Beispiel. Es sey die Länge des Mühlarmes I = 600 Klafter, das Gefälle 4 Zoll auf 100 Klafter, demnach h = 4 . 6 Zoll = 2 Fuss. Nehmen wir nun noch die Tiefe des Wassers im Mühlkanale a = 2 Fuss an, so folgt y =
[Formel 1]
= 1/3 Fuss. Das Gefälle des Kanales wird demnach bei der vortheilhaftesten Anlage der Mühle 1/3 Fuss betragen, es bleibt also für die Höhe des Wassers über dem Schweller h -- y = 2 -- 1/3 = 5/3 Fuss übrig. Bezeichnen wir mit b die Breite des im Flussarme angelegten Mühlkanals, so wird die Wassermenge, welche in denselben einfliesst = 0,633 . 2/3 . b . 5/3 .
[Formel 2]
= b . 7,15 seyn, wozu das wirksame Gefälle von 5/3 Fuss kommt. Wie hieraus die übrige Anlage der Mühle berechnet wird, und was für ein Effekt von derselben zu erwarten sey, werden wir im nächsten Kapitel kennen lernen. Wir bemer- ken daher nur noch, dass diese Rechnung in jedem Falle von grosser Wichtigkeit sey, und dass die geringen Leistungen, welche bei so vielen an Flussarmen angelegten Mühlen Statt hatten, häufig aus der Nichtbeobachtung der Resultate, welche solche Rechnungen liefern, entsprungen sind.
§. 221.
Bei den bisherigen Untersuchungen über die gleichförmige Bewegung des Wassers in Flussbetten und Kanälen haben wir immer unter v die mittlere Ge- schwindigkeit des Wassers in dem ganzen Querschnitte f verstanden. Allein diese Geschwindigkeit ist gewöhnlich in den einzelnen Theilen eines Flussprofils ver- schieden und zwar hat man hierüber folgende Beobachtungen gemacht:
Zwischen geraden oder sanft gekrümmten und parallelen Ufern findet man, dass die Geschwindigkeit des Wassers gewöhnlich in der Mitte, wo die grösste Tiefe Statt findet, auch am grössten ist, gegen beide Seiten oder gegen die Ufer aber abnimmt. Die Ursache hiervon wurde bereits Seite 291 dargethan und liegt in dem Umstande, dass die Widerstände der Seitenwände die Bewegung des Wassers seitwärts mehr verhindern, als in der Mitte, wo es auf einer grössern Tiefe fliesst. Man nennt desshalb auch in jedem Flusse den Ort der grössten Geschwindigkeit, die gewöhnlich in der grössten Tiefe Statt findet, den Stromstrich. Bei gerade fortlaufenden oder sanft gekrümmten Flussufern liegt daher der Stromstrich in der Mitte, bei Krümmungen oder Serpentinen aber auf der Seite des konkaven Ufers, welches von der dahingehenden Richtung des Stromes herrührt.
Man hat weiter beobachtet, dass die Oberfläche eines Flusses selten eine gerade Linie bildet; kann das Wasser frei abfliessen, so bildet es nach der Länge des Flusses eine konvexe Oberfläche, wird es aber in seinem Laufe gehemmt oder gestaut, so ent- steht eine konkave Krümmung in dem Wasserspiegel. Man hat ferner beobachtet, dass das Wasser, wenn es in einem Flusse steigt, in der Mitte seines Querprofils höher als an den Ufern steht, wenn es aber fällt, so ist im Gegentheile die Mitte tiefer als beide Ufer; im letztern Falle wird daher das Wasser von den Ufern gegen die Mitte zuströ- men und jene Körper, welche am Ufer eingeworfen werden und am Boden nicht auf- sitzen, werden gegen die Mitte des Flusses getrieben.
38*
Mühlkanäle an Flussarmen.
