Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.ZWEITER ABSCHNITT. Die Organe des Staats. Allgemeines. §. 24. Wenn in dem Bisherigen das Wesen und der Um- 1 Das Wort Organ wird hier nicht als eine spielende Bezeich-
nung, sondern als das Wort für einen ernstlich gedachten Be- griff gebraucht. Daher anerkenne ich nur die zwei im Texte ge- nannten Organe des Staats. Viele Schriftsteller denken, wie es scheint, über die Gränzen der Zulässigkeit dieses Begriffs wenig nach, so dass ihnen die Worte "organisch", "Organ" im bedenk- lichsten Grade geläufig werden. Was wird da nicht alles als "Organ" bezeichnet! Nicht nur der Monarch und die Ständever- sammlung, sondern auch die Familie des Landesherrn, die Staats- ämter, die einzelnen Mitglieder der Ständeversammlung, die ein- zelnen Beamten, ja wohl gar auch jeder Staatsbürger. Dabei büsst freilich der Begriff "Organ" seine ganze wissenschaftliche, insbesondere juristische Bedeutung ein und wird zu einer werth- losen Phrase. ZWEITER ABSCHNITT. Die Organe des Staats. Allgemeines. §. 24. Wenn in dem Bisherigen das Wesen und der Um- 1 Das Wort Organ wird hier nicht als eine spielende Bezeich-
nung, sondern als das Wort für einen ernstlich gedachten Be- griff gebraucht. Daher anerkenne ich nur die zwei im Texte ge- nannten Organe des Staats. Viele Schriftsteller denken, wie es scheint, über die Gränzen der Zulässigkeit dieses Begriffs wenig nach, so dass ihnen die Worte „organisch“, „Organ“ im bedenk- lichsten Grade geläufig werden. Was wird da nicht alles als „Organ“ bezeichnet! Nicht nur der Monarch und die Ständever- sammlung, sondern auch die Familie des Landesherrn, die Staats- ämter, die einzelnen Mitglieder der Ständeversammlung, die ein- zelnen Beamten, ja wohl gar auch jeder Staatsbürger. Dabei büsst freilich der Begriff „Organ“ seine ganze wissenschaftliche, insbesondere juristische Bedeutung ein und wird zu einer werth- losen Phrase. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0088" n="[70]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#g">ZWEITER ABSCHNITT.<lb/> Die Organe des Staats.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>Allgemeines.</head><lb/> <div n="3"> <head>§. 24.</head><lb/> <p>Wenn in dem Bisherigen das Wesen und der Um-<lb/> fang der Staatsgewalt in ihrer abstracten Existenz be-<lb/> stimmt wurde, so bedarf es nunmehr der Entwickelung<lb/> des Rechts der Mittel, durch welche sie in die concrete<lb/> Erscheinung gesetzt wird. Schon in der Vorstellung<lb/> des Staats als eines Organismus liegt der Gedanke, dass<lb/> ihm gewisse Organe<note place="foot" n="1">Das Wort <hi rendition="#g">Organ</hi> wird hier nicht als eine spielende Bezeich-<lb/> nung, sondern als das Wort für einen ernstlich gedachten Be-<lb/> griff gebraucht. Daher anerkenne ich nur die zwei im Texte ge-<lb/> nannten Organe des Staats. Viele Schriftsteller denken, wie es<lb/> scheint, über die Gränzen der Zulässigkeit dieses Begriffs wenig<lb/> nach, so dass ihnen die Worte „organisch“, „Organ“ im bedenk-<lb/> lichsten Grade geläufig werden. Was wird da nicht alles als<lb/> „Organ“ bezeichnet! Nicht nur der Monarch und die Ständever-<lb/> sammlung, sondern auch die Familie des Landesherrn, die Staats-<lb/> ämter, die einzelnen Mitglieder der Ständeversammlung, die ein-<lb/> zelnen Beamten, ja wohl gar auch jeder Staatsbürger. Dabei<lb/> büsst freilich der Begriff „Organ“ seine ganze wissenschaftliche,<lb/> insbesondere juristische Bedeutung ein und wird zu einer werth-<lb/> losen Phrase.</note> angeschaffen sein müssen, in deren<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[70]/0088]
ZWEITER ABSCHNITT.
Die Organe des Staats.
Allgemeines.
§. 24.
Wenn in dem Bisherigen das Wesen und der Um-
fang der Staatsgewalt in ihrer abstracten Existenz be-
stimmt wurde, so bedarf es nunmehr der Entwickelung
des Rechts der Mittel, durch welche sie in die concrete
Erscheinung gesetzt wird. Schon in der Vorstellung
des Staats als eines Organismus liegt der Gedanke, dass
ihm gewisse Organe 1 angeschaffen sein müssen, in deren
1 Das Wort Organ wird hier nicht als eine spielende Bezeich-
nung, sondern als das Wort für einen ernstlich gedachten Be-
griff gebraucht. Daher anerkenne ich nur die zwei im Texte ge-
nannten Organe des Staats. Viele Schriftsteller denken, wie es
scheint, über die Gränzen der Zulässigkeit dieses Begriffs wenig
nach, so dass ihnen die Worte „organisch“, „Organ“ im bedenk-
lichsten Grade geläufig werden. Was wird da nicht alles als
„Organ“ bezeichnet! Nicht nur der Monarch und die Ständever-
sammlung, sondern auch die Familie des Landesherrn, die Staats-
ämter, die einzelnen Mitglieder der Ständeversammlung, die ein-
zelnen Beamten, ja wohl gar auch jeder Staatsbürger. Dabei
büsst freilich der Begriff „Organ“ seine ganze wissenschaftliche,
insbesondere juristische Bedeutung ein und wird zu einer werth-
losen Phrase.
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