Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Erster Abschnitt.
ohne Vorbehalt des bisherigen Indigenats (wo solcher
zulässig ist), und nach Particularrechten auch bei länger
dauernder Abwesenheit, wenn dabei die Absicht besteht,
im Auslande bleibend zu wohnen.6

B. Das Recht des Staats an den Gemeinden.
§. 20.

Das Verhältniss der uralten Gemeindeverbindungen
zu der Gesammtverbindung des Volks im Staate ist
nicht immer dasselbe gewesen. Während im Mittel-
alter, bei einem sehr geringen Bedürfnisse völkerschaft-
licher Existenz, die Gemeinde grösstentheils den Staat
ersetzte und der unentwickelten Territorialgewalt eine
fast unbeschränkte autonome Selbständigkeit gegenüber-
stellte, hat sich seit dem Ende des siebzehnten Jahr-
hunderts umgekehrt der Staat, indem er in rücksichts-
loser Energie dem erkannten Ziele seiner Machtent-
wickelung zustrebte, die Gemeinden meist so vollständig
unterworfen, dass sie ihr eigenes Leben einbüssten und
zu der Bedeutung blosser Verwaltungsbezirke herab-
sanken. Es ist nun eine der wichtigsten Thatsachen

Verlusts des Indigenats angesehen. Als eine Art der Auswan-
derung ist auch der Erwerb eines anderen Indigenats, oder die
Verheirathung einer Inländerin an einen Ausländer zu betrachten.
-- Zur Strafe kann das Indigenat nicht verwirkt werden, wo die
Strafe der Landesverweisung aufgehoben ist. Eine Verwirkung
der politischen Rechte wird hie und da, wie z. B. in Bayern, eine
Verwirkung des Staatsbürgerrechts genannt; diess beruht auf der
Terminologie, welche die politischen Rechte unter dem Namen
"Staatsbürgerrecht" dem allgemeinen Indigenate entgegenstellt.
6 Blosser Zeitablauf bei längerer Abwesenheit (z. B. zehn
Jahre) gilt particulär auch als Verlustgrund, z. B. in Preussen
(Rönne §. 88.).

Erster Abschnitt.
ohne Vorbehalt des bisherigen Indigenats (wo solcher
zulässig ist), und nach Particularrechten auch bei länger
dauernder Abwesenheit, wenn dabei die Absicht besteht,
im Auslande bleibend zu wohnen.6

B. Das Recht des Staats an den Gemeinden.
§. 20.

Das Verhältniss der uralten Gemeindeverbindungen
zu der Gesammtverbindung des Volks im Staate ist
nicht immer dasselbe gewesen. Während im Mittel-
alter, bei einem sehr geringen Bedürfnisse völkerschaft-
licher Existenz, die Gemeinde grösstentheils den Staat
ersetzte und der unentwickelten Territorialgewalt eine
fast unbeschränkte autonome Selbständigkeit gegenüber-
stellte, hat sich seit dem Ende des siebzehnten Jahr-
hunderts umgekehrt der Staat, indem er in rücksichts-
loser Energie dem erkannten Ziele seiner Machtent-
wickelung zustrebte, die Gemeinden meist so vollständig
unterworfen, dass sie ihr eigenes Leben einbüssten und
zu der Bedeutung blosser Verwaltungsbezirke herab-
sanken. Es ist nun eine der wichtigsten Thatsachen

