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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834.

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Erfindung der Wassersäulenmaschinen.
§. 254.

Die Erfindung der Wassersäulenmaschinen (machines a colonne d'eau) wel-
che wir der neuern Zeit verdanken, ist in dieser Hinsicht vorzüglich für unsern Berg-
bau von grösster Wichtigkeit, weil sie allein das Mittel darbietet, selbst das grösste Ge-
fälle durch eine Maschine zu benützen, welche einen nur sehr geringen Raum ein-
nimmt, und wobei ein sehr vortheilhaftes Verhältniss des Kraftaufwan-
des zum Effekte
eintritt. Der Herr Bergkommissionsrath F. G. Busse führt in seiner:
"Betrachtung der Winterschmidt- und Hell'schen Wassersäulenmaschine nebst Vor-
"schlägen zu ihrer Verbesserung" Freiberg 1804, §. 15 an, dass in Frankreich Denisard
und de la Duaille im Jahre 1731 eine Maschine erbauten, die zu den Wassersäulenma-
schinen allerdings gehört, da ein Quellwasser, indem man es durch eine Fallröhre von
9 Fuss Tiefe niedergehen liess, zur Betreibung eines Kolbens benutzt wurde, der unge-
fähr den zwanzigsten Theil dieses Wassers um 32 Fuss höher trieb, als die Quelle selbst
lag. Diese Maschine ist in dem Recueil des machines approuvees par l' Acad. Roy. des
sciences, Tom. V. pag.
259 und eben so auch in der Architecture hydraulique par Beli-
dor, Tom. II. Livre IV.
§. 1787. sq. beschrieben.

Nach Herrn Busse soll der Braunschweig'sche Artilleriemajor Winterschmidt der
erste gewesen seyn, welcher eine Wassersäulenmaschine entwarf und in den Bergwerken
am Harze wirklich ausführte. Diese Maschine entsprach jedoch ihrem Erfolge nicht und
wurde bald wieder abgebaut. Es gebührt also dem Oberkunstmeister Joseph Karl Hell zu
Schemnitz in Ungarn das Verdienst, bereits im Jahre 1749 die von ihm einige Jahre frü-
her, wahrscheinlich ohne Kenntniss der obengenannten Maschinen, erfundene Wassersäu-
lenmaschine in dem Leopoldi-Schachte zu Schemnitz erbaut zu haben. Die Leistung die-
ser Maschine wurde als so vorzüglich anerkannt, dass in kurzer Zeit noch sieben andere
Wassersäulenmaschinen errichtet, und die frühern Wasserhebungskünste abgebaut wurden.
In spätern Jahren sind solche Maschinen in mehreren Bergwerksbezirken in den öster-
reichischen Staaten, zu Freiberg in Sachsen und an andern Orten in Deutschland, in
England und Frankreich erbaut worden. Eine der vorzüglichsten Maschinen dieser Art
ist unstreitig jene, welche Herr von Reichenbach zur Hebung der Soolenleitung in Ill-
sang
in Bayern anlegte.

§. 255.

Jede Wassersäulenmaschine besteht aus dem Einfallrohre, wodurch die Auf-
schlagewässer zugeleitet und in den Treibzylinder geführt werden; in diesem Zylin-
der befindet sich ein gut schliessender Kolben, der durch den bedeutenden Druck der
Wassersäule in die Höhe gepresst wird, und bei seinem Emporsteigen die Zug- oder
Schachtstange mehrerer Kunstsätze oder Saug- und Druckwerke in Bewegung setzt. Ist
der Kolben auf seinem höchsten Standpunkte [a]ngelangt, so wird das Wasser aus dem
Treibzylinder abgelassen, und der Kolben geht mit dem Schachtgestänge bis zu seinem
tiefsten Punkte gewöhnlich von selbst herab. Dort angelangt wird das Aufschlagwasser neu-
erdings unter den Kolben gelassen, und so geht das Spiel fort. Die Regulirung dieses
Spieles wird durch die Steuerung bewirkt, welche also abwechselnd das Aufschlag-
wasser mit dem Treibzylinder in Verbindung setzt, und wenn der Kolben seinen höch-

Erfindung der Wassersäulenmaschinen.
§. 254.

