Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

Bild:
<< vorherige Seite

theils mit Knötgen machen, wir aber mit ein und andern discoursen, theils mit einem gewissen
Abbe, welcher zwar der Constitution zugethan war, die gewaltsammen Mittel aber, wodurch
man die Leute zu deren Annehmung nötiget, keines wegs approbirete, theils mit dem
Päbstlichen Nuncio Monseigneur Crescenci, welcher nebst dem Venetianischen Ambassadeur und dem Duc
d' Humiere
sich gegen Abend zur Visite einfand, und gegen die frantzösische Lebens-Art
was das Spielen und Soupiren betrift, recht ernstlich eiferte, Illustrissimo auch, daß sie[unleserliches Material]
sich dieser Lebens-Art nicht submittirten, ein besonders Eloge beylegte, dergleichen
bedauerte er die Erziehung derer frantzösischen jungen Herren, welche von nichts, als vom
Spiel und von Frauen-Zimmer zu reden wüsten, und, wenn man sie auf etwas
Serieuses bringen wolte, stummer wären, als die Fische. Wir danckten ihm vor
seine Bestärckung in unsrer bisherigen praxi, und wurden dagegen von ihm
versichert, daß, wenn wir nach Italien reisen wolten, man uns ohne die
geringste Contrainte wegen des Spiels, in allen großen Häusern mit Freuden
aufnehmen würde. Der Nuncius ist 44 Jahr alt, und siehet überaus wohl, auch
mehr teutsch oder frantzösisch, als Italiänisch aus, spricht aber nicht zum besten Frantzö-
sisch. Von hier fuhren wir noch in das Montbrunische Haus, und wurden von
der Marquise mit der Bekehrungs-Geschichte eines reformirten Uhrmachers entre-
teniret, welcher, wie sie sagte, durch besondre göttliche Schickung in Neuily kranck
u. als ein verlaßener Frembder von ihr besuchet worden, da sie denn, nebst
veranstalteter leiblicher Wartung, auch vor seinen Seelen-Zustand gesorget, und
ihm einen rechtschaffenen Geistlichen zu gewiesen, der ihn in allen Stücken
von der Wahrheit der catholischen Religion, den eintzigen Articul von der [unleserliches Material]trans-
substantiation
, oder wie sie es nennte de la presence reelle ausgenommen, über
zeuget habe; wie denn der Mensch nunmehro gesund, und in einem solchen
Zustande sey, daß man sichre Hofnung habe, ihn nicht nur als einen äußer-
lich, sondern auch der realitaet nach catholischen Christen, in kurtzem zu produ-
ciren. Unsre letzte Visite war noch bey spätem Abend bey dem Duc de Tre-
mouille
, wir trafen aber denselben so wenig, als den Monsieur de la Tour-
nelle
, vor deßen Wohnung unsre Retour nach dem Hotel vorbeyging,
zu Hause an.

Den 13 Januar

Heute statteten wir unsern Besuch bey dem Päbstlichen Nuncio ab. Er empfing
uns ungemein höflich und freundl: und hatte den Bischof von Bethlehem
Louis de la Taste bey sich, dem er Illustrissimi gute Conduite wegen des Spieles
und Soupirens anrühmete. Der übrige gantze Discours roulirte auf
denen Reichs- und Oesterreichischen Erbschafts-Sachen, da denn der Nuncius für
beyde Materien vor Rätzelhaft und also beschaffen erklährte, daß man der Providenz
disfals alles zu überlaßen habe. Beym Abschied ließ er sich zwar in
der antichambre von fernern Begleiten durch vieles Nöthigen zurück-
halten, schickte aber einen von seinen Haus-Abbes mit uns bis an den
Wagen. Wir besuchten darauf die Printzen von Heßen, bey welchen sich
auch der von Schwartzburg befand, und hatten mancherley Entretiens
mit ihnen, sonderlich war der Hessische Erb-Printz von denen Camerali Umständen
seines Hauses sehr offenhertzig, und declarirte, wie er die feste Resolu-
tion gefaßt habe, seine Ausgabe dereinst schlechterdings nach der Einnahme
zu richten, und weder des Exempel anderer seines gleichen, noch sonst irgend-
etwas zum Regulatio zu nehmen, schien auch, aus eben diesem Grunde
mit der hiesigen Einrichtung gar nicht vergnügt zu seyn. Von seiner ehegestrigen

theils mit Knötgen machen, wir aber mit ein und andern discoursen, theils mit einem gewissen
Abbé, welcher zwar der Constitution zugethan war, die gewaltsammen Mittel aber, wodurch
man die Leute zu deren Annehmung nötiget, keines wegs approbirete, theils mit dem
Päbstlichen Nuncio Monseigneur Crescenci, welcher nebst dem Venetianischen Ambassadeur und dem Duc
d‘ Humiere
sich gegen Abend zur Visite einfand, und gegen die frantzösische Lebens-Art
was das Spielen und Soupiren betrift, recht ernstlich eiferte, Illustrissimo auch, daß sie[unleserliches Material]
sich dieser Lebens-Art nicht submittirten, ein besonders Eloge beylegte, dergleichen
bedauerte er die Erziehung derer frantzösischen jungen Herren, welche von nichts, als vom
Spiel und von Frauen-Zimmer zu reden wüsten, und, wenn man sie auf etwas
Serieuses bringen wolte, stummer wären, als die Fische. Wir danckten ihm vor
seine Bestärckung in unsrer bisherigen praxi, und wurden dagegen von ihm
versichert, daß, wenn wir nach Italien reisen wolten, man uns ohne die
geringste Contrainte wegen des Spiels, in allen großen Häusern mit Freuden
aufnehmen würde. Der Nuncius ist 44 Jahr alt, und siehet überaus wohl, auch
mehr teutsch oder frantzösisch, als Italiänisch aus, spricht aber nicht zum besten Frantzö-
sisch. Von hier fuhren wir noch in das Montbrunische Haus, und wurden von
der Marquise mit der Bekehrungs-Geschichte eines reformirten Uhrmachers entre-
teniret, welcher, wie sie sagte, durch besondre göttliche Schickung in Neuily kranck
u. als ein verlaßener Frembder von ihr besuchet worden, da sie denn, nebst
veranstalteter leiblicher Wartung, auch vor seinen Seelen-Zustand gesorget, und
ihm einen rechtschaffenen Geistlichen zu gewiesen, der ihn in allen Stücken
von der Wahrheit der catholischen Religion, den eintzigen Articul von der [unleserliches Material]trans-
substantiation
, oder wie sie es nennte de la presence reelle ausgenommen, über
zeuget habe; wie denn der Mensch nunmehro gesund, und in einem solchen
Zustande sey, daß man sichre Hofnung habe, ihn nicht nur als einen äußer-
lich, sondern auch der realitaet nach catholischen Christen, in kurtzem zu produ-
ciren. Unsre letzte Visite war noch bey spätem Abend bey dem Duc de Tre-
mouille
, wir trafen aber denselben so wenig, als den Monsieur de la Tour-
nelle
, vor deßen Wohnung unsre Retour nach dem Hotel vorbeyging,
zu Hause an.

Den 13 Januar

Heute statteten wir unsern Besuch bey dem Päbstlichen Nuncio ab. Er empfing
uns ungemein höflich und freundl: und hatte den Bischof von Bethlehem
Louis de la Taste bey sich, dem er Illustrissimi gute Conduite wegen des Spieles
und Soupirens anrühmete. Der übrige gantze Discours roulirte auf
denen Reichs- und Oesterreichischen Erbschafts-Sachen, da denn der Nuncius für
beyde Materien vor Rätzelhaft und also beschaffen erklährte, daß man der Providenz
disfals alles zu überlaßen habe. Beym Abschied ließ er sich zwar in
der antichambre von fernern Begleiten durch vieles Nöthigen zurück-
halten, schickte aber einen von seinen Haus-Abbés mit uns bis an den
Wagen. Wir besuchten darauf die Printzen von Heßen, bey welchen sich
auch der von Schwartzburg befand, und hatten mancherley Entretiens
mit ihnen, sonderlich war der Hessische Erb-Printz von denen Camerali Umständen
seines Hauses sehr offenhertzig, und declarirte, wie er die feste Resolu-
tion gefaßt habe, seine Ausgabe dereinst schlechterdings nach der Einnahme
zu richten, und weder des Exempel anderer seines gleichen, noch sonst irgend-
etwas zum Regulatio zu nehmen, schien auch, aus eben diesem Grunde
mit der hiesigen Einrichtung gar nicht vergnügt zu seyn. Von seiner ehegestrigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <div type="diaryEntry">
          <p><pb facs="#f0119"/>
theils mit Knötgen machen, wir aber mit ein und andern <add place="superlinear">discoursen</add>, theils mit einem gew<unclear reason="covered">issen</unclear><lb/>
Abbé, welcher zwar der Constitution zugethan war, die gewaltsammen Mittel aber, wod<unclear reason="covered">urch</unclear><lb/>
man die Leute zu deren Annehmung nötiget, keines wegs approbirete, theils mit <unclear reason="covered">dem</unclear><lb/><persName xml:id="TidB11408" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10036" ref="http://d-nb.info/gnd/116725982"><choice><abbr>Päbstl:</abbr><expan>Päbstlichen</expan></choice> Nuncio <choice><abbr>Msgr.</abbr><expan>Monseigneur</expan></choice> Crescenci</persName>, welcher nebst dem <persName xml:id="TidB11409" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12378">Venetianischen Ambassadeur</persName> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> dem <persName xml:id="TidB11410" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12442">Duc<lb/>
d&#x2018; Humiere</persName> sich gegen Abend zur Visite einfand, <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> gegen die <choice><abbr>frantzöl.</abbr><expan>frantzösische</expan></choice> Lebens-Art<lb/>
was das Spielen und Soupiren betrift, recht ernstlich eiferte, <choice><abbr><persName xml:id="TidB11411" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10000" ref="http://d-nb.info/gnd/129906689">Ill<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">mo</hi></hi></persName></abbr><expan>Illustrissimo</expan></choice> auch, daß sie<gap reason="illegible"/><lb/>
sich dieser Lebens-Art nicht submittirten, ein besonders Eloge beylegte, <choice><abbr>dergl:</abbr><expan>dergleichen</expan></choice><lb/>
bedauerte er die Erziehung derer <choice><abbr>frantzöl.</abbr><expan>frantzösischen</expan></choice> jungen <choice><abbr>Hhl.</abbr><expan>Herren</expan></choice>, welche von nichts, als vom<lb/>
Spiel und von Frauen-Zimmer zu reden wüsten, und, wenn man sie auf et<unclear reason="covered">was</unclear><lb/>
Serieuses bringen wolte, stummer wären, als die Fische. Wir danckten ihm vor<lb/>
seine Bestärckung in unsrer bisherigen praxi, und wurden dagegen von ih<unclear reason="covered">m</unclear><lb/>
versichert, daß, wenn wir nach <placeName xml:id="TidB11412" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10179">Italien</placeName> reisen wolten, man uns ohne die<lb/>
geringste Contrainte wegen des Spiels, in allen großen Häusern mit Freude<unclear reason="covered">n</unclear><lb/>
aufnehmen würde. Der <persName xml:id="TidB11413" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10036" ref="http://d-nb.info/gnd/116725982">Nuncius</persName> ist 44 Jahr alt, und siehet überaus wohl, auch<lb/>
mehr teutsch oder <choice><abbr>frantzöl:</abbr><expan>frantzösisch</expan></choice>, als Italiänisch aus, spricht aber nicht zum besten Frant<unclear reason="covered">zö-</unclear><lb/>
sisch. Von hier fuhren wir noch in das Montbrunische Haus, und wurden von<lb/>
der <persName xml:id="TidB11414" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10011">Marquise</persName> mit der Bekehrungs-Geschichte eines reformirten Uhrmachers ent<unclear reason="covered">re-</unclear><lb/>
teniret, welcher, wie sie sagte, durch besondre <choice><abbr>göttl:</abbr><expan>göttliche</expan></choice> Schickung in <placeName xml:id="TidB11415" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10439">Neuily</placeName> kra<unclear reason="covered">nck</unclear><lb/>
u. als ein verlaßener Frembder von ihr besuchet worden, da sie denn, ne<unclear reason="covered">bst</unclear><lb/>
veranstalteter <choice><abbr>leibl:</abbr><expan>leiblicher</expan></choice> Wartung, auch vor seinen Seelen-Zustand gesorget, u<unclear reason="covered">nd</unclear><lb/>
ihm einen rechtschaffenen Geistlichen zu gewiesen, der ihn in allen Stücken<lb/>
von der Wahrheit der catholischen Religion, den eintzigen Articul von der <subst><del rendition="#ow"><gap reason="illegible"/></del><add place="across">tra<unclear reason="covered">ns-</unclear><lb/>
