corresp="register.xml#regID_66.lemID_11143" ref="http://d-nb.info/gnd/4036075-1">Liefland</placeName>, als sein Vaterland, priese er unter denen Rußen<lb/> sonderlich deswegen glückseelig, weil der <persName xml:id="TidB6770" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11735" ref="http://d-nb.info/gnd/118592955">Zar Peter der große</persName>, denen<lb/> adelichen Familien alle Güther wieder gegeben, welche bey der ehmaligen<lb/> bekannten Schwedischen reduction oder reunion ihnen Weg genommen <add place="superlinear">worden.</add><lb/> Seiner Erzehlung nach, ist er damals aus Schwedischen Diensten gegangen,<lb/> als <persName xml:id="TidB6772" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11736">König Wilhelm</persName> die descente in <placeName xml:id="TidB6771" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10255">Engelland</placeName> gethan, und bey dieser<lb/> Gelegenheit <choice><abbr>etl.</abbr><expan>etliche</expan></choice> Schwedische Regimenter den Holländern überlaßen worden.<lb/> Er desapprobirte sehr, daß man bey denen Österreichischen trouppen denen<lb/> Regimentern ihre Cassen, und denen Obristen die Macht benommen, ihre<lb/> Subalternen Officiers selbst zumachen. Bey der Rückkunft in unser<lb/> quartier fanden wir eine Carte von dem <persName xml:id="TidB6773" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Französischen Ambassadeur</persName>,<lb/> daß er zur Visite dagewesen.</p><lb/> </div> <div type="diaryEntry"> <head rendition="#c"> Den 28<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">ten</hi></hi> <choice><abbr>Sept.</abbr><expan>September</expan></choice></head><lb/> <p> Machten wir zur gewöhnlichen Stunde au palais dem <persName xml:id="TidB6774" corresp="register.xml#regID_37.lemID_11137" ref="http://d-nb.info/gnd/119080184">König</persName> die Cour, und<lb/> entretenireten uns mit unsern <unclear reason="illegible">neuen ehrigen</unclear> häufigen Bekannten, aufs<lb/> beste. Unter andern fragten Wir den geistlichen <persName xml:id="TidB6776" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Oncle</persName> unsers <persName xml:id="TidB6775" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10512">Chevaliers</persName><lb/> discoursive, ob die hiesige Universitaet unter der direction der <name type="subjectIndexTerm" xml:id="TidB6777" corresp="register.xml#regID_502.lemID_11016">Je-<lb/> suiten</name> stehe? Worauf er antwortete: nous croyez vous d' un si<lb/> mauvais gôut? il y a long temps que nous avons Jecoue<lb/> ce joug la. Wie denn so gar die Schulen hier denen <name type="subjectIndexTerm" xml:id="TidB6778" corresp="register.xml#regID_502.lemID_11016">Jesuiten</name> verbothen<lb/> sind. Von der Haupt reliquie des hiesigen Landes und Orts, dem <choice><abbr><unclear reason="illegible">H.</unclear></abbr><expan>Heiligen</expan></choice> Schweiß<lb/> Tuch (<choice><abbr><unclear reason="illegible">od</unclear></abbr><expan>oder</expan></choice> Grabe Tuch) darinnen der Cörper unsers <persName xml:id="TidB6779" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10143">Heylandes</persName> soll einge-<lb/> wickelt gewesen seyn, berichtete er uns, daß die Gesatlt des gantzen<lb/> Cörpers, welcher in allen Gemählden, die Wir bisher davon gesehen, da-<lb/> rauf gezeichnet ist, sich keines Weges auf dem Original befinde, sondern<lb/> nur braun rothe verblichene Blut=Flecken, aus denen man an einem<lb/> Ort zur Noth wohl ein bloßes Gesicht, aber auch dieses nicht anders,<lb/> als durch eine sehr starcke imagination heraus finden könne.<lb/> Er meinete auch, daß, wenn die Gestalt des gantzen Cörpers sich auf<lb/> dem Tuch befände, die Reliquie dadurch merklich würde decredi-<lb/> tiret werden, indem ordentlicher Weise ein blutiger einge- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
225
einen Riß zu einer inprenablen Vestung zu machen. Als er nun denselben
Verfertiget, und der Herr gefragt, wo denn eigentlich das Kunst-Stück der
Unüberwindlichkeit stecke? Habe der Ingenieur auf eine neben der Vestung
in der ferne gezeichnete armée gewiesen, und dabey die Erklärung ge-
geben, daß nichts, als ein tüchtiger Entsatz eine Vestung unüberwindlich
machen könne. Liefland, als sein Vaterland, priese er unter denen Rußen
sonderlich deswegen glückseelig, weil der Zar Peter der große, denen
adelichen Familien alle Güther wieder gegeben, welche bey der ehmaligen
bekannten Schwedischen reduction oder reunion ihnen Weg genommen worden.
Seiner Erzehlung nach, ist er damals aus Schwedischen Diensten gegangen,
als König Wilhelm die descente in Engelland gethan, und bey dieser
Gelegenheit etl. Schwedische Regimenter den Holländern überlaßen worden.
Er desapprobirte sehr, daß man bey denen Österreichischen trouppen denen
Regimentern ihre Cassen, und denen Obristen die Macht benommen, ihre
Subalternen Officiers selbst zumachen. Bey der Rückkunft in unser
quartier fanden wir eine Carte von dem Französischen Ambassadeur,
daß er zur Visite dagewesen.
Den 28ten Sept.
Machten wir zur gewöhnlichen Stunde au palais dem König die Cour, und
entretenireten uns mit unsern neuen ehrigen häufigen Bekannten, aufs
beste. Unter andern fragten Wir den geistlichen Oncle unsers Chevaliers
discoursive, ob die hiesige Universitaet unter der direction der Je-
suiten stehe? Worauf er antwortete: nous croyez vous d' un si
mauvais gôut? il y a long temps que nous avons Jecoue
ce joug la. Wie denn so gar die Schulen hier denen Jesuiten verbothen
sind. Von der Haupt reliquie des hiesigen Landes und Orts, dem H. Schweiß
Tuch (od Grabe Tuch) darinnen der Cörper unsers Heylandes soll einge-
wickelt gewesen seyn, berichtete er uns, daß die Gesatlt des gantzen
Cörpers, welcher in allen Gemählden, die Wir bisher davon gesehen, da-
rauf gezeichnet ist, sich keines Weges auf dem Original befinde, sondern
nur braun rothe verblichene Blut=Flecken, aus denen man an einem
Ort zur Noth wohl ein bloßes Gesicht, aber auch dieses nicht anders,
als durch eine sehr starcke imagination heraus finden könne.
Er meinete auch, daß, wenn die Gestalt des gantzen Cörpers sich auf
dem Tuch befände, die Reliquie dadurch merklich würde decredi-
tiret werden, indem ordentlicher Weise ein blutiger einge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate
Weitere Informationen:Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert. Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |