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Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

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welche durch dergleichen Kayser-Wahl würde befördert werden, connivendo beför-
derlich seyn solte. Die Gelegenheit, das Österreichische Haus auf immer
außer Stande zu setzen, daß es dem Hause Bourbon die Wage inch
halten könne, komme so bald nicht wider, und sey also davon zu pro-
fitiren. Bayern und Sachsen hielte er vor die eintzigen Compe-
tenten zur Kayser-Crone, deren einem oder dem andern dieses Glücke
bescheret seyn würde. Nachdem diese und dergleichen mehrere Discurse
sich bis in den späten Abend verzogen, beschloßen wir unsre
heutige Caravane mit dem Besuch des Monsieur de la Tournelle,
woselbst zwar von denen meisten Anwesenden gespielet, wir
aber doch mit Discoursen beständig unterhalten wurden. Daß wir
in diesem Carnaval den bal de l'Opera nicht besuchet, wurde
uns sehr hoch aufgemutzet, und musten wir uns dagegen mit
unsrer Appologie umständlich vernehmen laßen. Von einem
gewißen sich hier befindenlichen teutschen Cavalier wurde erzehlet,
daß er diese Tage bey der Madame la Duchesse in einem
Abend 1600 Louisd'or verspielet habe. Monsieur de Verneuille und
der Holländische Ambassadeur, desgleichen der Duc de Tremouille, denen
wir ebenfals diesen Nachmittag Visiten zugedacht hatten, wur-
den nicht zu Hause angetroffen.

Den 18 Februar

Wir besahen heute die Abbaye de Sankt Genevieve, und beobachteten
in der Kirche den silbernen und verguldten Kasten, darinn die
Reliquien dieser Heiligen liegen, welcher oben über dem hohen
Altar dergestalt placiret ist, daß selbiger zum Behuf solenner
Processionen herunter genommen werden kan. Dem Haupt-Altar
gegen über mitten im Chor ist das Grabmahl des ersten frantzösischen
christlichen Königs Clodovaei, deßen Postement von bunten Marmor
er aber von weißem Marmor gehauen darauf ausgestreckt
lieget, und einen Scepter in der Hand hat; doch dürfte dieses Mo-
nument, ob es schon alt ust, wohl geraume Zeit nach dem Ab-
sterben dieses Königs verfertiget seyn. Die Bibliothec dieser
Abtey ist an gedruckten Büchern sehr zahlreich und erstreckt sich
gegen 60/m Stücke, das ins Creutz gebauete Behältniß ist auch
überaus propre, und machen die zwischen denen Bücher-Schräncken
rangirte Bustes von Gelehrten und andern großen Leuten
welche aber gröstentheils nur von Gypß sind, einen sehr guten
Effect. Es befand sich unter diesen auch das Brust-Bild des großen
Jansenisten Monsieur Arnaud, und als unser Führer Schertzweise
gefraget wurde, ob es bey ietzigen Zeiten erlaubt sey, dieses Bild
öffentlich aufzustellen, antwortete er: pourquoi non? c'etoit un
grand homme dans son tems, es les gens de bien le reconnoissent encore
aujourd'hui pour tel, wobey obiter zu bemercken ist, daß die Cano-
nici dieser Abtey gröstentheils Jansenisten sind. Unter denen
Büchern ist wenig altes und rares, außer die bekannte lateinische

welche durch dergleichen Kayser-Wahl würde befördert werden, connivendo beför-
derlich seyn solte. Die Gelegenheit, das Österreichische Haus auf immer
außer Stande zu setzen, daß es dem Hause Bourbon die Wage inch
halten könne, komme so bald nicht wider, und sey also davon zu pro-
fitiren. Bayern und Sachsen hielte er vor die eintzigen Compe-
tenten zur Kayser-Crone, deren einem oder dem andern dieses Glücke
bescheret seyn würde. Nachdem diese und dergleichen mehrere Discurse
sich bis in den späten Abend verzogen, beschloßen wir unsre
heutige Caravane mit dem Besuch des Monsieur de la Tournelle,
woselbst zwar von denen meisten Anwesenden gespielet, wir
aber doch mit Discoursen beständig unterhalten wurden. Daß  wir
in diesem Carnaval den bal de l’Opera nicht besuchet, wurde
uns sehr hoch aufgemutzet, und musten wir uns dagegen mit
unsrer Appologie umständlich vernehmen laßen. Von einem
gewißen sich hier befindenlichen teutschen Cavalier wurde erzehlet,
daß er diese Tage bey der Madame la Duchesse in einem
Abend 1600 Louisd’or verspielet habe. Monsieur de Verneuille und
der Holländische Ambassadeur, desgleichen der Duc de Tremouille, denen
wir ebenfals diesen Nachmittag Visiten zugedacht hatten, wur-
den nicht zu Hause angetroffen.