substantiation</add></subst>, oder wie sie es nennte de la presence reelle ausgenommen, üb<unclear reason="covered">er</unclear><lb/>
zeuget habe; wie denn der Mensch nunmehro gesund, und in einem solchen<lb/>
Zustande sey, daß man sichre Hofnung habe, ihn nicht nur als einen äuß<unclear reason="covered">er-</unclear><lb/>
lich, sondern auch der realitaet nach catholischen Christen, in kurtzem zu pro<unclear reason="covered">du-</unclear><lb/>
ciren. Unsre letzte Visite war noch bey spätem Abend bey dem <persName xml:id="TidB11416" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10081">Duc de T<unclear reason="covered">re-</unclear><lb/>
mouille</persName>, wir trafen aber denselben so wenig, als den <persName xml:id="TidB11417" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10184"><choice><abbr>Mr:</abbr><expan>Monsieur</expan></choice> de la Tour<unclear reason="covered">-</unclear><lb/>
nelle</persName>, vor deßen Wohnung unsre Retour nach dem Hotel vorbeyging,<lb/>
zu Hause an.</p><lb/>
        </div>
        <div type="diaryEntry">
          <head rendition="#c">                   Den 13 <choice><abbr>Jan:</abbr><expan>Januar</expan></choice></head><lb/>
          <p>                Heute statteten wir unsern Besuch bey dem <persName xml:id="TidB11418" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10036" ref="http://d-nb.info/gnd/116725982"><choice><abbr>Päbstl:</abbr><expan>Päbstlichen</expan></choice> Nuncio</persName> ab. Er empfi<unclear reason="covered">ng</unclear><lb/>
uns ungemein höflich und freundl: und hatte den Bischof von Bethlehem<lb/><persName xml:id="TidB11419" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12443">Louis de la Taste</persName> bey sich, dem er <choice><abbr><persName xml:id="TidB11420" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10000" ref="http://d-nb.info/gnd/129906689">Ill<hi rendition="#sup"><hi rendition="#u">mi</hi></hi></persName></abbr><expan>Illustrissimi</expan></choice> gute Conduite wegen des Spiele<unclear reason="covered">s</unclear><lb/>
und Soupirens anrühmete. Der übrige gantze Discours roulirte auf<lb/>
denen Reichs- und Oesterreichischen Erbschafts-Sachen, da denn der <persName xml:id="TidB11421" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10036" ref="http://d-nb.info/gnd/116725982">Nuncius</persName> <unclear reason="covered">für</unclear><lb/>
beyde Materien vor Rätzelhaft und also <add place="superlinear">beschaffen</add> erklährte, daß man der Providen<unclear reason="covered">z</unclear><lb/>
disfals alles zu überlaßen habe. Beym Abschied ließ er sich zwar in<lb/>
der antichambre von fernern Begleiten durch vieles Nöthigen zurüc<unclear reason="covered">k-</unclear><lb/>
halten, schickte aber einen von seinen Haus-Abbés mit uns bis an <unclear reason="covered">den</unclear><lb/>
Wagen. Wir besuchten darauf die <name type="subjectIndexTerm" xml:id="TidB11422" corresp="register.xml#regID_502.lemID_12284">Printzen von Heßen</name>, bey welchen s<unclear reason="covered">ich</unclear><lb/>
auch der von <persName xml:id="TidB11423" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12299">Schwartzburg</persName> befand, und hatten mancherley Entretiens<lb/>
mit ihnen, <choice><abbr>sonderl:</abbr><expan>sonderlich</expan></choice> war der <persName xml:id="TidB11424" corresp="register.xml#regID_37.lemID_12320"><add place="superlinear">Hessische</add> Erb-Printz</persName> von denen Cameral<del rendition="#s">i</del> Umständen<lb/>
seines Hauses sehr offenhertzig, und declarirte, wie er die feste Resolu<unclear reason="covered">-</unclear><lb/>
tion gefaßt habe, seine Ausgabe dereinst schlechterdings nach der Einnah<unclear reason="covered">me</unclear><lb/>
zu richten, und weder des Exempel anderer seines gleichen, noch sonst irge<unclear reason="covered">nd-</unclear><lb/>
etwas zum Regulatio zu nehmen, schien auch, aus eben diesem Grund<unclear reason="covered">e</unclear><lb/>
