Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Freier Fall der Körper.
zu beschreiben, so würde er sich auch mit dieser Geschwindigkeit gleichförmig fortbe-
wegen, wenn nun nichts mehr auf ihn einwirken würde. Allein die dem Körper eigen-
thümliche Schwere wirkt in der zweiten Sekunde eben so stark, wie in der ersten auf
ihn, sie gibt demnach seiner Bewegung einen gleichen Zusatz wie in der ersten Sekunde,
d. h. sie vermehrt seine Geschwindigkeit wieder um dieselbe Grösse c, er wird sonach
am Ende der zweiten Sekunde die Geschwindigkeit 2 c haben. Würde nun wieder nichts
mehr auf den Körper einwirken, so würde er in jeder folgenden Sekunde den Raum 2 c
beschreiben, die Schwere wirkt aber in der dritten Sekunde eben so stark, wie in der
ersten, d. h. sie gibt ihm am Ende der dritten Sekunde abermal eine Vermehrung der
Geschwindigkeit um c, und da er schon die Geschwindigkeit 2 c hat, so wird der Kör-
per am Ende der dritten Sekunde die Geschwindigkeit 3 c erlangen. Aus demselben
Grunde ist die Geschwindigkeit eines freifallenden Körpers am Ende der vierten Sekun-
de = 4 c, am Ende der fünften Sekunde = 5 c .... Nennen wir daher v die Endgeschwin-
digkeit nach der Zeit t (in Sekunden ausgedrückt) so erhalten wir die Gleichung v = c . t,
worin c die Geschwindigkeit des Körpers am Ende der ersten Sekunde ist.

§. 482.

Der Raum, den ein Körper durch den freien Fall zurücklegt, ist
dem Produkte aus dem Quadrate der dazu nöthigen Zeit in den
mittlern Raum der Zeiteinheit gleich
.

Wir haben gesehen, dass die Geschwindigkeit, welche der Körper am Ende
der 1, 2, 3 .... t Sekunde erhält, = c, 2 c, 3 c ..... t . c sey. Weil aber der
Körper seine Bewegung von der Ruhe anfing, so ist seine anfängliche Geschwindigkeit
= 0, und man hat für die Zunahme der Geschwindigkeiten folgende Progression:

0, c, 2 c, 3 c ..... t . c. Da wir hieraus sehen, dass die Geschwindigkeit gleichför-
mig zunimmt, so können wir zur Bestimmung des Raumes das arithmetische Mittel zwi-
schen der ersten und letzten Geschwindigkeit nehmen, und diese als diejenige betrach-
ten, womit der Körper gleichförmig fortgeht. Die Geschwindigkeit des Körpers ist zu
Anfange des Falles = 0, die Endgeschwindigkeit v = c . t, folglich die mittlere Ge-
schwindigkeit [Formel 1] , und da die Bewegung itzt als gleichförmig betrachtet wird,
so ist der Raum S = dem Produkte aus der Zeit t in die Geschwindigkeit [Formel 2] , oder
S = [Formel 3] .

§. 483.

Um den Raum S einer gleichförmig beschleunigten Bewegung aus der vorstehenden
Gleichung in Zahlen finden zu können, kommt es vor allem darauf an, die Grösse c
oder die Geschwindigkeit, welche der Körper zu Ende der ersten Sekunde erlangt, zu
bestimmen. Diess müsste durch einen Versuch ausgemittelt werden, allein, wie soll
man diesen Versuch anstellen, nachdem ein jeder Körper, wie wir gesehen haben, fort-
während eine grössere Geschwindigkeit erhält, und diess zwar nicht bloss von Sekunde
zu Sekunde, sondern von einem Augenblicke oder Momente seiner Bewegung zum an-

Freier Fall der Körper.
zu beschreiben, so würde er sich auch mit dieser Geschwindigkeit gleichförmig fortbe-
wegen, wenn nun nichts mehr auf ihn einwirken würde. Allein die dem Körper eigen-
thümliche Schwere wirkt in der zweiten Sekunde eben so stark, wie in der ersten auf
ihn, sie gibt demnach seiner Bewegung einen gleichen Zusatz wie in der ersten Sekunde,
d. h. sie vermehrt seine Geschwindigkeit wieder um dieselbe Grösse c, er wird sonach
am Ende der zweiten Sekunde die Geschwindigkeit 2 c haben. Würde nun wieder nichts
mehr auf den Körper einwirken, so würde er in jeder folgenden Sekunde den Raum 2 c
beschreiben, die Schwere wirkt aber in der dritten Sekunde eben so stark, wie in der
ersten, d. h. sie gibt ihm am Ende der dritten Sekunde abermal eine Vermehrung der
Geschwindigkeit um c, und da er schon die Geschwindigkeit 2 c hat, so wird der Kör-
per am Ende der dritten Sekunde die Geschwindigkeit 3 c erlangen. Aus demselben
Grunde ist die Geschwindigkeit eines freifallenden Körpers am Ende der vierten Sekun-
de = 4 c, am Ende der fünften Sekunde = 5 c .... Nennen wir daher v die Endgeschwin-
digkeit nach der Zeit t (in Sekunden ausgedrückt) so erhalten wir die Gleichung v = c . t,
worin c die Geschwindigkeit des Körpers am Ende der ersten Sekunde ist.