Die Erfindung der Wassersäulenmaschinen (machines à colonne d’eau) wel-
che wir der neuern Zeit verdanken, ist in dieser Hinsicht vorzüglich für unsern Berg-
bau von grösster Wichtigkeit, weil sie allein das Mittel darbietet, selbst das grösste Ge-
fälle durch eine Maschine zu benützen, welche einen nur sehr geringen Raum ein-
nimmt, und wobei ein sehr vortheilhaftes Verhältniss des Kraftaufwan-
des zum Effekte
eintritt. Der Herr Bergkommissionsrath F. G. Busse führt in seiner:
„Betrachtung der Winterschmidt- und Hell’schen Wassersäulenmaschine nebst Vor-
„schlägen zu ihrer Verbesserung“ Freiberg 1804, §. 15 an, dass in Frankreich Denisard
und de la Duaille im Jahre 1731 eine Maschine erbauten, die zu den Wassersäulenma-
schinen allerdings gehört, da ein Quellwasser, indem man es durch eine Fallröhre von
9 Fuss Tiefe niedergehen liess, zur Betreibung eines Kolbens benutzt wurde, der unge-
fähr den zwanzigsten Theil dieses Wassers um 32 Fuss höher trieb, als die Quelle selbst
lag. Diese Maschine ist in dem Recueil des machines approuvées par l’ Acad. Roy. des
sciences, Tom. V. pag.
259 und eben so auch in der Architecture hydraulique par Beli-
dor, Tom. II. Livre IV.
§. 1787. sq. beschrieben.

Nach Herrn Busse soll der Braunschweig’sche Artilleriemajor Winterschmidt der
erste gewesen seyn, welcher eine Wassersäulenmaschine entwarf und in den Bergwerken
am Harze wirklich ausführte. Diese Maschine entsprach jedoch ihrem Erfolge nicht und
wurde bald wieder abgebaut. Es gebührt also dem Oberkunstmeister Joseph Karl Hell zu
Schemnitz in Ungarn das Verdienst, bereits im Jahre 1749 die von ihm einige Jahre frü-
her, wahrscheinlich ohne Kenntniss der obengenannten Maschinen, erfundene Wassersäu-
lenmaschine in dem Leopoldi-Schachte zu Schemnitz erbaut zu haben. Die Leistung die-
ser Maschine wurde als so vorzüglich anerkannt, dass in kurzer Zeit noch sieben andere
Wassersäulenmaschinen errichtet, und die frühern Wasserhebungskünste abgebaut wurden.
In spätern Jahren sind solche Maschinen in mehreren Bergwerksbezirken in den öster-
reichischen Staaten, zu Freiberg in Sachsen und an andern Orten in Deutschland, in
England und Frankreich erbaut worden. Eine der vorzüglichsten Maschinen dieser Art
ist unstreitig jene, welche Herr von Reichenbach zur Hebung der Soolenleitung in Ill-
sang
in Bayern anlegte.

§. 255.

Jede Wassersäulenmaschine besteht aus dem Einfallrohre, wodurch die Auf-
schlagewässer zugeleitet und in den Treibzylinder geführt werden; in diesem Zylin-
der befindet sich ein gut schliessender Kolben, der durch den bedeutenden Druck der
Wassersäule in die Höhe gepresst wird, und bei seinem Emporsteigen die Zug- oder
Schachtstange mehrerer Kunstsätze oder Saug- und Druckwerke in Bewegung setzt. Ist
der Kolben auf seinem höchsten Standpunkte [a]ngelangt, so wird das Wasser aus dem
Treibzylinder abgelassen, und der Kolben geht mit dem Schachtgestänge bis zu seinem
tiefsten Punkte gewöhnlich von selbst herab. Dort angelangt wird das Aufschlagwasser neu-
erdings unter den Kolben gelassen, und so geht das Spiel fort. Die Regulirung dieses
Spieles wird durch die Steuerung bewirkt, welche also abwechselnd das Aufschlag-
wasser mit dem Treibzylinder in Verbindung setzt, und wenn der Kolben seinen höch-

