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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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Lebens-Art sehr vergnügt zu seyn. Sein Amusement bestehet in
der Physic, und hatte er eben gewiße Observationes von Wetter=
Gläsern unter der Feder, doch war seine Bibliothec fast gantz theo-
logisch und historisch. Das eingefallene starcke Regenwetter ver-
anlaßte uns von hier wider nach Hause und heute weiter nicht
auszufahren.

Den 22 Februar

Hatten wir früh von dem Reise-Prediger des Printzen von Schwartzburg
und sodann von einem gewißen Baron Ohß Zuspruch. Jener Nahmens
Reuchlin stammet in absteigender Linie von dem Bruder des in der
gelehrten Welt so bekanten Reuchlini oder Capneonis her, und
beschenckte uns mit seiner ehemals zu Jena gehaltenen disser-
tation: de studio Martyrii in Ecclesia primitiva, darinn er
die mit untergelauffenen Fehler und Unlauterkeiten derer ersten
Martyrer gantz fein und gründlich abgehandelt hat. Der Baron Ohß,
welcher sich seit etlichen Monaten hier aufhält und nicht eben bemittelt
zu seyn scheinet, und den wir sowol beym Graf Tessin als Monsieur
Appelgrün
gesehen, ist vor dem Herrn Graf Zinßendorf und seine An-
stalten
sehr portiret, erzehlte auch vieles von prophetischen und
inspirantischen Nachrichten, so daß man nicht weiß, was eigentlich
aus ihm zu machen sey, und was seine Verrichtungen hier
seyn möchten. Er ist über 50 Jahr alt, auch ehemals in Frantzösischen
Diensten gewesen und hat viel gereiset. Nachmittags gab
uns der Printz von Schwartzburg nebst dem Herrn von Hertenberg Visite,
Herr Graf Schönfeld und Herr von Uffel aber konten wir des heutigen
extraordinairen Post-Tags wegen, nicht einlaßen.

Den 23 Februar

Weil der Printz von Schwartburg von dem Cardinal Polignac Ab-
schied nehmen wolte, so fuhren wir mit demselben dahin zur
Tafel und hatten gewöhnlicher maßen, sowol vor und nach der Tafel
in seinem Cabinet, als auch über Tisch mancherley nützliche
Gespräche. Weil er uns in Trauer sahe und nach der Ursache
fragte, hatten wir gute Gelegenheit ihm das Absterben des
Hochseeligen Xten Herrn zu hinterbringen, darüber er seine Condolentz
auf das aller obligeanteste ablegete. Von Preußischen Nachrichten
aus Schlesien musten wir ihm alles communiciren, und besonders
auch den an des IXten Hs hochgräfliche Gnaden vom König geschriebenen
Brief vorlesen, welcher denn von ihm als wohl geschrieben
approbiret wurde. Occasione einer Passage aus dem Preußischen
antimachiavel von der Jagd-Passion großer Herren nahm der Cardi-
nal
Gelegenheit, die allgemeinen widrigen Opinion vom
Nimrod zu widerlegen, als ob derselbe seine ungezähmte Jagd-
Begierde endlich auch an denen Menschen ausgeübet, und dadurch der
erste gewaltsame Conquerant geworden sey. Er setzte dabey zum

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Lebens-Art sehr vergnügt zu seyn. Sein Amusement bestehet in
der Physic, und hatte er eben gewiße Observationes von Wetter=
Gläsern unter der Feder, doch war seine Bibliothec fast gantz theo-
logisch und historisch. Das eingefallene starcke Regenwetter ver-
anlaßte uns von hier wider nach Hause und heute weiter nicht
auszufahren.

Den 22 Februar

Hatten wir früh von dem Reise-Prediger des Printzen von Schwartzburg
und sodann von einem gewißen Baron Ohß Zuspruch. Jener Nahmens
Reuchlin stammet in absteigender Linie von dem Bruder des in der
gelehrten Welt so bekanten Reuchlini oder Capneonis her, und
beschenckte uns mit seiner ehemals zu Jena gehaltenen disser-
tation: de studio Martyrii in Ecclesia primitiva, darinn er
die mit untergelauffenen Fehler und Unlauterkeiten derer ersten
Martyrer gantz fein und gründlich abgehandelt hat. Der Baron Ohß
welcher sich seit etlichen Monaten hier aufhält und nicht eben bemittelt
zu seyn scheinet, und den wir sowol beym Graf Tessin als Monsieur
Appelgrün
gesehen, ist vor dem Herrn Graf Zinßendorf und seine An-
stalten
sehr portiret, erzehlte auch vieles von prophetischen und
inspirantischen Nachrichten, so daß man nicht weiß, was eigentlich
aus ihm zu machen sey, und was seine Verrichtungen hier
seyn möchten. Er ist über 50 Jahr alt, auch ehemals in Frantzösischen
Diensten gewesen und hat viel gereiset. Nachmittags gab
uns der Printz von Schwartzburg nebst dem Herrn von Hertenberg Visite,
Herr Graf Schönfeld und Herr von Uffel aber konten wir des heutigen
extraordinairen Post-Tags wegen, nicht einlaßen.

