Seil windet, je grösser die Spannung des Seiles ist, je dicker das zu biegende Seil, und je neuer oder steifer dasselbe ist. Bei dem Maschinenwesen äussert sich diese Unbieg- samkeit vorzüglich bei den Rollen oder Cylindern, um welche Seile gewickelt wer- den. Um den Grad der Unbiegsamkeit der Seile durch einen Versuch zu bestim- Fig. 3. Tab. 27.men, kann man sich der von Amontons angegebenen Vorrichtung bedienen. Hiebei wird das zu untersuchende Seil g f f' g' um den Cylinder D gewunden, und an seinen Enden mit dem Gewichte G belastet. Zur Bewirkung der Bewegung des Cylinders D werden so lange Gewichte P zugelegt, bis dieselbe gleichförmig erfolgt. Es ist offenbar, dass bei einer vollkommenen Biegsamkeit des Seiles der Cylinder D sogleich herab- rollen müsste; demnach wird das Gewicht dieses Cylinders sammt dem angehängten Gewichte P -- p die Grösse der Unbiegsamkeit der Seile für die vorhandene Spannung G des Seiles, den Durchmesser D des Cylinders und die Dicke des Seiles d geben.
Zu gleichem Zwecke bediente sich Coulomb mehrerer Cylinder, die um ihre Achse beweglich waren. Die Achsen dieser Cylinder lagen in Pfannen, Seile von verschiedenen Durchmessern wurden um sie geschlungen, und an beiden Enden gleiche Gewichte angehängt. Zu einem dieser Gewichte wurde so lange zugelegt, bis die Bewegung gleichförmig blieb. Weil sich aber hiebei auch bei dünnen Achsen eine Reibung äusserte, so wurde ihr Einfluss zuerst bestimmt, und zu dieser Absicht an einer sehr dünnen, seidenen Schnur von beiden Seiten Gewichte angehängt, und aus der Grösse derselben das Verhältniss der Reibung zu den angehängten Gewichten bestimmt. Bei dem Gebrauche der Seile wurde nun von dem erforderlichen Zulagsgewichte die Reibung abgeschlagen, und der Ueberrest der Unbiegsamkeit der gebrauchten Seile beigemessen.
§. 444.
Durch solche Versuche bestimmte Herr Coulomb den Widerstand der Seile, Stricke, Schnüre ...... nach ihrer verschiedenen Qualität, Dicke und Spannung und nach dem verschiedenen Durchmesser des Cylinders, um welchen diese Seile gewunden wur- den. Seine mit dem Apparate von Amontons gemachten Erfahrungen gaben folgende Ta- belle zur Bestimmung der Unbiegsamkeit der Seile, die nicht gepicht waren.
[Tabelle]
Unbiegsamkeit der Seile.
Seil windet, je grösser die Spannung des Seiles ist, je dicker das zu biegende Seil, und je neuer oder steifer dasselbe ist. Bei dem Maschinenwesen äussert sich diese Unbieg- samkeit vorzüglich bei den Rollen oder Cylindern, um welche Seile gewickelt wer- den. Um den Grad der Unbiegsamkeit der Seile durch einen Versuch zu bestim- Fig. 3. Tab. 27.men, kann man sich der von Amontons angegebenen Vorrichtung bedienen. Hiebei wird das zu untersuchende Seil g f f' g' um den Cylinder D gewunden, und an seinen Enden mit dem Gewichte G belastet. Zur Bewirkung der Bewegung des Cylinders D werden so lange Gewichte P zugelegt, bis dieselbe gleichförmig erfolgt. Es ist offenbar, dass bei einer vollkommenen Biegsamkeit des Seiles der Cylinder D sogleich herab- rollen müsste; demnach wird das Gewicht dieses Cylinders sammt dem angehängten Gewichte P — p die Grösse der Unbiegsamkeit der Seile für die vorhandene Spannung G des Seiles, den Durchmesser D des Cylinders und die Dicke des Seiles δ geben.