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[356/0392] Erfindung der Wassersäulenmaschinen. §. 254. Die Erfindung der Wassersäulenmaschinen (machines à colonne d’eau) wel- che wir der neuern Zeit verdanken, ist in dieser Hinsicht vorzüglich für unsern Berg- bau von grösster Wichtigkeit, weil sie allein das Mittel darbietet, selbst das grösste Ge- fälle durch eine Maschine zu benützen, welche einen nur sehr geringen Raum ein- nimmt, und wobei ein sehr vortheilhaftes Verhältniss des Kraftaufwan- des zum Effekte eintritt. Der Herr Bergkommissionsrath F. G. Busse führt in seiner: „Betrachtung der Winterschmidt- und Hell’schen Wassersäulenmaschine nebst Vor- „schlägen zu ihrer Verbesserung“ Freiberg 1804, §. 15 an, dass in Frankreich Denisard und de la Duaille im Jahre 1731 eine Maschine erbauten, die zu den Wassersäulenma- schinen allerdings gehört, da ein Quellwasser, indem man es durch eine Fallröhre von 9 Fuss Tiefe niedergehen liess, zur Betreibung eines Kolbens benutzt wurde, der unge- fähr den zwanzigsten Theil dieses Wassers um 32 Fuss höher trieb, als die Quelle selbst lag. Diese Maschine ist in dem Recueil des machines approuvées par l’ Acad. Roy. des sciences, Tom. V. pag. 259 und eben so auch in der Architecture hydraulique par Beli- dor, Tom. II. Livre IV. §. 1787. sq. beschrieben. Nach Herrn Busse soll der Braunschweig’sche Artilleriemajor Winterschmidt der erste gewesen seyn, welcher eine Wassersäulenmaschine entwarf und in den Bergwerken am Harze wirklich ausführte. Diese Maschine entsprach jedoch ihrem Erfolge nicht und wurde bald wieder abgebaut. Es gebührt also dem Oberkunstmeister Joseph Karl Hell zu Schemnitz in Ungarn das Verdienst, bereits im Jahre 1749 die von ihm einige Jahre frü- her, wahrscheinlich ohne Kenntniss der obengenannten Maschinen, erfundene Wassersäu- lenmaschine in dem Leopoldi-Schachte zu Schemnitz erbaut zu haben. Die Leistung die- ser Maschine wurde als so vorzüglich anerkannt, dass in kurzer Zeit noch sieben andere Wassersäulenmaschinen errichtet, und die frühern Wasserhebungskünste abgebaut wurden. In spätern Jahren sind solche Maschinen in mehreren Bergwerksbezirken in den öster- reichischen Staaten, zu Freiberg in Sachsen und an andern Orten in Deutschland, in England und Frankreich erbaut worden. Eine der vorzüglichsten Maschinen dieser Art ist unstreitig jene, welche Herr von Reichenbach zur Hebung der Soolenleitung in Ill- sang in Bayern anlegte. §. 255. Jede Wassersäulenmaschine besteht aus dem Einfallrohre, wodurch die Auf- schlagewässer zugeleitet und in den Treibzylinder geführt werden; in diesem Zylin- der befindet sich ein gut schliessender Kolben, der durch den bedeutenden Druck der Wassersäule in die Höhe gepresst wird, und bei seinem Emporsteigen die Zug- oder Schachtstange mehrerer Kunstsätze oder Saug- und Druckwerke in Bewegung setzt. Ist der Kolben auf seinem höchsten Standpunkte angelangt, so wird das Wasser aus dem Treibzylinder abgelassen, und der Kolben geht mit dem Schachtgestänge bis zu seinem tiefsten Punkte gewöhnlich von selbst herab. Dort angelangt wird das Aufschlagwasser neu- erdings unter den Kolben gelassen, und so geht das Spiel fort. Die Regulirung dieses Spieles wird durch die Steuerung bewirkt, welche also abwechselnd das Aufschlag- wasser mit dem Treibzylinder in Verbindung setzt, und wenn der Kolben seinen höch-

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Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 3: Beschreibung und Berechnung grösserer Maschinenanlagen. Wien, 1834, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik03_1834/392>, abgerufen am 21.11.2024.