Die Beobachtung, dass die Stosskraft des Wassers gegen unterschlächtige Räder ver- mehrt wird, wenn man dasselbe in Gerinne einschliesst und dadurch das Ab- fliessen neben dem Rade hindert, führte bald auf die Konstrukzion der gegenwärtig übli- chen Mühlgerinne. Man glaubte in diesem Falle, weil das Wasser die Schaufeln nur mit der Differenz der Geschwindigkeit c -- v treffen kann, auch die obige Formel für den Wasserstrahl an die ruhende Schaufel anwenden zu können, wenn man statt c den genannten Unterschied der Geschwindigkeiten c -- v setzt, wo c die Geschwindigkeit des Wassers und v jene des Rades bezeichnet. Hiernach würde der Stoss in einem sol- chen Gerinne =
[Formel 1]
seyn.
Parent stellte diese Formel für die Stosskraft des Wassers in Gerinnen in den Memoires de l' academie des sciences pour l' annee 1704 auf, und rechtfertigte sie bloss dadurch, weil das Wasser die Radschaufeln, die sich mit der Geschwindigkeit v bewe- gen, nur mit dem Uiberschusse seiner Geschwindigkeit oder mit c -- v erreichen könne. Er setzte sonach das Maass der Bewegung oder das Produkt aus der Kraft in die Ge- schwindigkeit der Radschaufeln dem Ausdrucke v (c -- v)2 proporzional und leitete hieraus ab, dass dasselbe ein Maximum wird, wenn v = 1/3 c ist. Diese Bestim- mung widerspricht aber der Erfahrung, welche schon von Mariotte angestellt und seitdem von vielen andern Hydraulikern wiederholt worden; diese zeigte nämlich, dass die Geschwindigkeit für den vortheilhaftesten Betrieb der Mühlen grösser als 2/3 c und beinahe = 1/2 c seyn müsse, wie wir später umständlicher sehen werden. Die Unrichtigkeit hiervon lässt sich aber auch aus der einfachen Betrachtung ableiten, dass die Wassermenge, welche in einer Sekunde in das Schussgerinne fliesst, dem Produkte 56,4 f . c gleich ist und die nämliche bleibt, ob sich das Rad im Schussgerinne geschwind oder langsam bewegt; die zufliessende Wassermenge kann demnach dem Pro- dukte 56,4 f (c -- v) nicht gleich seyn. Wir sehen hieraus, dass die Annahme von Parent, welche zu jener Zeit von den meisten hydraulischen Schriftstellern angenommen wurde, sowohl von der Erfahrung als von der Theorie widerlegt werde.
Um in dieser Hinsicht einen verlässigern Maasstab für die vortheilhafteste Geschwin- digkeit eines Wasserrades und für das Maass des grössten mechanischen Momentes zu er- halten, haben schon gegen das Ende des verflossenen Jahrhundertes Smeaton und Bossut Versuche angestellt, hierbei ein möglichst genau passendes kleines Rad in ein Mühlgerinne gestellt, an der Welle desselben eine Schnur befestigt und die Ge- wichte untersucht, welche von diesem Rädchen bei verschiedenen Geschwindigkeiten des Wassers aufgezogen wurden. Aus der Vergleichung der auf eine bestimmte Höhe aufgezogenen Gewichte und der hierzu erforderlichen Zeit, sollte der Maasstab für das in jedem Falle bewirkte Bewegungsmoment und für die vortheilhafteste Benützung des Wassers abgeleitet werden. Man konnte jedoch die gefundenen Resultate mit einander nicht in Uibereinstimmung bringen, indem die Werthe von Bossut der halben Geschwin- digkeit, jene von Smeaton aber dem Drittel der Geschwindigkeit am nächsten kamen.
Stoss des Wassers in Gerinnen.
§. 258.
Die Beobachtung, dass die Stosskraft des Wassers gegen unterschlächtige Räder ver- mehrt wird, wenn man dasselbe in Gerinne einschliesst und dadurch das Ab- fliessen neben dem Rade hindert, führte bald auf die Konstrukzion der gegenwärtig übli- chen Mühlgerinne. Man glaubte in diesem Falle, weil das Wasser die Schaufeln nur mit der Differenz der Geschwindigkeit c — v treffen kann, auch die obige Formel für den Wasserstrahl an die ruhende Schaufel anwenden zu können, wenn man statt c den genannten Unterschied der Geschwindigkeiten c — v setzt, wo c die Geschwindigkeit des Wassers und v jene des Rades bezeichnet. Hiernach würde der Stoss in einem sol- chen Gerinne =
[Formel 1]
seyn.
Parent stellte diese Formel für die Stosskraft des Wassers in Gerinnen in den Mémoires de l’ academie des sciences pour l’ année 1704 auf, und rechtfertigte sie bloss dadurch, weil das Wasser die Radschaufeln, die sich mit der Geschwindigkeit v bewe- gen, nur mit dem Uiberschusse seiner Geschwindigkeit oder mit c — v erreichen könne. Er setzte sonach das Maass der Bewegung oder das Produkt aus der Kraft in die Ge- schwindigkeit der Radschaufeln dem Ausdrucke v (c — v)2 proporzional und leitete hieraus ab, dass dasselbe ein Maximum wird, wenn v = ⅓ c ist. Diese Bestim- mung widerspricht aber der Erfahrung, welche schon von Mariotte angestellt und seitdem von vielen andern Hydraulikern wiederholt worden; diese zeigte nämlich, dass die Geschwindigkeit für den vortheilhaftesten Betrieb der Mühlen grösser als ⅔ c und beinahe = ½ c seyn müsse, wie wir später umständlicher sehen werden. Die Unrichtigkeit hiervon lässt sich aber auch aus der einfachen Betrachtung ableiten, dass die Wassermenge, welche in einer Sekunde in das Schussgerinne fliesst, dem Produkte 56,4 f . c gleich ist und die nämliche bleibt, ob sich das Rad im Schussgerinne geschwind oder langsam bewegt; die zufliessende Wassermenge kann demnach dem Pro- dukte 56,4 f (c — v) nicht gleich seyn. Wir sehen hieraus, dass die Annahme von Parent, welche zu jener Zeit von den meisten hydraulischen Schriftstellern angenommen wurde, sowohl von der Erfahrung als von der Theorie widerlegt werde.