mit der hiesigen Einrichtung gar nicht vergnügt zu seyn. Von seiner ehegestri<unclear reason="covered">gen</unclear>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0119] theils mit Knötgen machen, wir aber mit ein und andern discoursen, theils mit einem gewissen Abbé, welcher zwar der Constitution zugethan war, die gewaltsammen Mittel aber, wodurch man die Leute zu deren Annehmung nötiget, keines wegs approbirete, theils mit dem Päbstl: Nuncio Msgr. Crescenci, welcher nebst dem Venetianischen Ambassadeur u. dem Duc d‘ Humiere sich gegen Abend zur Visite einfand, u. gegen die frantzöl. Lebens-Art was das Spielen und Soupiren betrift, recht ernstlich eiferte, Illmo auch, daß sie_ sich dieser Lebens-Art nicht submittirten, ein besonders Eloge beylegte, dergl: bedauerte er die Erziehung derer frantzöl. jungen Hhl., welche von nichts, als vom Spiel und von Frauen-Zimmer zu reden wüsten, und, wenn man sie auf etwas Serieuses bringen wolte, stummer wären, als die Fische. Wir danckten ihm vor seine Bestärckung in unsrer bisherigen praxi, und wurden dagegen von ihm versichert, daß, wenn wir nach Italien reisen wolten, man uns ohne die geringste Contrainte wegen des Spiels, in allen großen Häusern mit Freuden aufnehmen würde. Der Nuncius ist 44 Jahr alt, und siehet überaus wohl, auch mehr teutsch oder frantzöl:, als Italiänisch aus, spricht aber nicht zum besten Frantzö- sisch. Von hier fuhren wir noch in das Montbrunische Haus, und wurden von der Marquise mit der Bekehrungs-Geschichte eines reformirten Uhrmachers entre- teniret, welcher, wie sie sagte, durch besondre göttl: Schickung in Neuily kranck u. als ein verlaßener Frembder von ihr besuchet worden, da sie denn, nebst veranstalteter leibl: Wartung, auch vor seinen Seelen-Zustand gesorget, und ihm einen rechtschaffenen Geistlichen zu gewiesen, der ihn in allen Stücken von der Wahrheit der catholischen Religion, den eintzigen Articul von der trans- substantiation, oder wie sie es nennte de la presence reelle ausgenommen, über zeuget habe; wie denn der Mensch nunmehro gesund, und in einem solchen Zustande sey, daß man sichre Hofnung habe, ihn nicht nur als einen äußer- lich, sondern auch der realitaet nach catholischen Christen, in kurtzem zu produ- ciren. Unsre letzte Visite war noch bey spätem Abend bey dem Duc de Tre- mouille, wir trafen aber denselben so wenig, als den Mr: de la Tour- nelle, vor deßen Wohnung unsre Retour nach dem Hotel vorbeyging, zu Hause an. Den 13 Jan: Heute statteten wir unsern Besuch bey dem Päbstl: Nuncio ab. Er empfing uns ungemein höflich und freundl: und hatte den Bischof von Bethlehem Louis de la Taste bey sich, dem er Illmi gute Conduite wegen des Spieles und Soupirens anrühmete. Der übrige gantze Discours roulirte auf denen Reichs- und Oesterreichischen Erbschafts-Sachen, da denn der Nuncius für beyde Materien vor Rätzelhaft und also beschaffen erklährte, daß man der Providenz disfals alles zu überlaßen habe. Beym Abschied ließ er sich zwar in der antichambre von fernern Begleiten durch vieles Nöthigen zurück- halten, schickte aber einen von seinen Haus-Abbés mit uns bis an den Wagen. Wir besuchten darauf die Printzen von Heßen, bey welchen sich auch der von Schwartzburg befand, und hatten mancherley Entretiens mit ihnen, sonderl: war der Hessische Erb-Printz von denen Cameral Umständen seines Hauses sehr offenhertzig, und declarirte, wie er die feste Resolu- tion gefaßt habe, seine Ausgabe dereinst schlechterdings nach der Einnahme zu richten, und weder des Exempel anderer seines gleichen, noch sonst irgend- etwas zum Regulatio zu nehmen, schien auch, aus eben diesem Grunde mit der hiesigen Einrichtung gar nicht vergnügt zu seyn. Von seiner ehegestrigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/119
Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/119>, abgerufen am 14.08.2024.