Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Zusammenziehung in kurzen Ansatzröhren.

Bei dem ersten Versuche trennte sich der Wasserstrahl von den Wänden, welches
gewöhnlich der Fall ist, wenn die Länge der Röhren nur 11/2 bis 2 Mal so gross als
der Durchmesser derselben ist. Beträgt die Röhrenlänge 2 bis 4 Mal so viel, als der
Durchmesser, so fliesst das Wasser in der äusseren Oeffnung voll, und die ausfliessende
Wassermenge ist beiläufig mit 0,8125 f . t . 2 sqrt g . h anzunehmen. Beträgt aber die Röhren-
länge mehr als das vierfache des Durchmessers, so vermindert die Reibung an den
Wänden den Ausfluss, und es treten jetzt Gesetze ein, welche wir im folgenden Kapitel
näher kennen lernen werden.

§. 108.

Um über die Zusammenziehung des Wassers in kurzen Ansatzröhren einen Auf-
schluss zu erhalten, hat mein Vater bereits im Oktober 1802 in Horzowitz folgende
Versuche angestellt: Er liess ein konisches hölzernes Fass A B C D, dessen obererFig.
12
und
13.
Tab.
46.

Durchmesser 253/4 Zoll, der untere 211/4 Zoll und die Höhe 30 Zoll betrug, verfertigen
und brachte an dasselbe eine blecherne Ansatzröhre a b c d von 51/2 Zoll Länge und 1 7/8
Zoll im Durchmesser an. An diese Röhre wurde oben, wie der Durchschnitt Fig. 13
zeigt, ein krummgebogenes blechernes Rohr e f g h und in dasselbe bei h ein Glas-
rohr luftdicht befestigt. Das Glasrohr war an beiden Enden offen und wurde an dem
untern Ende in ein mit Wasser gefülltes Gefäss E F G H gestellt. Alle Dimensionen sind
bei diesem Versuche im böhmischen Masse angeführt, wovon 24 Zoll = 22,5 N. Oe. Zoll.

Vor der Oeffnung a b war innerhalb des Gefässes eine Schütze angebracht, welche
man, nachdem das Gefäss A B C D mit Wasser gefüllt war, aufzog. Das Wasser floss
nun bei c d voll aus und stieg zugleich aus dem untern Gefässe in dem Glasrohre i h
in die Höhe. Itzt wurde von 5 zu 5 Sekunden sowohl die Höhe des Wasserstandes
ober der Oeffnung im Behälter als auch die Höhe, auf welcher das Wasser in der
Röhre i h stehen blieb, angemerkt. Die Resultate der Versuche sind in nachstehen-
der Tabelle enthalten.

[Tabelle]

Bei diesen Versuchen ist zu bemerken, dass das
Ansatzrohr a d von 1 7/8 Zoll Durchmesser absichtlich die
Länge von 5,5 Zoll oder eine grössere Länge als der
doppelte Durchmesser erhielt, damit das Wasser
auch bei c d gewiss voll ausfliessen und in keinem
Falle eine Ablösung desselben an der äussern Oeff-
nung dieser Röhre Statt finden könne. Die Versuche
zeigen daher, dass innerhalb der Röhre a b c d
wirklich eine Zusammenziehung Statt fand; das bei
a b einströmende Wasser hat nämlich einen Theil
der Luft zwischen a d und dem Wasserstrahl in der
Röhre mit fortgerissen und dadurch die Wasser-
menge in der Röhre so weit vermindert, bis die
Triebkraft des Wassers der Ansaughöhe m n in dem
gläsernen Rohre gleich war. Diese Triebkraft wurde

Zusammenziehung in kurzen Ansatzröhren.

Bei dem ersten Versuche trennte sich der Wasserstrahl von den Wänden, welches
gewöhnlich der Fall ist, wenn die Länge der Röhren nur 1½ bis 2 Mal so gross als
der Durchmesser derselben ist. Beträgt die Röhrenlänge 2 bis 4 Mal so viel, als der
Durchmesser, so fliesst das Wasser in der äusseren Oeffnung voll, und die ausfliessende
Wassermenge ist beiläufig mit 0,8125 f . t . 2 √ g . h anzunehmen. Beträgt aber die Röhren-
länge mehr als das vierfache des Durchmessers, so vermindert die Reibung an den
Wänden den Ausfluss, und es treten jetzt Gesetze ein, welche wir im folgenden Kapitel
näher kennen lernen werden.

§. 108.

Um über die Zusammenziehung des Wassers in kurzen Ansatzröhren einen Auf-
schluss zu erhalten, hat mein Vater bereits im Oktober 1802 in Horžowitz folgende
Versuche angestellt: Er liess ein konisches hölzernes Fass A B C D, dessen obererFig.
12
und
13.
Tab.
46.