Um in dieser Hinsicht einen verlässigern Maasstab für die vortheilhafteste Geschwin- digkeit eines Wasserrades und für das Maass des grössten mechanischen Momentes zu er- halten, haben schon gegen das Ende des verflossenen Jahrhundertes Smeaton und Bossut Versuche angestellt, hierbei ein möglichst genau passendes kleines Rad in ein Mühlgerinne gestellt, an der Welle desselben eine Schnur befestigt und die Ge- wichte untersucht, welche von diesem Rädchen bei verschiedenen Geschwindigkeiten des Wassers aufgezogen wurden. Aus der Vergleichung der auf eine bestimmte Höhe aufgezogenen Gewichte und der hierzu erforderlichen Zeit, sollte der Maasstab für das in jedem Falle bewirkte Bewegungsmoment und für die vortheilhafteste Benützung des Wassers abgeleitet werden. Man konnte jedoch die gefundenen Resultate mit einander nicht in Uibereinstimmung bringen, indem die Werthe von Bossut der halben Geschwin- digkeit, jene von Smeaton aber dem Drittel der Geschwindigkeit am nächsten kamen.
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Stoss des Wassers in Gerinnen.
§. 258.
Die Beobachtung, dass die Stosskraft des Wassers gegen unterschlächtige Räder ver-
mehrt wird, wenn man dasselbe in Gerinne einschliesst und dadurch das Ab-
fliessen neben dem Rade hindert, führte bald auf die Konstrukzion der gegenwärtig übli-
chen Mühlgerinne. Man glaubte in diesem Falle, weil das Wasser die Schaufeln nur
mit der Differenz der Geschwindigkeit c — v treffen kann, auch die obige Formel für
den Wasserstrahl an die ruhende Schaufel anwenden zu können, wenn man statt c den
genannten Unterschied der Geschwindigkeiten c — v setzt, wo c die Geschwindigkeit
des Wassers und v jene des Rades bezeichnet. Hiernach würde der Stoss in einem sol-
chen Gerinne = [FORMEL] seyn.
Parent stellte diese Formel für die Stosskraft des Wassers in Gerinnen in den
Mémoires de l’ academie des sciences pour l’ année 1704 auf, und rechtfertigte sie bloss
dadurch, weil das Wasser die Radschaufeln, die sich mit der Geschwindigkeit v bewe-
gen, nur mit dem Uiberschusse seiner Geschwindigkeit oder mit c — v erreichen könne.
Er setzte sonach das Maass der Bewegung oder das Produkt aus der Kraft in die Ge-
schwindigkeit der Radschaufeln dem Ausdrucke v (c — v)2 proporzional und leitete
hieraus ab, dass dasselbe ein Maximum wird, wenn v = ⅓ c ist. Diese Bestim-
mung widerspricht aber der Erfahrung, welche schon von Mariotte angestellt und
seitdem von vielen andern Hydraulikern wiederholt worden; diese zeigte nämlich,
dass die Geschwindigkeit für den vortheilhaftesten Betrieb der Mühlen grösser als
⅔ c und beinahe = ½ c seyn müsse, wie wir später umständlicher sehen werden. Die
Unrichtigkeit hiervon lässt sich aber auch aus der einfachen Betrachtung ableiten,
dass die Wassermenge, welche in einer Sekunde in das Schussgerinne fliesst, dem
Produkte 56,4 f . c gleich ist und die nämliche bleibt, ob sich das Rad im Schussgerinne
geschwind oder langsam bewegt; die zufliessende Wassermenge kann demnach dem Pro-
dukte 56,4 f (c — v) nicht gleich seyn. Wir sehen hieraus, dass die Annahme von Parent,
welche zu jener Zeit von den meisten hydraulischen Schriftstellern angenommen wurde,
sowohl von der Erfahrung als von der Theorie widerlegt werde.
Um in dieser Hinsicht einen verlässigern Maasstab für die vortheilhafteste Geschwin-
digkeit eines Wasserrades und für das Maass des grössten mechanischen Momentes zu er-
halten, haben schon gegen das Ende des verflossenen Jahrhundertes Smeaton und
Bossut Versuche angestellt, hierbei ein möglichst genau passendes kleines Rad in ein
Mühlgerinne gestellt, an der Welle desselben eine Schnur befestigt und die Ge-
wichte untersucht, welche von diesem Rädchen bei verschiedenen Geschwindigkeiten
des Wassers aufgezogen wurden. Aus der Vergleichung der auf eine bestimmte Höhe
aufgezogenen Gewichte und der hierzu erforderlichen Zeit, sollte der Maasstab für das in
jedem Falle bewirkte Bewegungsmoment und für die vortheilhafteste Benützung des
Wassers abgeleitet werden. Man konnte jedoch die gefundenen Resultate mit einander
nicht in Uibereinstimmung bringen, indem die Werthe von Bossut der halben Geschwin-
digkeit, jene von Smeaton aber dem Drittel der Geschwindigkeit am nächsten kamen.
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Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/364>, abgerufen am 18.12.2024.
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