Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
ja mit ihnen in dem Wagen gekommen,
hub sie an. Er ist in seiner Stube und
weint. Also, fieng der Graf zu mir an,
ist mein liebster Freund ihr Gemahl? Die-
ses macht mein Glück noch erträglich. Dar-
auf bat er meine kleine Tochter, daß sie ih-
rem Papa rufen sollte. Allein er kam nicht,
sondern schickte durch eben dieses Kind
dem Grafen ein französisch Billet von die-
sem Jnnhalte:

Mein lieber Graf,

Sie dauern mich unendlich. Jch habe
sie durch die unschuldigste Liebe so sehr be-
leidigt, als ob ich Jhr Feind gewesen wäre.
Jch habe Jhnen Jhre Gemahlinn entzo-
gen. Können Sie dieses wohl von mir
glauben? Der Jrrthum, oder vielmehr
die Gewißheit, daß Sie nicht mehr am Le-
ben wären, hat mir den erlaubten Besitz
ihrer Gemahlinn gegönnt; ihre Gegen-
wart aber verdammt nunmehr das sonst so
tugendhafte Band. Sie sind zu großmü-
thig, und wir zu unschuldig, als daß Sie

uns

Leben der Schwediſchen
ja mit ihnen in dem Wagen gekommen,
hub ſie an. Er iſt in ſeiner Stube und
weint. Alſo, fieng der Graf zu mir an,
iſt mein liebſter Freund ihr Gemahl? Die-
ſes macht mein Glück noch erträglich. Dar-
auf bat er meine kleine Tochter, daß ſie ih-
rem Papa rufen ſollte. Allein er kam nicht,
ſondern ſchickte durch eben dieſes Kind
dem Grafen ein franzöſiſch Billet von die-
ſem Jnnhalte:

Mein lieber Graf,

Sie dauern mich unendlich. Jch habe
ſie durch die unſchuldigſte Liebe ſo ſehr be-
leidigt, als ob ich Jhr Feind geweſen wäre.
Jch habe Jhnen Jhre Gemahlinn entzo-
gen. Können Sie dieſes wohl von mir
glauben? Der Jrrthum, oder vielmehr
die Gewißheit, daß Sie nicht mehr am Le-
ben wären, hat mir den erlaubten Beſitz
ihrer Gemahlinn gegönnt; ihre Gegen-
wart aber verdammt nunmehr das ſonſt ſo
tugendhafte Band. Sie ſind zu großmü-
thig, und wir zu unſchuldig, als daß Sie

uns
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="138"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
ja mit ihnen in dem Wagen gekommen,<lb/>
hub &#x017F;ie an. Er i&#x017F;t in &#x017F;einer Stube und<lb/>
weint. Al&#x017F;o, fieng der Graf zu mir an,<lb/>
i&#x017F;t mein lieb&#x017F;ter Freund ihr Gemahl? Die-<lb/>
&#x017F;es macht mein Glück noch erträglich. Dar-<lb/>
auf bat er meine kleine Tochter, daß &#x017F;ie ih-<lb/>
rem Papa rufen &#x017F;ollte. Allein er kam nicht,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;chickte durch eben die&#x017F;es Kind<lb/>
dem Grafen ein franzö&#x017F;i&#x017F;ch Billet von die-<lb/>
&#x017F;em Jnnhalte:</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <opener>
                <salute>Mein lieber Graf,</salute>
              </opener><lb/>
              <p>Sie dauern mich unendlich. Jch habe<lb/>
&#x017F;ie durch die un&#x017F;chuldig&#x017F;te Liebe &#x017F;o &#x017F;ehr be-<lb/>
leidigt, als ob ich Jhr Feind gewe&#x017F;en wäre.<lb/>
Jch habe Jhnen Jhre Gemahlinn entzo-<lb/>
gen. Können Sie die&#x017F;es wohl von mir<lb/>
glauben? Der Jrrthum, oder vielmehr<lb/>
die Gewißheit, daß Sie nicht mehr am Le-<lb/>
ben wären, hat mir den erlaubten Be&#x017F;itz<lb/>
ihrer Gemahlinn gegönnt; ihre Gegen-<lb/>
wart aber verdammt nunmehr das &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
tugendhafte Band. Sie &#x017F;ind zu großmü-<lb/>
thig, und wir zu un&#x017F;chuldig, als daß Sie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">uns</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0138] Leben der Schwediſchen ja mit ihnen in dem Wagen gekommen, hub ſie an. Er iſt in ſeiner Stube und weint. Alſo, fieng der Graf zu mir an, iſt mein liebſter Freund ihr Gemahl? Die- ſes macht mein Glück noch erträglich. Dar- auf bat er meine kleine Tochter, daß ſie ih- rem Papa rufen ſollte. Allein er kam nicht, ſondern ſchickte durch eben dieſes Kind dem Grafen ein franzöſiſch Billet von die- ſem Jnnhalte: Mein lieber Graf, Sie dauern mich unendlich. Jch habe ſie durch die unſchuldigſte Liebe ſo ſehr be- leidigt, als ob ich Jhr Feind geweſen wäre. Jch habe Jhnen Jhre Gemahlinn entzo- gen. Können Sie dieſes wohl von mir glauben? Der Jrrthum, oder vielmehr die Gewißheit, daß Sie nicht mehr am Le- ben wären, hat mir den erlaubten Beſitz ihrer Gemahlinn gegönnt; ihre Gegen- wart aber verdammt nunmehr das ſonſt ſo tugendhafte Band. Sie ſind zu großmü- thig, und wir zu unſchuldig, als daß Sie uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/138
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/138>, abgerufen am 21.11.2024.