Zu gleichem Zwecke bediente sich Coulomb mehrerer Cylinder, die um ihre Achse beweglich waren. Die Achsen dieser Cylinder lagen in Pfannen, Seile von verschiedenen Durchmessern wurden um sie geschlungen, und an beiden Enden gleiche Gewichte angehängt. Zu einem dieser Gewichte wurde so lange zugelegt, bis die Bewegung gleichförmig blieb. Weil sich aber hiebei auch bei dünnen Achsen eine Reibung äusserte, so wurde ihr Einfluss zuerst bestimmt, und zu dieser Absicht an einer sehr dünnen, seidenen Schnur von beiden Seiten Gewichte angehängt, und aus der Grösse derselben das Verhältniss der Reibung zu den angehängten Gewichten bestimmt. Bei dem Gebrauche der Seile wurde nun von dem erforderlichen Zulagsgewichte die Reibung abgeschlagen, und der Ueberrest der Unbiegsamkeit der gebrauchten Seile beigemessen.
§. 444.
Durch solche Versuche bestimmte Herr Coulomb den Widerstand der Seile, Stricke, Schnüre ...... nach ihrer verschiedenen Qualität, Dicke und Spannung und nach dem verschiedenen Durchmesser des Cylinders, um welchen diese Seile gewunden wur- den. Seine mit dem Apparate von Amontons gemachten Erfahrungen gaben folgende Ta- belle zur Bestimmung der Unbiegsamkeit der Seile, die nicht gepicht waren.
[Tabelle]
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0530"n="498"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#i">Unbiegsamkeit der Seile</hi>.</fw><lb/>
Seil windet, je grösser die Spannung des Seiles ist, je dicker das zu biegende Seil, und<lb/>
je neuer oder steifer dasselbe ist. Bei dem Maschinenwesen äussert sich diese Unbieg-<lb/>
samkeit vorzüglich bei den Rollen oder Cylindern, um welche Seile gewickelt wer-<lb/>
den. Um den Grad der Unbiegsamkeit der Seile durch einen Versuch zu bestim-<lb/><noteplace="left">Fig.<lb/>
3.<lb/>
Tab.<lb/>
27.</note>men, kann man sich der von <hirendition="#i">Amontons</hi> angegebenen Vorrichtung bedienen. Hiebei<lb/>
wird das zu untersuchende Seil g f f' g' um den Cylinder D gewunden, und an seinen<lb/>
Enden mit dem Gewichte G belastet. Zur Bewirkung der Bewegung des Cylinders D<lb/>
werden so lange Gewichte P zugelegt, bis dieselbe gleichförmig erfolgt. Es ist offenbar,<lb/>
dass bei einer vollkommenen Biegsamkeit des Seiles der Cylinder D sogleich herab-<lb/>
rollen müsste; demnach wird das Gewicht dieses Cylinders sammt dem angehängten<lb/>
Gewichte P — p die Grösse der Unbiegsamkeit der Seile für die vorhandene Spannung G<lb/>
des Seiles, den Durchmesser D des Cylinders und die Dicke des Seiles <hirendition="#i">δ</hi> geben.</p><lb/><p>Zu gleichem Zwecke bediente sich <hirendition="#i">Coulomb</hi> mehrerer Cylinder, die um ihre<lb/>
Achse beweglich waren. Die Achsen dieser Cylinder lagen in Pfannen, Seile von<lb/>
verschiedenen Durchmessern wurden um sie geschlungen, und an beiden Enden<lb/>
gleiche Gewichte angehängt. Zu einem dieser Gewichte wurde so lange zugelegt, bis<lb/>
die Bewegung gleichförmig blieb. Weil sich aber hiebei auch bei dünnen Achsen eine<lb/>
Reibung äusserte, so wurde ihr Einfluss zuerst bestimmt, und zu dieser Absicht an einer<lb/>
sehr dünnen, seidenen Schnur von beiden Seiten Gewichte angehängt, und aus der<lb/>
Grösse derselben das Verhältniss der Reibung zu den angehängten Gewichten bestimmt.<lb/>
Bei dem Gebrauche der Seile wurde nun von dem erforderlichen Zulagsgewichte die<lb/>
Reibung abgeschlagen, und der Ueberrest der Unbiegsamkeit der gebrauchten Seile<lb/>
beigemessen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 444.</head><lb/><p>Durch solche Versuche bestimmte Herr <hirendition="#i">Coulomb</hi> den Widerstand der Seile, Stricke,<lb/>
Schnüre ...... nach ihrer verschiedenen Qualität, Dicke und Spannung und nach<lb/>
dem verschiedenen Durchmesser des Cylinders, um welchen diese Seile gewunden wur-<lb/>
den. Seine mit dem Apparate von <hirendition="#i">Amontons</hi> gemachten Erfahrungen gaben folgende Ta-<lb/>
belle zur Bestimmung der Unbiegsamkeit der Seile, die nicht gepicht waren.</p><lb/><table><row><cell/></row></table></div></div></div></body></text></TEI>
[498/0530]
Unbiegsamkeit der Seile.
