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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Erster Abschnitt. Geschichtliches.
und "Condell" in der Frühe des 23. April 1891 bei Caldera
überfallen. Die drei Schiffe lagen zu Anker, und der Kommandant
und die meisten Offiziere des Panzerschiffes waren an Land. In
dem ungewissen Lichte, welches der Vollmond, ein leichter Morgen-
nebel sowie der Widerschein des hohen Ufers hervorbrachten, konnten
sich die Boote, die sich dicht unter Land hielten, unbemerkt nähern.
Der Wachdienst muß sehr im Argen gelegen haben, denn thatsächlich
meldete der einzige Posten die Torpedoboote erst, als "Condell" schon
seinen ersten Torpedo abschoß. "Condell" lancirte drei Whitehead-
torpedos ohne Erfolg, "Lynch" feuerte zwei Whiteheadtorpedos ab,
von denen einer seinen Zweck erfüllte. Das Panzerschiff "Blanco
Encalada" sank und nahm von den 287 an Bord befindlichen
Menschen 225 mit in die Tiefe.

"Blanco Encalada" und "Condell" waren in England, "Lynch"
bei Schichau (Elbing) gebaut. Der Torpedo enthielt 53 kg Schieß-
wolle und war englischen Ursprungs.

Nach dem Angriffe zogen sich die Torpedoboote zurück, da sie
das einkommende englische Kriegsschiff "Warspite" für die regierungs-
feindliche Korvette "Esmeralda" hielten. Diesem Umstande ver-
dankten auch die Transportschiffe ihre Rettung. Zwar wurde ein
Torpedo gegen "Bio-Bio" abgefeuert; das Schiff hatte aber einen
Tiefgang von nur acht Fuß, und da der Torpedo auf zehn Fuß ein-
gestellt war, so ging er ohne Schaden zu thun unter dem Schiffe durch.

Der brasilianische Bürgerkrieg brachte den nächsten Erfolg des
Whiteheadtorpedos. Während des Aufstandes, den der Admiral
de Mello gegen den Präsidenten Peixoto erregte -- soweit bekannt
bislang der einzige Fall, wo eine Empörung wider die bestehende
Regierung von einer Flotte ausging --, wurde in der Nacht vom
15. zum 16. April 1894 das Panzerschiff "Aquidaban" (später
in "24 de Mayo" umgetauft) durch Torpedoboote, welche die
Regierung inzwischen von Schichau angekauft hatte, zum Sinken
gebracht. Das Schiff hatte in sehr flachem Wasser zu Anker gelegen
und konnte, nachdem das hervorgebrachte Leck provisorisch geschlossen
worden war, wieder gehoben werden.

Um den Ereignissen zu folgen, muß der Blick wieder zurück
nach Ostasien gewendet werden. Im chinesisch-japanischen Kriege ist
der Torpedo mehrfach aufgetreten. In der Schlacht am Yalu,

Erſter Abſchnitt. Geſchichtliches.
und „Condell“ in der Frühe des 23. April 1891 bei Caldera
überfallen. Die drei Schiffe lagen zu Anker, und der Kommandant
und die meiſten Offiziere des Panzerſchiffes waren an Land. In
dem ungewiſſen Lichte, welches der Vollmond, ein leichter Morgen-
nebel ſowie der Widerſchein des hohen Ufers hervorbrachten, konnten
ſich die Boote, die ſich dicht unter Land hielten, unbemerkt nähern.
Der Wachdienſt muß ſehr im Argen gelegen haben, denn thatſächlich
meldete der einzige Poſten die Torpedoboote erſt, als „Condell“ ſchon
ſeinen erſten Torpedo abſchoß. „Condell“ lancirte drei Whitehead-
torpedos ohne Erfolg, „Lynch“ feuerte zwei Whiteheadtorpedos ab,
von denen einer ſeinen Zweck erfüllte. Das Panzerſchiff „Blanco
Encalada“ ſank und nahm von den 287 an Bord befindlichen
Menſchen 225 mit in die Tiefe.

„Blanco Encalada“ und „Condell“ waren in England, „Lynch“
bei Schichau (Elbing) gebaut. Der Torpedo enthielt 53 kg Schieß-
wolle und war engliſchen Urſprungs.