Verlusts des Indigenats angesehen. Als eine Art der Auswan-
derung ist auch der Erwerb eines anderen Indigenats, oder die
Verheirathung einer Inländerin an einen Ausländer zu betrachten.
— Zur Strafe kann das Indigenat nicht verwirkt werden, wo die
Strafe der Landesverweisung aufgehoben ist. Eine Verwirkung
der politischen Rechte wird hie und da, wie z. B. in Bayern, eine
Verwirkung des Staatsbürgerrechts genannt; diess beruht auf der
Terminologie, welche die politischen Rechte unter dem Namen
„Staatsbürgerrecht“ dem allgemeinen Indigenate entgegenstellt.
6 Blosser Zeitablauf bei längerer Abwesenheit (z. B. zehn
Jahre) gilt particulär auch als Verlustgrund, z. B. in Preussen
(Rönne §. 88.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0072" n="54"/><fw place="top" type="header">Erster Abschnitt.</fw><lb/>
ohne Vorbehalt des bisherigen Indigenats (wo solcher<lb/>
zulässig ist), und nach Particularrechten auch bei länger<lb/>
dauernder Abwesenheit, wenn dabei die Absicht besteht,<lb/>
im Auslande bleibend zu wohnen.<note place="foot" n="6">Blosser Zeitablauf bei längerer Abwesenheit (z. B. zehn<lb/>
Jahre) gilt particulär auch als Verlustgrund, z. B. in Preussen<lb/>
(<hi rendition="#g">Rönne</hi> §. 88.).</note></p>
                </div>
              </div>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>B. Das Recht des Staats an den Gemeinden.</head><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 20.</head><lb/>
                <p>Das Verhältniss der uralten Gemeindeverbindungen<lb/>
zu der Gesammtverbindung des Volks im Staate ist<lb/>
nicht immer dasselbe gewesen. Während im Mittel-<lb/>
alter, bei einem sehr geringen Bedürfnisse völkerschaft-<lb/>
licher Existenz, die Gemeinde grösstentheils den Staat<lb/>
ersetzte und der unentwickelten Territorialgewalt eine<lb/>
fast unbeschränkte autonome Selbständigkeit gegenüber-<lb/>
stellte, hat sich seit dem Ende des siebzehnten Jahr-<lb/>
hunderts umgekehrt der Staat, indem er in rücksichts-<lb/>
loser Energie dem erkannten Ziele seiner Machtent-<lb/>
wickelung zustrebte, die Gemeinden meist so vollständig<lb/>
unterworfen, dass sie ihr eigenes Leben einbüssten und<lb/>
zu der Bedeutung blosser Verwaltungsbezirke herab-<lb/>
sanken. Es ist nun eine der wichtigsten Thatsachen<lb/><note xml:id="note-0072" prev="#note-0071a" place="foot" n="5">Verlusts des Indigenats angesehen. Als eine Art der Auswan-<lb/>
derung ist auch der Erwerb eines anderen Indigenats, oder die<lb/>
Verheirathung einer Inländerin an einen Ausländer zu betrachten.<lb/>
&#x2014; Zur Strafe kann das Indigenat nicht verwirkt werden, wo die<lb/>
Strafe der Landesverweisung aufgehoben ist. Eine Verwirkung<lb/>
der politischen Rechte wird hie und da, wie z. B. in Bayern, eine<lb/>
Verwirkung des Staatsbürgerrechts genannt; diess beruht auf der<lb/>
Terminologie, welche die politischen Rechte unter dem Namen<lb/>
&#x201E;Staatsbürgerrecht&#x201C; dem allgemeinen Indigenate entgegenstellt.</note><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0072] Erster Abschnitt. ohne Vorbehalt des bisherigen Indigenats (wo solcher zulässig ist), und nach Particularrechten auch bei länger dauernder Abwesenheit, wenn dabei die Absicht besteht, im Auslande bleibend zu wohnen. 6 B. Das Recht des Staats an den Gemeinden. §. 20. Das Verhältniss der uralten Gemeindeverbindungen zu der Gesammtverbindung des Volks im Staate ist nicht immer dasselbe gewesen. Während im Mittel- alter, bei einem sehr geringen Bedürfnisse völkerschaft- licher Existenz, die Gemeinde grösstentheils den Staat ersetzte und der unentwickelten Territorialgewalt eine fast unbeschränkte autonome Selbständigkeit gegenüber- stellte, hat sich seit dem Ende des siebzehnten Jahr- hunderts umgekehrt der Staat, indem er in rücksichts- loser Energie dem erkannten Ziele seiner Machtent- wickelung zustrebte, die Gemeinden meist so vollständig unterworfen, dass sie ihr eigenes Leben einbüssten und zu der Bedeutung blosser Verwaltungsbezirke herab- sanken. Es ist nun eine der wichtigsten Thatsachen 5 6 Blosser Zeitablauf bei längerer Abwesenheit (z. B. zehn Jahre) gilt particulär auch als Verlustgrund, z. B. in Preussen (Rönne §. 88.). 5 Verlusts des Indigenats angesehen. Als eine Art der Auswan- derung ist auch der Erwerb eines anderen Indigenats, oder die Verheirathung einer Inländerin an einen Ausländer zu betrachten. — Zur Strafe kann das Indigenat nicht verwirkt werden, wo die Strafe der Landesverweisung aufgehoben ist. Eine Verwirkung der politischen Rechte wird hie und da, wie z. B. in Bayern, eine Verwirkung des Staatsbürgerrechts genannt; diess beruht auf der Terminologie, welche die politischen Rechte unter dem Namen „Staatsbürgerrecht“ dem allgemeinen Indigenate entgegenstellt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/72
Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/72>, abgerufen am 21.11.2024.