Seil windet, je grösser die Spannung des Seiles ist, je dicker das zu biegende Seil, und
je neuer oder steifer dasselbe ist. Bei dem Maschinenwesen äussert sich diese Unbieg-
samkeit vorzüglich bei den Rollen oder Cylindern, um welche Seile gewickelt wer-
den. Um den Grad der Unbiegsamkeit der Seile durch einen Versuch zu bestim-
men, kann man sich der von Amontons angegebenen Vorrichtung bedienen. Hiebei
wird das zu untersuchende Seil g f f' g' um den Cylinder D gewunden, und an seinen
Enden mit dem Gewichte G belastet. Zur Bewirkung der Bewegung des Cylinders D
werden so lange Gewichte P zugelegt, bis dieselbe gleichförmig erfolgt. Es ist offenbar,
dass bei einer vollkommenen Biegsamkeit des Seiles der Cylinder D sogleich herab-
rollen müsste; demnach wird das Gewicht dieses Cylinders sammt dem angehängten
Gewichte P — p die Grösse der Unbiegsamkeit der Seile für die vorhandene Spannung G
des Seiles, den Durchmesser D des Cylinders und die Dicke des Seiles δ geben.
Fig.
3.
Tab.
27.
Zu gleichem Zwecke bediente sich Coulomb mehrerer Cylinder, die um ihre
Achse beweglich waren. Die Achsen dieser Cylinder lagen in Pfannen, Seile von
verschiedenen Durchmessern wurden um sie geschlungen, und an beiden Enden
gleiche Gewichte angehängt. Zu einem dieser Gewichte wurde so lange zugelegt, bis
die Bewegung gleichförmig blieb. Weil sich aber hiebei auch bei dünnen Achsen eine
Reibung äusserte, so wurde ihr Einfluss zuerst bestimmt, und zu dieser Absicht an einer
sehr dünnen, seidenen Schnur von beiden Seiten Gewichte angehängt, und aus der
Grösse derselben das Verhältniss der Reibung zu den angehängten Gewichten bestimmt.
Bei dem Gebrauche der Seile wurde nun von dem erforderlichen Zulagsgewichte die
Reibung abgeschlagen, und der Ueberrest der Unbiegsamkeit der gebrauchten Seile
beigemessen.
§. 444.
Durch solche Versuche bestimmte Herr Coulomb den Widerstand der Seile, Stricke,
Schnüre ...... nach ihrer verschiedenen Qualität, Dicke und Spannung und nach
dem verschiedenen Durchmesser des Cylinders, um welchen diese Seile gewunden wur-
den. Seine mit dem Apparate von Amontons gemachten Erfahrungen gaben folgende Ta-
belle zur Bestimmung der Unbiegsamkeit der Seile, die nicht gepicht waren.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gerstner, Franz Joseph von: Handbuch der Mechanik. Bd. 1: Mechanik fester Körper. Prag, 1831, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstner_mechanik01_1831/530>, abgerufen am 18.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.