Nach dem Angriffe zogen ſich die Torpedoboote zurück, da ſie
das einkommende engliſche Kriegsſchiff „Warſpite“ für die regierungs-
feindliche Korvette „Esmeralda“ hielten. Dieſem Umſtande ver-
dankten auch die Transportſchiffe ihre Rettung. Zwar wurde ein
Torpedo gegen „Bio-Bio“ abgefeuert; das Schiff hatte aber einen
Tiefgang von nur acht Fuß, und da der Torpedo auf zehn Fuß ein-
geſtellt war, ſo ging er ohne Schaden zu thun unter dem Schiffe durch.

Der braſilianiſche Bürgerkrieg brachte den nächſten Erfolg des
Whiteheadtorpedos. Während des Aufſtandes, den der Admiral
de Mello gegen den Präſidenten Peixoto erregte — ſoweit bekannt
bislang der einzige Fall, wo eine Empörung wider die beſtehende
Regierung von einer Flotte ausging —, wurde in der Nacht vom
15. zum 16. April 1894 das Panzerſchiff „Aquidaban“ (ſpäter
in „24 de Mayo“ umgetauft) durch Torpedoboote, welche die
Regierung inzwiſchen von Schichau angekauft hatte, zum Sinken
gebracht. Das Schiff hatte in ſehr flachem Waſſer zu Anker gelegen
und konnte, nachdem das hervorgebrachte Leck proviſoriſch geſchloſſen
worden war, wieder gehoben werden.

Um den Ereigniſſen zu folgen, muß der Blick wieder zurück
nach Oſtaſien gewendet werden. Im chineſiſch-japaniſchen Kriege iſt
der Torpedo mehrfach aufgetreten. In der Schlacht am Yalu,

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[20/0034] Erſter Abſchnitt. Geſchichtliches. und „Condell“ in der Frühe des 23. April 1891 bei Caldera überfallen. Die drei Schiffe lagen zu Anker, und der Kommandant und die meiſten Offiziere des Panzerſchiffes waren an Land. In dem ungewiſſen Lichte, welches der Vollmond, ein leichter Morgen- nebel ſowie der Widerſchein des hohen Ufers hervorbrachten, konnten ſich die Boote, die ſich dicht unter Land hielten, unbemerkt nähern. Der Wachdienſt muß ſehr im Argen gelegen haben, denn thatſächlich meldete der einzige Poſten die Torpedoboote erſt, als „Condell“ ſchon ſeinen erſten Torpedo abſchoß. „Condell“ lancirte drei Whitehead- torpedos ohne Erfolg, „Lynch“ feuerte zwei Whiteheadtorpedos ab, von denen einer ſeinen Zweck erfüllte. Das Panzerſchiff „Blanco Encalada“ ſank und nahm von den 287 an Bord befindlichen Menſchen 225 mit in die Tiefe. „Blanco Encalada“ und „Condell“ waren in England, „Lynch“ bei Schichau (Elbing) gebaut. Der Torpedo enthielt 53 kg Schieß- wolle und war engliſchen Urſprungs. Nach dem Angriffe zogen ſich die Torpedoboote zurück, da ſie das einkommende engliſche Kriegsſchiff „Warſpite“ für die regierungs- feindliche Korvette „Esmeralda“ hielten. Dieſem Umſtande ver- dankten auch die Transportſchiffe ihre Rettung. Zwar wurde ein Torpedo gegen „Bio-Bio“ abgefeuert; das Schiff hatte aber einen Tiefgang von nur acht Fuß, und da der Torpedo auf zehn Fuß ein- geſtellt war, ſo ging er ohne Schaden zu thun unter dem Schiffe durch. Der braſilianiſche Bürgerkrieg brachte den nächſten Erfolg des Whiteheadtorpedos. Während des Aufſtandes, den der Admiral de Mello gegen den Präſidenten Peixoto erregte — ſoweit bekannt bislang der einzige Fall, wo eine Empörung wider die beſtehende Regierung von einer Flotte ausging —, wurde in der Nacht vom 15. zum 16. April 1894 das Panzerſchiff „Aquidaban“ (ſpäter in „24 de Mayo“ umgetauft) durch Torpedoboote, welche die Regierung inzwiſchen von Schichau angekauft hatte, zum Sinken gebracht. Das Schiff hatte in ſehr flachem Waſſer zu Anker gelegen und konnte, nachdem das hervorgebrachte Leck proviſoriſch geſchloſſen worden war, wieder gehoben werden. Um den Ereigniſſen zu folgen, muß der Blick wieder zurück nach Oſtaſien gewendet werden. Im chineſiſch-japaniſchen Kriege iſt der Torpedo mehrfach aufgetreten. In der Schlacht am Yalu,

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/34>, abgerufen am 26.04.2024.