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[Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756.

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DER WUNSCH.

DÜrft' ich vom Schiksal die Erfüllung meines
einigen Wunsches hoffen; denn sonst sind meine
Wünsche Träume, ich wache auf und weiss
nicht, dass ich geträumt habe, es sey denn ein
Wunsch für andrer Glük; dürft' ich vom Schiksal
dieses hoffen, dann wünscht ich mir nicht Ueber-
fluss, auch nicht über Brüder zu herrschen, nicht
dass entfernte Länder meinen Namen nennen.
O könnt' ich unbekannt und still, fern vom Ge-
tümmel der Stadt, wo dem Redlichen unaus-
weichliche Fallstrike gewebt sind, wo Sitten und
Verhältnisse tausend Thorheiten adeln, könnt' ich
in einsamer Gegend mein Leben ruhig wandeln,
im kleinen Landhaus, beym ländlichen Garten,
unbeneidet und unbemerkt!

Im grünen Schatten wölbender Nuss bäume stün-
de dann mein einsames Haus, vor dessen Fenstern

DER WUNSCH.

DÜrft’ ich vom Schikſal die Erfüllung meines
einigen Wunſches hoffen; denn ſonſt ſind meine
Wünſche Träume, ich wache auf und weiſs
nicht, daſs ich geträumt habe, es ſey denn ein
Wunſch für andrer Glük; dürft’ ich vom Schikſal
dieſes hoffen, dann wünſcht ich mir nicht Ueber-
fluſs, auch nicht über Brüder zu herrſchen, nicht
daſs entfernte Länder meinen Namen nennen.
O könnt’ ich unbekannt und ſtill, fern vom Ge-
tümmel der Stadt, wo dem Redlichen unaus-
weichliche Fallſtrike gewebt ſind, wo Sitten und
Verhältniſſe tauſend Thorheiten adeln, könnt’ ich
in einſamer Gegend mein Leben ruhig wandeln,
im kleinen Landhaus, beym ländlichen Garten,
unbeneidet und unbemerkt!

Im grünen Schatten wölbender Nuſs bäume ſtün-
de dann mein einſames Haus, vor deſſen Fenſtern

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[120/0125] DER WUNSCH. DÜrft’ ich vom Schikſal die Erfüllung meines einigen Wunſches hoffen; denn ſonſt ſind meine Wünſche Träume, ich wache auf und weiſs nicht, daſs ich geträumt habe, es ſey denn ein Wunſch für andrer Glük; dürft’ ich vom Schikſal dieſes hoffen, dann wünſcht ich mir nicht Ueber- fluſs, auch nicht über Brüder zu herrſchen, nicht daſs entfernte Länder meinen Namen nennen. O könnt’ ich unbekannt und ſtill, fern vom Ge- tümmel der Stadt, wo dem Redlichen unaus- weichliche Fallſtrike gewebt ſind, wo Sitten und Verhältniſſe tauſend Thorheiten adeln, könnt’ ich in einſamer Gegend mein Leben ruhig wandeln, im kleinen Landhaus, beym ländlichen Garten, unbeneidet und unbemerkt! Im grünen Schatten wölbender Nuſs bäume ſtün- de dann mein einſames Haus, vor deſſen Fenſtern

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Zitationshilfe: [Geßner, Salomon]: Idyllen. Zürich, 1756, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gessner_idyllen_1756/125>, abgerufen am 30.12.2024.