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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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§. 12. Gränzen der Staatsgewalt.
sich an solchen zu betheiligen. Er ist aber befugt,
darüber Ordnungen festzusetzen, welche die äusseren
Bedingungen solcher Versammlungen und Vereine re-
geln und Missbräuchen derselben vorbeugen.6

7. Der Staat kann einen Staatsbürger nicht hindern,
auszuwandern, sofern er nicht die Absicht hat, sich
durch die Auswanderung einer bereits begründeten
staatsbürgerlichen Pflicht zu entziehen.

8. Der Staat kann keine Massregel verfügen,
welche mit der durch die Rechtsordnung gewährleiste-
ten individuellen Freiheit der Person7 im Wider-
spruche stände (keine Strafe ohne einen Strafrechtssatz,
keine Verhaftung, Haussuchung, Verletzung des Brief-
geheimnisses ohne Beobachtung der vorgeschriebenen
Bedingungen).

Alle diese Rechtssätze wollen unbedingt als Schran-
ken der Staatsgewalt in ihrer verwaltenden Thätigkeit
gelten, aber auch als Schranken der gesetzgebenden
Gewalt des Staats insofern, als eine Beseitigung der-
selben nur durch verfassungsmässige Aufhebung eines
Theiles des Grundgesetzes zulässig wäre.

§. 12.

Eine bedeutungsvolle Schranke der Staatsgewalt
liegt sodann in dem Satze, dass sie wohlerworbene

6 Bundesbeschluss vom 13. Juli 1854. Dazu mancherlei par-
ticuläre Vereinsgesetze.
7 Noch manches Andere wird in den Verfassungsurkunden
hinzugerechnet, z. B. Verbannung des Begriffs der Leibeigen-
schaft, Aufhebung der Strafe des bürgerlichen Todes, der Ver-
mögensconfiscation u. s. w.
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§. 12. Gränzen der Staatsgewalt.
sich an solchen zu betheiligen. Er ist aber befugt,
darüber Ordnungen festzusetzen, welche die äusseren
Bedingungen solcher Versammlungen und Vereine re-
geln und Missbräuchen derselben vorbeugen.6

7. Der Staat kann einen Staatsbürger nicht hindern,
auszuwandern, sofern er nicht die Absicht hat, sich
durch die Auswanderung einer bereits begründeten
staatsbürgerlichen Pflicht zu entziehen.

8. Der Staat kann keine Massregel verfügen,
welche mit der durch die Rechtsordnung gewährleiste-
ten individuellen Freiheit der Person7 im Wider-
spruche stände (keine Strafe ohne einen Strafrechtssatz,
keine Verhaftung, Haussuchung, Verletzung des Brief-
geheimnisses ohne Beobachtung der vorgeschriebenen
Bedingungen).

Alle diese Rechtssätze wollen unbedingt als Schran-
ken der Staatsgewalt in ihrer verwaltenden Thätigkeit
gelten, aber auch als Schranken der gesetzgebenden
Gewalt des Staats insofern, als eine Beseitigung der-
selben nur durch verfassungsmässige Aufhebung eines
Theiles des Grundgesetzes zulässig wäre.

§. 12.

Eine bedeutungsvolle Schranke der Staatsgewalt
liegt sodann in dem Satze, dass sie wohlerworbene

6 Bundesbeschluss vom 13. Juli 1854. Dazu mancherlei par-
ticuläre Vereinsgesetze.
7 Noch manches Andere wird in den Verfassungsurkunden
hinzugerechnet, z. B. Verbannung des Begriffs der Leibeigen-
schaft, Aufhebung der Strafe des bürgerlichen Todes, der Ver-
mögensconfiscation u. s. w.
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[35/0053] §. 12. Gränzen der Staatsgewalt. sich an solchen zu betheiligen. Er ist aber befugt, darüber Ordnungen festzusetzen, welche die äusseren Bedingungen solcher Versammlungen und Vereine re- geln und Missbräuchen derselben vorbeugen. 6 7. Der Staat kann einen Staatsbürger nicht hindern, auszuwandern, sofern er nicht die Absicht hat, sich durch die Auswanderung einer bereits begründeten staatsbürgerlichen Pflicht zu entziehen. 8. Der Staat kann keine Massregel verfügen, welche mit der durch die Rechtsordnung gewährleiste- ten individuellen Freiheit der Person 7 im Wider- spruche stände (keine Strafe ohne einen Strafrechtssatz, keine Verhaftung, Haussuchung, Verletzung des Brief- geheimnisses ohne Beobachtung der vorgeschriebenen Bedingungen). Alle diese Rechtssätze wollen unbedingt als Schran- ken der Staatsgewalt in ihrer verwaltenden Thätigkeit gelten, aber auch als Schranken der gesetzgebenden Gewalt des Staats insofern, als eine Beseitigung der- selben nur durch verfassungsmässige Aufhebung eines Theiles des Grundgesetzes zulässig wäre. §. 12. Eine bedeutungsvolle Schranke der Staatsgewalt liegt sodann in dem Satze, dass sie wohlerworbene 6 Bundesbeschluss vom 13. Juli 1854. Dazu mancherlei par- ticuläre Vereinsgesetze. 7 Noch manches Andere wird in den Verfassungsurkunden hinzugerechnet, z. B. Verbannung des Begriffs der Leibeigen- schaft, Aufhebung der Strafe des bürgerlichen Todes, der Ver- mögensconfiscation u. s. w. 3*

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/53>, abgerufen am 21.11.2024.