Den 23 Februar

Weil der Printz von Schwartburg von dem Cardinal Polignac Ab-
schied nehmen wolte, so fuhren wir mit demselben dahin zur
Tafel und hatten gewöhnlicher maßen, sowol vor und nach der Tafel
in seinem Cabinet, als auch über Tisch mancherley nützliche
Gespräche. Weil er uns in Trauer sahe und nach der Ursache
fragte, hatten wir gute Gelegenheit ihm das Absterben des
Hochseeligen Xten Herrn zu hinterbringen, darüber er seine Condolentz
auf das aller obligeanteste ablegete. Von Preußischen Nachrichten
aus Schlesien musten wir ihm alles communiciren, und besonders
auch den an des IXten Hs hochgräfliche Gnaden vom König geschriebenen
Brief vorlesen, welcher denn von ihm als wohl geschrieben
approbiret wurde. Occasione einer Passage aus dem Preußischen
antimachiavel von der Jagd-Passion großer Herren nahm der Cardi-
nal
Gelegenheit, die allgemeinen widrigen Opinion vom
Nimrod zu widerlegen, als ob derselbe seine ungezähmte Jagd-
Begierde endlich auch an denen Menschen ausgeübet, und dadurch der
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[0178] 82 Lebens-Art sehr vergnügt zu seyn. Sein Amusement bestehet in der Physic, u. hatte er eben gewiße Observationes von Wetter= Gläsern unter der Feder, doch war seine Bibliothec fast gantz theo- logisch und historisch. Das eingefallene starcke Regenwetter ver- anlaßte uns von hier wider nach Hause u. heute weiter nicht auszufahren. Den 22 Febr. Hatten wir früh von dem Reise-Prediger des Printzen v. Schwartzburg u. sodann von einem gewißen Bar. Ohß Zuspruch. Jener Nahmens Reuchlin stammet in absteigender Linie von dem Bruder des in der gelehrten Welt so bekanten Reuchlini oder Capneonis her, und beschenckte uns mit seiner ehemals zu Jena gehaltenen disser- tation: de studio Martyrii in Ecclesia primitiva, darinn er die mit untergelauffenen Fehler u. Unlauterkeiten derer ersten Martyrer gantz fein und gründl: abgehandelt hat. Der Bar. Ohß,  welcher sich seit etl. Monaten hier aufhält und nicht eben bemittelt zu seyn scheinet, und den wir sowol beym Graf Tessin als Mr. Appelgrün gesehen, ist vor dHl. Graf Zinßendorf u. seine An- stalten sehr portiret, erzehlte auch vieles von prophetischen und inspirantischen Nachrichten, so daß man nicht weiß, was eigentl: aus ihm zu machen sey, und was seine Verrichtungen hier seyn möchten. Er ist über 50 Jahr alt, auch ehemals in Frantzöl: Diensten gewesen und hat viel gereiset. Nachmittags gab uns der Printz von Schwartzburg nebst dH. v. Hertenberg Visite, H. Graf Schönfeld u. H. v. Uffel aber konten wir des heutigen extraordinairen Post-Tags wegen, nicht einlaßen. Den 23 Febr. Weil der Printz von Schwartburg von dem Cardinal Polignac Ab- schied nehmen wolte, so fuhren wir mit demselben dahin zur Tafel und hatten gewöhnl: maßen, sowol vor u. nach der Tafel in seinem Cabinet, als auch über Tisch mancherley nützliche Gespräche. Weil er uns in Trauer sahe und nach der Ursache fragte, hatten wir gute Gelegenheit ihm das Absterben des Hochseel: Xten Hl: zu hinterbringen, darüber er seine Condolentz auf das aller obligeanteste ablegete. Von Preußl: Nachrichten aus Schlesien musten wir ihm alles communiciren, u. besonders auch den an des IXten Hs hochgräfl. Gnd vom König geschriebenen Brief vorlesen, welcher denn von ihm als wohl geschrieben approbiret wurde. Occasione einer Passage aus dem Preußil: antimachiavel von der Jagd-Passion großer HHl. nahm der Cardi- nal Gelegenheit, die allgemeinewidrige Opinion vom Nimrod zu widerlegen, als ob derselbe seine ungezähmte Jagd- Begierde endl: auch an denen Menschen ausgeübet, u. dadurch der erste gewaltsame Conquerant geworden sey. Er setzte dabey zum

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/178>, abgerufen am 21.11.2024.