§. 482.

Der Raum, den ein Körper durch den freien Fall zurücklegt, ist
dem Produkte aus dem Quadrate der dazu nöthigen Zeit in den
mittlern Raum der Zeiteinheit gleich
.

Wir haben gesehen, dass die Geschwindigkeit, welche der Körper am Ende
der 1, 2, 3 .... t Sekunde erhält, = c, 2 c, 3 c ..... t . c sey. Weil aber der
Körper seine Bewegung von der Ruhe anfing, so ist seine anfängliche Geschwindigkeit
= 0, und man hat für die Zunahme der Geschwindigkeiten folgende Progression:

0, c, 2 c, 3 c ..... t . c. Da wir hieraus sehen, dass die Geschwindigkeit gleichför-
mig zunimmt, so können wir zur Bestimmung des Raumes das arithmetische Mittel zwi-
schen der ersten und letzten Geschwindigkeit nehmen, und diese als diejenige betrach-
ten, womit der Körper gleichförmig fortgeht. Die Geschwindigkeit des Körpers ist zu
Anfange des Falles = 0, die Endgeschwindigkeit v = c . t, folglich die mittlere Ge-
schwindigkeit [Formel 1] , und da die Bewegung itzt als gleichförmig betrachtet wird,
so ist der Raum S = dem Produkte aus der Zeit t in die Geschwindigkeit [Formel 2] , oder
S = [Formel 3] .

§. 483.