Beispiel. Es sey die Länge des Mühlarmes I = 600 Klafter, das Gefälle 4 Zoll auf 100 Klafter, demnach h = 4 . 6 Zoll = 2 Fuss. Nehmen wir nun noch die Tiefe des Wassers im Mühlkanale a = 2 Fuss an, so folgt y =
[Formel 1]
= ⅓ Fuss. Das Gefälle des Kanales wird demnach bei der vortheilhaftesten Anlage der Mühle ⅓ Fuss betragen, es bleibt also für die Höhe des Wassers über dem Schweller h — y = 2 — ⅓ = 5/3 Fuss übrig. Bezeichnen wir mit b die Breite des im Flussarme angelegten Mühlkanals, so wird die Wassermenge, welche in denselben einfliesst = 0,633 . ⅔ . b . 5/3 .
[Formel 2]
= b . 7,15 seyn, wozu das wirksame Gefälle von 5/3 Fuss kommt. Wie hieraus die übrige Anlage der Mühle berechnet wird, und was für ein Effekt von derselben zu erwarten sey, werden wir im nächsten Kapitel kennen lernen. Wir bemer- ken daher nur noch, dass diese Rechnung in jedem Falle von grosser Wichtigkeit sey, und dass die geringen Leistungen, welche bei so vielen an Flussarmen angelegten Mühlen Statt hatten, häufig aus der Nichtbeobachtung der Resultate, welche solche Rechnungen liefern, entsprungen sind.
§. 221.
Bei den bisherigen Untersuchungen über die gleichförmige Bewegung des Wassers in Flussbetten und Kanälen haben wir immer unter v die mittlere Ge- schwindigkeit des Wassers in dem ganzen Querschnitte f verstanden. Allein diese Geschwindigkeit ist gewöhnlich in den einzelnen Theilen eines Flussprofils ver- schieden und zwar hat man hierüber folgende Beobachtungen gemacht:
Zwischen geraden oder sanft gekrümmten und parallelen Ufern findet man, dass die Geschwindigkeit des Wassers gewöhnlich in der Mitte, wo die grösste Tiefe Statt findet, auch am grössten ist, gegen beide Seiten oder gegen die Ufer aber abnimmt. Die Ursache hiervon wurde bereits Seite 291 dargethan und liegt in dem Umstande, dass die Widerstände der Seitenwände die Bewegung des Wassers seitwärts mehr verhindern, als in der Mitte, wo es auf einer grössern Tiefe fliesst. Man nennt desshalb auch in jedem Flusse den Ort der grössten Geschwindigkeit, die gewöhnlich in der grössten Tiefe Statt findet, den Stromstrich. Bei gerade fortlaufenden oder sanft gekrümmten Flussufern liegt daher der Stromstrich in der Mitte, bei Krümmungen oder Serpentinen aber auf der Seite des konkaven Ufers, welches von der dahingehenden Richtung des Stromes herrührt.
Man hat weiter beobachtet, dass die Oberfläche eines Flusses selten eine gerade Linie bildet; kann das Wasser frei abfliessen, so bildet es nach der Länge des Flusses eine konvexe Oberfläche, wird es aber in seinem Laufe gehemmt oder gestaut, so ent- steht eine konkave Krümmung in dem Wasserspiegel. Man hat ferner beobachtet, dass das Wasser, wenn es in einem Flusse steigt, in der Mitte seines Querprofils höher als an den Ufern steht, wenn es aber fällt, so ist im Gegentheile die Mitte tiefer als beide Ufer; im letztern Falle wird daher das Wasser von den Ufern gegen die Mitte zuströ- men und jene Körper, welche am Ufer eingeworfen werden und am Boden nicht auf- sitzen, werden gegen die Mitte des Flusses getrieben.