Durchmesser 25¾ Zoll, der untere 21¼ Zoll und die Höhe 30 Zoll betrug, verfertigen
und brachte an dasselbe eine blecherne Ansatzröhre a b c d von 5½ Zoll Länge und 1⅞
Zoll im Durchmesser an. An diese Röhre wurde oben, wie der Durchschnitt Fig. 13
zeigt, ein krummgebogenes blechernes Rohr e f g h und in dasselbe bei h ein Glas-
rohr luftdicht befestigt. Das Glasrohr war an beiden Enden offen und wurde an dem
untern Ende in ein mit Wasser gefülltes Gefäss E F G H gestellt. Alle Dimensionen sind
bei diesem Versuche im böhmischen Masse angeführt, wovon 24 Zoll = 22,5 N. Oe. Zoll.

Vor der Oeffnung a b war innerhalb des Gefässes eine Schütze angebracht, welche
man, nachdem das Gefäss A B C D mit Wasser gefüllt war, aufzog. Das Wasser floss
nun bei c d voll aus und stieg zugleich aus dem untern Gefässe in dem Glasrohre i h
in die Höhe. Itzt wurde von 5 zu 5 Sekunden sowohl die Höhe des Wasserstandes
ober der Oeffnung im Behälter als auch die Höhe, auf welcher das Wasser in der
Röhre i h stehen blieb, angemerkt. Die Resultate der Versuche sind in nachstehen-
der Tabelle enthalten.

[Tabelle]

