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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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soporosa senum). Die Kranken haben anfänglich
gar keinen Zufall, der die grosse Gefahr deutlich zu
erkennen gäbe; dennoch sind sie höchstens bey der
allerersten Ungemächlichkeit zum Gebrauch der Arz-
neien geneigt. Sobald sich das Uibel einigerma-
ßen deutlicher entwickelt hat, so fangen sie an, alle
Hilfe für überflüssig zu erklären, legen sich ruhig auf
die Seite, und verschlafen die meiste Zeit. Indessen
machen sie alle Anstalten zu einem sichern Tode, von
dem sie ein ganz unwiderstehliches Vorgefühl haben.
Dieses habe ich bey zwey dergleichen Kranken zu mei-
nem Leidwesen ruhig ansehen müssen, und würde es
noch nicht erklären können, wenn mich nicht nachher
Le Roi und Bursery darauf aufmerksam gemacht hät-
ten.*)

§. 21.
Von den Träumen, in wiefern sie Krankheit,
Genesung oder den Tod ankünden.

Selbst im Traume nimmt man diese Vorherse-
hungskraft an; ja, man traut ihr sogar mehr Wahr-
sagungsgeist zu, als im wachenden Zustande. Tiede-
mann
sagt: "Mancher träumt, er werde noch zehn
oder mehrere Jahre leben, und er lebt noch zehn Jah-
re: Ist auch dieses natürlich? ich sehe nicht, warum
nicht. Wer seinen Körper genau kennt, und sich da-
bey nicht von der Begierde zum Leben täuschen läßt,
kann sich mit grosser Wahrscheinlichkeit eine gewisse
Zeit von Lebensjahren vorher festsetzen. Warum
sollte dieses auch nicht in Träumen geschehen können?

Wa-
*) Burferius institut. Med. prae. V. I. p. III. p. 319.

ſoporoſa ſenum). Die Kranken haben anfaͤnglich
gar keinen Zufall, der die groſſe Gefahr deutlich zu
erkennen gaͤbe; dennoch ſind ſie hoͤchſtens bey der
allererſten Ungemaͤchlichkeit zum Gebrauch der Arz-
neien geneigt. Sobald ſich das Uibel einigerma-
ßen deutlicher entwickelt hat, ſo fangen ſie an, alle
Hilfe fuͤr uͤberfluͤſſig zu erklaͤren, legen ſich ruhig auf
die Seite, und verſchlafen die meiſte Zeit. Indeſſen
machen ſie alle Anſtalten zu einem ſichern Tode, von
dem ſie ein ganz unwiderſtehliches Vorgefuͤhl haben.
Dieſes habe ich bey zwey dergleichen Kranken zu mei-
nem Leidweſen ruhig anſehen muͤſſen, und wuͤrde es
noch nicht erklaͤren koͤnnen, wenn mich nicht nachher
Le Roi und Burſery darauf aufmerkſam gemacht haͤt-
ten.*)

§. 21.
Von den Traͤumen, in wiefern ſie Krankheit,
Geneſung oder den Tod ankuͤnden.

Selbſt im Traume nimmt man dieſe Vorherſe-
hungskraft an; ja, man traut ihr ſogar mehr Wahr-
ſagungsgeiſt zu, als im wachenden Zuſtande. Tiede-
mann
ſagt: “Mancher traͤumt, er werde noch zehn
oder mehrere Jahre leben, und er lebt noch zehn Jah-
re: Iſt auch dieſes natuͤrlich? ich ſehe nicht, warum
nicht. Wer ſeinen Koͤrper genau kennt, und ſich da-
bey nicht von der Begierde zum Leben taͤuſchen laͤßt,
kann ſich mit groſſer Wahrſcheinlichkeit eine gewiſſe
Zeit von Lebensjahren vorher feſtſetzen. Warum
ſollte dieſes auch nicht in Traͤumen geſchehen koͤnnen?

Wa-
*) Burferius inſtitut. Med. prae. V. I. p. III. p. 319.
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[68/0087] ſoporoſa ſenum). Die Kranken haben anfaͤnglich gar keinen Zufall, der die groſſe Gefahr deutlich zu erkennen gaͤbe; dennoch ſind ſie hoͤchſtens bey der allererſten Ungemaͤchlichkeit zum Gebrauch der Arz- neien geneigt. Sobald ſich das Uibel einigerma- ßen deutlicher entwickelt hat, ſo fangen ſie an, alle Hilfe fuͤr uͤberfluͤſſig zu erklaͤren, legen ſich ruhig auf die Seite, und verſchlafen die meiſte Zeit. Indeſſen machen ſie alle Anſtalten zu einem ſichern Tode, von dem ſie ein ganz unwiderſtehliches Vorgefuͤhl haben. Dieſes habe ich bey zwey dergleichen Kranken zu mei- nem Leidweſen ruhig anſehen muͤſſen, und wuͤrde es noch nicht erklaͤren koͤnnen, wenn mich nicht nachher Le Roi und Burſery darauf aufmerkſam gemacht haͤt- ten. *) §. 21. Von den Traͤumen, in wiefern ſie Krankheit, Geneſung oder den Tod ankuͤnden. Selbſt im Traume nimmt man dieſe Vorherſe- hungskraft an; ja, man traut ihr ſogar mehr Wahr- ſagungsgeiſt zu, als im wachenden Zuſtande. Tiede- mann ſagt: “Mancher traͤumt, er werde noch zehn oder mehrere Jahre leben, und er lebt noch zehn Jah- re: Iſt auch dieſes natuͤrlich? ich ſehe nicht, warum nicht. Wer ſeinen Koͤrper genau kennt, und ſich da- bey nicht von der Begierde zum Leben taͤuſchen laͤßt, kann ſich mit groſſer Wahrſcheinlichkeit eine gewiſſe Zeit von Lebensjahren vorher feſtſetzen. Warum ſollte dieſes auch nicht in Traͤumen geſchehen koͤnnen? Wa- *) Burferius inſtitut. Med. prae. V. I. p. III. p. 319.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/87>, abgerufen am 21.11.2024.