38*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0317"n="299"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#i">Mühlkanäle an Flussarmen</hi>.</fw><lb/><p><hirendition="#g">Beispiel</hi>. Es sey die Länge des Mühlarmes I = 600 Klafter, das Gefälle 4 Zoll<lb/>
auf 100 Klafter, demnach h = 4 . 6 Zoll = 2 Fuss. Nehmen wir nun noch die Tiefe<lb/>
des Wassers im Mühlkanale a = 2 Fuss an, so folgt y = <formula/> = ⅓ Fuss. Das<lb/>
Gefälle des Kanales wird demnach bei der vortheilhaftesten Anlage der Mühle ⅓ Fuss<lb/>
betragen, es bleibt also für die Höhe des Wassers über dem Schweller<lb/>
h — y = 2 —⅓ = 5/3 Fuss übrig. Bezeichnen wir mit b die Breite des im Flussarme<lb/>
angelegten Mühlkanals, so wird die Wassermenge, welche in denselben einfliesst<lb/>
= 0,<hirendition="#sub">633</hi> . ⅔ . b . 5/3 . <formula/> = b . 7,<hirendition="#sub">15</hi> seyn, wozu das wirksame Gefälle von 5/3 Fuss kommt.<lb/>
Wie hieraus die übrige Anlage der Mühle berechnet wird, und was für ein Effekt von<lb/>
derselben zu erwarten sey, werden wir im nächsten Kapitel kennen lernen. Wir bemer-<lb/>
ken daher nur noch, dass diese Rechnung in jedem Falle von grosser Wichtigkeit sey,<lb/>
und dass die geringen Leistungen, welche bei so vielen an Flussarmen angelegten Mühlen<lb/>
Statt hatten, häufig aus der Nichtbeobachtung der Resultate, welche solche Rechnungen<lb/>
liefern, entsprungen sind.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 221.</head><lb/><p>Bei den bisherigen Untersuchungen über die <hirendition="#g">gleichförmige Bewegung</hi> des<lb/>
Wassers in Flussbetten und Kanälen haben wir immer unter v die <hirendition="#g">mittlere Ge-<lb/>
schwindigkeit des Wassers</hi> in dem ganzen Querschnitte f verstanden. Allein<lb/>
diese Geschwindigkeit ist gewöhnlich in den einzelnen Theilen eines Flussprofils ver-<lb/>
schieden und zwar hat man hierüber folgende Beobachtungen gemacht:</p><lb/><p>Zwischen geraden oder sanft gekrümmten und parallelen Ufern findet man, dass die<lb/>
Geschwindigkeit des Wassers gewöhnlich in der <hirendition="#g">Mitte</hi>, wo die grösste Tiefe Statt findet,<lb/>
auch <hirendition="#g">am grössten</hi> ist, gegen beide Seiten oder gegen die Ufer aber abnimmt. Die<lb/>
Ursache hiervon wurde bereits Seite 291 dargethan und liegt in dem Umstande, dass die<lb/>
Widerstände der Seitenwände die Bewegung des Wassers seitwärts mehr verhindern, als<lb/>
in der Mitte, wo es auf einer grössern Tiefe fliesst. Man nennt desshalb auch in jedem<lb/>
Flusse den Ort der grössten Geschwindigkeit, die gewöhnlich in der grössten Tiefe Statt<lb/>
findet, den <hirendition="#g">Stromstrich</hi>. Bei gerade fortlaufenden oder sanft gekrümmten Flussufern<lb/>
liegt daher der Stromstrich in der Mitte, bei Krümmungen oder Serpentinen aber auf<lb/>
der Seite des konkaven Ufers, welches von der dahingehenden Richtung des Stromes<lb/>
herrührt.</p><lb/><p>Man hat weiter beobachtet, dass die Oberfläche eines Flusses selten eine gerade<lb/>
Linie bildet; kann das Wasser frei abfliessen, so bildet es nach der Länge des Flusses<lb/>
eine konvexe Oberfläche, wird es aber in seinem Laufe gehemmt oder gestaut, so ent-<lb/>
steht eine konkave Krümmung in dem Wasserspiegel. Man hat ferner beobachtet, dass<lb/>
das Wasser, wenn es in einem Flusse steigt, in der Mitte seines Querprofils höher als<lb/>
an den Ufern steht, wenn es aber fällt, so ist im Gegentheile die Mitte tiefer als beide<lb/>
Ufer; im letztern Falle wird daher das Wasser von den Ufern gegen die Mitte zuströ-<lb/>
men und jene Körper, welche am Ufer eingeworfen werden und am Boden nicht auf-<lb/>
sitzen, werden gegen die Mitte des Flusses getrieben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">38*</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[299/0317]
Mühlkanäle an Flussarmen.