Bei diesen Versuchen ist zu bemerken, dass das
Ansatzrohr a d von 1⅞ Zoll Durchmesser absichtlich die
Länge von 5,5 Zoll oder eine grössere Länge als der
doppelte Durchmesser erhielt, damit das Wasser
auch bei c d gewiss voll ausfliessen und in keinem
Falle eine Ablösung desselben an der äussern Oeff-
nung dieser Röhre Statt finden könne. Die Versuche
zeigen daher, dass innerhalb der Röhre a b c d
wirklich eine Zusammenziehung Statt fand; das bei
a b einströmende Wasser hat nämlich einen Theil
der Luft zwischen a d und dem Wasserstrahl in der
Röhre mit fortgerissen und dadurch die Wasser-
menge in der Röhre so weit vermindert, bis die
Triebkraft des Wassers der Ansaughöhe m n in dem
gläsernen Rohre gleich war. Diese Triebkraft wurde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0167" n="149"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">Zusammenziehung in kurzen Ansatzröhren.</hi> </fw><lb/>
            <p>Bei dem ersten Versuche trennte sich der Wasserstrahl von den Wänden, welches<lb/>
gewöhnlich der Fall ist, wenn die Länge der Röhren nur 1½ bis 2 Mal so gross als<lb/>
der Durchmesser derselben ist. Beträgt die Röhrenlänge 2 bis 4 Mal so viel, als der<lb/>
Durchmesser, so fliesst das Wasser in der äusseren Oeffnung voll, und die ausfliessende<lb/>
Wassermenge ist beiläufig mit 0,<hi rendition="#sub">8125</hi> f . t . 2 &#x221A; g . h anzunehmen. Beträgt aber die Röhren-<lb/>
länge mehr als das vierfache des Durchmessers, so vermindert die Reibung an den<lb/>
Wänden den Ausfluss, und es treten jetzt Gesetze ein, welche wir im folgenden Kapitel<lb/>
näher kennen lernen werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 108.</head><lb/>
            <p>Um über die Zusammenziehung des Wassers in kurzen Ansatzröhren einen Auf-<lb/>
schluss zu erhalten, hat mein Vater bereits im Oktober 1802 in <hi rendition="#i">Hor&#x017E;owitz</hi> folgende<lb/>
Versuche angestellt: Er liess ein konisches hölzernes Fass A B C D, dessen oberer<note place="right">Fig.<lb/>
12<lb/>
und<lb/>
13.<lb/>
Tab.<lb/>
46.</note><lb/>
Durchmesser 25¾ Zoll, der untere 21¼ Zoll und die Höhe 30 Zoll betrug, verfertigen<lb/>
und brachte an dasselbe eine blecherne Ansatzröhre a b c d von 5½ Zoll Länge und 1&#x215E;<lb/>
Zoll im Durchmesser an. An diese Röhre wurde oben, wie der Durchschnitt Fig. 13<lb/>
zeigt, ein krummgebogenes blechernes Rohr e f g h und in dasselbe bei h ein Glas-<lb/>
rohr luftdicht befestigt. Das Glasrohr war an beiden Enden offen und wurde an dem<lb/>
untern Ende in ein mit Wasser gefülltes Gefäss E F G H gestellt. Alle Dimensionen sind<lb/>
bei diesem Versuche im böhmischen Masse angeführt, wovon 24 Zoll = 22,<hi rendition="#sub">5</hi> N. Oe. Zoll.</p><lb/>
            <p>Vor der Oeffnung a b war innerhalb des Gefässes eine Schütze angebracht, welche<lb/>
man, nachdem das Gefäss A B C D mit Wasser gefüllt war, aufzog. Das Wasser floss<lb/>
nun bei c d voll aus und stieg zugleich aus dem untern Gefässe in dem Glasrohre i h<lb/>
in die Höhe. Itzt wurde von 5 zu 5 Sekunden sowohl die Höhe des Wasserstandes<lb/>
ober der Oeffnung im Behälter als auch die Höhe, auf welcher das Wasser in der<lb/>
Röhre i h stehen blieb, angemerkt. Die Resultate der Versuche sind in nachstehen-<lb/>
der Tabelle enthalten.</p><lb/>
            <table>
              <row>
                <cell/>
              </row>
            </table>
            <p>Bei diesen Versuchen ist zu bemerken, dass das<lb/>
Ansatzrohr a d von 1&#x215E; Zoll Durchmesser absichtlich die<lb/>
Länge von 5,<hi rendition="#sub">5</hi> Zoll oder eine grössere Länge als der<lb/>
doppelte Durchmesser erhielt, damit das Wasser<lb/>
auch bei c d gewiss voll ausfliessen und in keinem<lb/>
Falle eine Ablösung desselben an der äussern Oeff-<lb/>
nung dieser Röhre Statt finden könne. Die Versuche<lb/>
zeigen daher, dass <hi rendition="#g">innerhalb der Röhre</hi> a b c d<lb/>
wirklich eine Zusammenziehung Statt fand; das bei<lb/>
a b einströmende Wasser hat nämlich einen Theil<lb/>
der Luft zwischen a d und dem Wasserstrahl in der<lb/>
Röhre mit fortgerissen und dadurch die Wasser-<lb/>
menge in der Röhre so weit vermindert, bis die<lb/>
Triebkraft des Wassers der Ansaughöhe m n in dem<lb/>
gläsernen Rohre gleich war. Diese Triebkraft wurde<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0167] Zusammenziehung in kurzen Ansatzröhren. Bei dem ersten Versuche trennte sich der Wasserstrahl von den Wänden, welches gewöhnlich der Fall ist, wenn die Länge der Röhren nur 1½ bis 2 Mal so gross als der Durchmesser derselben ist. Beträgt die Röhrenlänge 2 bis 4 Mal so viel, als der Durchmesser, so fliesst das Wasser in der äusseren Oeffnung voll, und die ausfliessende Wassermenge ist beiläufig mit 0,8125 f . t . 2 √ g . h anzunehmen. Beträgt aber die Röhren- länge mehr als das vierfache des Durchmessers, so vermindert die Reibung an den Wänden den Ausfluss, und es treten jetzt Gesetze ein, welche wir im folgenden Kapitel näher kennen lernen werden. §. 108. Um über die Zusammenziehung des Wassers in kurzen Ansatzröhren einen Auf- schluss zu erhalten, hat mein Vater bereits im Oktober 1802 in Horžowitz folgende Versuche angestellt: Er liess ein konisches hölzernes Fass A B C D, dessen oberer Durchmesser 25¾ Zoll, der untere 21¼ Zoll und die Höhe 30 Zoll betrug, verfertigen und brachte an dasselbe eine blecherne Ansatzröhre a b c d von 5½ Zoll Länge und 1⅞ Zoll im Durchmesser an. An diese Röhre wurde oben, wie der Durchschnitt Fig. 13 zeigt, ein krummgebogenes blechernes Rohr e f g h und in dasselbe bei h ein Glas- rohr luftdicht befestigt. Das Glasrohr war an beiden Enden offen und wurde an dem untern Ende in ein mit Wasser gefülltes Gefäss E F G H gestellt. Alle Dimensionen sind bei diesem Versuche im böhmischen Masse angeführt, wovon 24 Zoll = 22,5 N. Oe. Zoll. Fig. 12 und 13. Tab. 46. Vor der Oeffnung a b war innerhalb des Gefässes eine Schütze angebracht, welche man, nachdem das Gefäss A B C D mit Wasser gefüllt war, aufzog. Das Wasser floss nun bei c d voll aus und stieg zugleich aus dem untern Gefässe in dem Glasrohre i h in die Höhe. Itzt wurde von 5 zu 5 Sekunden sowohl die Höhe des Wasserstandes ober der Oeffnung im Behälter als auch die Höhe, auf welcher das Wasser in der Röhre i h stehen blieb, angemerkt. Die Resultate der Versuche sind in nachstehen- der Tabelle enthalten. Bei diesen Versuchen ist zu bemerken, dass das Ansatzrohr a d von 1⅞ Zoll Durchmesser absichtlich die Länge von 5,5 Zoll oder eine grössere Länge als der doppelte Durchmesser erhielt, damit das Wasser auch bei c d gewiss voll ausfliessen und in keinem Falle eine Ablösung desselben an der äussern Oeff- nung dieser Röhre Statt finden könne. Die Versuche zeigen daher, dass innerhalb der Röhre a b c d wirklich eine Zusammenziehung Statt fand; das bei a b einströmende Wasser hat nämlich einen Theil der Luft zwischen a d und dem Wasserstrahl in der Röhre mit fortgerissen und dadurch die Wasser- menge in der Röhre so weit vermindert, bis die Triebkraft des Wassers der Ansaughöhe m n in dem gläsernen Rohre gleich war. Diese Triebkraft wurde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/167
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 2: Mechanik flüssiger Körper. Prag, 1832, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik02_1832/167>, abgerufen am 18.12.2024.