Um den Raum S einer gleichförmig beschleunigten Bewegung aus der vorstehenden
Gleichung in Zahlen finden zu können, kommt es vor allem darauf an, die Grösse c
oder die Geschwindigkeit, welche der Körper zu Ende der ersten Sekunde erlangt, zu
bestimmen. Diess müsste durch einen Versuch ausgemittelt werden, allein, wie soll
man diesen Versuch anstellen, nachdem ein jeder Körper, wie wir gesehen haben, fort-
während eine grössere Geschwindigkeit erhält, und diess zwar nicht bloss von Sekunde
zu Sekunde, sondern von einem Augenblicke oder Momente seiner Bewegung zum an-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0566" n="534"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Freier Fall der Körper.</hi></fw><lb/>
zu beschreiben, so würde er sich auch mit dieser Geschwindigkeit gleichförmig fortbe-<lb/>
wegen, wenn nun nichts mehr auf ihn einwirken würde. Allein die dem Körper eigen-<lb/>
thümliche Schwere wirkt in der zweiten Sekunde eben so stark, wie in der ersten auf<lb/>
ihn, sie gibt demnach seiner Bewegung einen gleichen Zusatz wie in der ersten Sekunde,<lb/>
d. h. sie vermehrt seine Geschwindigkeit wieder um dieselbe Grösse c, er wird sonach<lb/>
am Ende der zweiten Sekunde die Geschwindigkeit 2 c haben. Würde nun wieder nichts<lb/>
mehr auf den Körper einwirken, so würde er in jeder folgenden Sekunde den Raum 2 c<lb/>
beschreiben, die Schwere wirkt aber in der dritten Sekunde eben so stark, wie in der<lb/>
ersten, d. h. sie gibt ihm am Ende der dritten Sekunde abermal eine Vermehrung der<lb/>
Geschwindigkeit um c, und da er schon die Geschwindigkeit 2 c hat, so wird der Kör-<lb/>
per am Ende der dritten Sekunde die Geschwindigkeit 3 c erlangen. Aus demselben<lb/>
Grunde ist die Geschwindigkeit eines freifallenden Körpers am Ende der vierten Sekun-<lb/>
de = 4 c, am Ende der fünften Sekunde = 5 c .... Nennen wir daher v die Endgeschwin-<lb/>
digkeit nach der Zeit t (in Sekunden ausgedrückt) so erhalten wir die Gleichung v = c . t,<lb/>
worin c die Geschwindigkeit des Körpers am Ende der ersten Sekunde ist.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 482.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Der Raum, den ein Körper durch den freien Fall zurücklegt, ist<lb/>
dem Produkte aus dem Quadrate der dazu nöthigen Zeit in den<lb/>
mittlern Raum der Zeiteinheit gleich</hi>.</p><lb/>
            <p>Wir haben gesehen, dass die Geschwindigkeit, welche der Körper am Ende<lb/>
der 1, 2, 3 .... t Sekunde erhält, = c, 2 c, 3 c ..... t . c sey. Weil aber der<lb/>
Körper seine Bewegung von der Ruhe anfing, so ist seine anfängliche Geschwindigkeit<lb/>
= 0, und man hat für die Zunahme der Geschwindigkeiten folgende Progression:</p><lb/>
            <p>0, c, 2 c, 3 c ..... t . c. Da wir hieraus sehen, dass die Geschwindigkeit gleichför-<lb/>
mig zunimmt, so können wir zur Bestimmung des Raumes das arithmetische Mittel zwi-<lb/>
schen der ersten und letzten Geschwindigkeit nehmen, und diese als diejenige betrach-<lb/>
ten, womit der Körper gleichförmig fortgeht. Die Geschwindigkeit des Körpers ist zu<lb/>
Anfange des Falles = 0, die Endgeschwindigkeit v = c . t, folglich die mittlere Ge-<lb/>
schwindigkeit <formula/>, und da die Bewegung itzt als gleichförmig betrachtet wird,<lb/>
so ist der Raum S = dem Produkte aus der Zeit t in die Geschwindigkeit <formula/>, oder<lb/>
S = <formula/>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 483.</head><lb/>
            <p>Um den Raum S einer gleichförmig beschleunigten Bewegung aus der vorstehenden<lb/>
Gleichung in Zahlen finden zu können, kommt es vor allem darauf an, die Grösse c<lb/>
oder die Geschwindigkeit, welche der Körper zu Ende der ersten Sekunde erlangt, zu<lb/>
bestimmen. Diess müsste durch einen Versuch ausgemittelt werden, allein, wie soll<lb/>
man diesen Versuch anstellen, nachdem ein jeder Körper, wie wir gesehen haben, fort-<lb/>
während eine grössere Geschwindigkeit erhält, und diess zwar nicht bloss von Sekunde<lb/>
zu Sekunde, sondern von einem Augenblicke oder Momente seiner Bewegung zum an-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[534/0566] Freier Fall der Körper. zu beschreiben, so würde er sich auch mit dieser Geschwindigkeit gleichförmig fortbe- wegen, wenn nun nichts mehr auf ihn einwirken würde. Allein die dem Körper eigen- thümliche Schwere wirkt in der zweiten Sekunde eben so stark, wie in der ersten auf ihn, sie gibt demnach seiner Bewegung einen gleichen Zusatz wie in der ersten Sekunde, d. h. sie vermehrt seine Geschwindigkeit wieder um dieselbe Grösse c, er wird sonach am Ende der zweiten Sekunde die Geschwindigkeit 2 c haben. Würde nun wieder nichts mehr auf den Körper einwirken, so würde er in jeder folgenden Sekunde den Raum 2 c beschreiben, die Schwere wirkt aber in der dritten Sekunde eben so stark, wie in der ersten, d. h. sie gibt ihm am Ende der dritten Sekunde abermal eine Vermehrung der Geschwindigkeit um c, und da er schon die Geschwindigkeit 2 c hat, so wird der Kör- per am Ende der dritten Sekunde die Geschwindigkeit 3 c erlangen. Aus demselben Grunde ist die Geschwindigkeit eines freifallenden Körpers am Ende der vierten Sekun- de = 4 c, am Ende der fünften Sekunde = 5 c .... Nennen wir daher v die Endgeschwin- digkeit nach der Zeit t (in Sekunden ausgedrückt) so erhalten wir die Gleichung v = c . t, worin c die Geschwindigkeit des Körpers am Ende der ersten Sekunde ist. §. 482. Der Raum, den ein Körper durch den freien Fall zurücklegt, ist dem Produkte aus dem Quadrate der dazu nöthigen Zeit in den mittlern Raum der Zeiteinheit gleich. Wir haben gesehen, dass die Geschwindigkeit, welche der Körper am Ende der 1, 2, 3 .... t Sekunde erhält, = c, 2 c, 3 c ..... t . c sey. Weil aber der Körper seine Bewegung von der Ruhe anfing, so ist seine anfängliche Geschwindigkeit = 0, und man hat für die Zunahme der Geschwindigkeiten folgende Progression: 0, c, 2 c, 3 c ..... t . c. Da wir hieraus sehen, dass die Geschwindigkeit gleichför- mig zunimmt, so können wir zur Bestimmung des Raumes das arithmetische Mittel zwi- schen der ersten und letzten Geschwindigkeit nehmen, und diese als diejenige betrach- ten, womit der Körper gleichförmig fortgeht. Die Geschwindigkeit des Körpers ist zu Anfange des Falles = 0, die Endgeschwindigkeit v = c . t, folglich die mittlere Ge- schwindigkeit [FORMEL], und da die Bewegung itzt als gleichförmig betrachtet wird, so ist der Raum S = dem Produkte aus der Zeit t in die Geschwindigkeit [FORMEL], oder S = [FORMEL]. §. 483. Um den Raum S einer gleichförmig beschleunigten Bewegung aus der vorstehenden Gleichung in Zahlen finden zu können, kommt es vor allem darauf an, die Grösse c oder die Geschwindigkeit, welche der Körper zu Ende der ersten Sekunde erlangt, zu bestimmen. Diess müsste durch einen Versuch ausgemittelt werden, allein, wie soll man diesen Versuch anstellen, nachdem ein jeder Körper, wie wir gesehen haben, fort- während eine grössere Geschwindigkeit erhält, und diess zwar nicht bloss von Sekunde zu Sekunde, sondern von einem Augenblicke oder Momente seiner Bewegung zum an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/566
Zitationshilfe: Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/566>, abgerufen am 18.11.2024.