Den 18 Februar

Wir besahen heute die Abbaye de Sankt Genevieve, und beobachteten
in der Kirche den silbernen und verguldten Kasten, darinn die
Reliquien dieser Heiligen liegen, welcher oben über dem hohen
Altar dergestalt placiret ist, daß selbiger zum Behuf solenner
Processionen herunter genommen werden kan. Dem Haupt-Altar
gegen über mitten im Chor ist das Grabmahl des ersten frantzösischen
christlichen Königs Clodovaei, deßen Postement von bunten Marmor
er aber von weißem Marmor gehauen darauf ausgestreckt
lieget, und einen Scepter in der Hand hat; doch dürfte dieses Mo-
nument, ob es schon alt ust, wohl geraume Zeit nach dem Ab-
sterben dieses Königs verfertiget seyn. Die Bibliothec dieser
Abtey ist an gedruckten Büchern sehr zahlreich und erstreckt sich
gegen 60/m Stücke, das ins Creutz gebauete Behältniß ist auch
überaus propre, und machen die zwischen denen Bücher-Schräncken
rangirte Bustes von Gelehrten und andern großen Leuten
welche aber gröstentheils nur von Gypß sind, einen sehr guten
Effect. Es befand sich unter diesen auch das Brust-Bild des großen
Jansenisten Monsieur Arnaud, und als unser Führer Schertzweise
gefraget wurde, ob es bey ietzigen Zeiten erlaubt sey, dieses Bild
öffentlich aufzustellen, antwortete er: pourquoi non? c’etoit un
grand homme dans son tems, es les gens de bien le reconnoissent encore
aujourd’hui pour tel, wobey obiter zu bemercken ist, daß die Cano-
nici dieser Abtey gröstentheils Jansenisten sind. Unter denen
Büchern ist wenig altes und rares, außer die bekannte lateinische

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[0169] welche durch dergl: Kayser-Wahl würde befördert werden, connivendo beför- derlich seyn solte. Die Gelegenheit, das Oesterreichl: Haus auf immer außer Stande zu setzen, daß es dem Hause Bourbon die Wage inch halten könne, komme so bald nicht wider, u. sey also davon zu pro- fitiren. Bayern und Sachsen hielte er vor die eintzigen Compe- tenten zur Kayser-Crone, deren einem oder dem andern dieses Glücke bescheret seyn würde. Nachdem diese und dergl: mehrere Discurse sich bis in den späten Abend verzogen, beschloßen wir unsre heutige Caravane mit dem Besuch des Mr. de la Tournelle, woselbst zwar von denen meisten Anwesenden gespielet, wir aber doch mit Discoursen beständig unterhalten wurden. Daß  wir in diesem Carnaval den bal de l’Opera nicht besuchet, wurde uns sehr hoch aufgemutzet, und musten wir uns dagegen mit unsrer Apologie umständl: vernehmen laßen. Von einem gewißen sich hier befindenl. teutschen Cavalier wurde erzehlet, daß er diese Tage bey der Madame la Duchesse in einem Abend 1600 Louisd’or verspielet habe. Mr. de Verneuille und der Holländl: Ambassadeur, desgl: der Duc de Tremouille, denen wir ebenfals diesen Nachmittag Visiten zugedacht hatten, wur- den nicht zu Hause angetroffen. Den 18 Febr: Wir besahen heute die Abbaye de St: Genevieve, und beobachteten in der Kirche den silbernen und verguldten Kasten, darinn die Reliquien dieser Heiligen liegen, welcher oben über dem hohen Altar dergestalt placiret ist, daß selbiger zum Behuf solenner Processionen herunter genommen werden kan. Dem Haupt-Altar gegen über mitten im Chor ist das Grabmahl des ersten frantzösischen christl: Königs Clodovaei, deßen Postement von bunten Marmor er aber von weißem Marmor gehauen darauf ausgestreckt lieget, und einen Scepter in der Hand hat; doch dürfte dieses Mo- nument, ob es schon alt ust, wohl geraume Zeit nach dem Ab- sterben dieses Königs verfertiget seyn. Die Bibliothec dieser Abtey ist an gedruckten Büchern sehr zahlreich und erstreckt sich gegen 60/m Stücke, das ins Creutz gebauete Behältniß ist auch überaus propre, und machen die zwischen denen Bücher-Schräncken rangirte Bustes von Gelehrten und andern großen Leuten welche aber gröstentheils nur von Gypß sind, einen sehr guten Effect. Es befand sich unter diesen auch das Brust-Bild des großen Jansenisten Mr. Arnaud, und als unser Führer Schertzweise gefraget wurde, ob es bey ietzigen Zeiten erlaubt sey, dieses Bild öffentlich aufzustellen, antwortete er: pourquoi non? c’etoit un grand homme dans son tems, es les gens de bien le reconnoissent encore aujourd’hui pour tel, wobey obiter zu bemercken ist, daß die Cano- nici dieser Abtey gröstentheils Jansenisten sind. Unter denen Büchern ist wenig altes und rares, außer die bekannte lateinische

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/169>, abgerufen am 17.09.2024.