Beispiel. Es sey die Länge des Mühlarmes I = 600 Klafter, das Gefälle 4 Zoll
auf 100 Klafter, demnach h = 4 . 6 Zoll = 2 Fuss. Nehmen wir nun noch die Tiefe
des Wassers im Mühlkanale a = 2 Fuss an, so folgt y = [FORMEL] = ⅓ Fuss. Das
Gefälle des Kanales wird demnach bei der vortheilhaftesten Anlage der Mühle ⅓ Fuss
betragen, es bleibt also für die Höhe des Wassers über dem Schweller
h — y = 2 — ⅓ = 5/3 Fuss übrig. Bezeichnen wir mit b die Breite des im Flussarme
angelegten Mühlkanals, so wird die Wassermenge, welche in denselben einfliesst
= 0,633 . ⅔ . b . 5/3 . [FORMEL] = b . 7,15 seyn, wozu das wirksame Gefälle von 5/3 Fuss kommt.
Wie hieraus die übrige Anlage der Mühle berechnet wird, und was für ein Effekt von
derselben zu erwarten sey, werden wir im nächsten Kapitel kennen lernen. Wir bemer-
ken daher nur noch, dass diese Rechnung in jedem Falle von grosser Wichtigkeit sey,
und dass die geringen Leistungen, welche bei so vielen an Flussarmen angelegten Mühlen
Statt hatten, häufig aus der Nichtbeobachtung der Resultate, welche solche Rechnungen
liefern, entsprungen sind.
§. 221.
Bei den bisherigen Untersuchungen über die gleichförmige Bewegung des
Wassers in Flussbetten und Kanälen haben wir immer unter v die mittlere Ge-
schwindigkeit des Wassers in dem ganzen Querschnitte f verstanden. Allein
diese Geschwindigkeit ist gewöhnlich in den einzelnen Theilen eines Flussprofils ver-
schieden und zwar hat man hierüber folgende Beobachtungen gemacht:
Zwischen geraden oder sanft gekrümmten und parallelen Ufern findet man, dass die
Geschwindigkeit des Wassers gewöhnlich in der Mitte, wo die grösste Tiefe Statt findet,
auch am grössten ist, gegen beide Seiten oder gegen die Ufer aber abnimmt. Die
Ursache hiervon wurde bereits Seite 291 dargethan und liegt in dem Umstande, dass die
Widerstände der Seitenwände die Bewegung des Wassers seitwärts mehr verhindern, als
in der Mitte, wo es auf einer grössern Tiefe fliesst. Man nennt desshalb auch in jedem
Flusse den Ort der grössten Geschwindigkeit, die gewöhnlich in der grössten Tiefe Statt
findet, den Stromstrich. Bei gerade fortlaufenden oder sanft gekrümmten Flussufern
liegt daher der Stromstrich in der Mitte, bei Krümmungen oder Serpentinen aber auf
der Seite des konkaven Ufers, welches von der dahingehenden Richtung des Stromes
herrührt.
Man hat weiter beobachtet, dass die Oberfläche eines Flusses selten eine gerade
Linie bildet; kann das Wasser frei abfliessen, so bildet es nach der Länge des Flusses
eine konvexe Oberfläche, wird es aber in seinem Laufe gehemmt oder gestaut, so ent-
steht eine konkave Krümmung in dem Wasserspiegel. Man hat ferner beobachtet, dass
das Wasser, wenn es in einem Flusse steigt, in der Mitte seines Querprofils höher als
an den Ufern steht, wenn es aber fällt, so ist im Gegentheile die Mitte tiefer als beide
Ufer; im letztern Falle wird daher das Wasser von den Ufern gegen die Mitte zuströ-
men und jene Körper, welche am Ufer eingeworfen werden und am Boden nicht auf-
sitzen, werden gegen die Mitte des Flusses getrieben.
38*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/317>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.