Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

und er ist anzusehen als der Grundtrieb der eigentlichen
menschlichen Natur. §. 650.

§. 11.
Prüfung der Plattnerischen Hypothese.

Was an allem diesem wirkliches ist, wird die
Folge zeigen. Einstweilen erlaube man mir einige
Anmerkungen:

1. Die Seele wird aller Eindrücke durch die
beyden Seelenorganen gewahr. -- Die Seelenorga-
nen werden durch einen Reiz vermög ihrer selbstthä-
tigen Wirksamkeit in Bewegung gesetzt. -- Nun frägt
sichs: Hängt diese erste, ursprüngliche Thätigkeit der
Seelenorgane, diese erstern Bewegungen in der Ma-
schine auch von der Seele ab? Kömmt es am Ende
nicht allemal auf Eins hinaus, nämlich: daß das we-
sentliche erste Erforderniß, damit die Sinne, die See-
lenorganen, und die Seele in Bewegung gesetzt wer-
den können, Reizbarkeit sey?

2. Wenn das Zusammenziehen der gereizten
Muskelfiebern nach §. 280. nicht die unmittelbare und
alleinige Folge des ihnen für sich beygebrachten Reizes
ist; sondern die Erscheinung einer durch das Nervenge-
fühl erregten Thätigkeit der Seelenkraft; wie kann
man §. 282 zugeben: daß diese Zusammenziehlichkeit
auch noch in todten Körpern statt habe?

3. Allein die Anhänger der Stahlischen Hypo-
these erklären die Wirkungen oder Aeußerungen der
Reizbarkeit in den nach dem Tode fortdaurenden Be-
wegungen willkührlicher Muskeln bei Menschen, Vö-

geln

und er iſt anzuſehen als der Grundtrieb der eigentlichen
menſchlichen Natur. §. 650.

§. 11.
Pruͤfung der Plattneriſchen Hypotheſe.

Was an allem dieſem wirkliches iſt, wird die
Folge zeigen. Einſtweilen erlaube man mir einige
Anmerkungen:

1. Die Seele wird aller Eindruͤcke durch die
beyden Seelenorganen gewahr. — Die Seelenorga-
nen werden durch einen Reiz vermoͤg ihrer ſelbſtthaͤ-
tigen Wirkſamkeit in Bewegung geſetzt. — Nun fraͤgt
ſichs: Haͤngt dieſe erſte, urſpruͤngliche Thaͤtigkeit der
Seelenorgane, dieſe erſtern Bewegungen in der Ma-
ſchine auch von der Seele ab? Koͤmmt es am Ende
nicht allemal auf Eins hinaus, naͤmlich: daß das we-
ſentliche erſte Erforderniß, damit die Sinne, die See-
lenorganen, und die Seele in Bewegung geſetzt wer-
den koͤnnen, Reizbarkeit ſey?

2. Wenn das Zuſammenziehen der gereizten
Muskelfiebern nach §. 280. nicht die unmittelbare und
alleinige Folge des ihnen fuͤr ſich beygebrachten Reizes
iſt; ſondern die Erſcheinung einer durch das Nervenge-
fuͤhl erregten Thaͤtigkeit der Seelenkraft; wie kann
man §. 282 zugeben: daß dieſe Zuſammenziehlichkeit
auch noch in todten Koͤrpern ſtatt habe?

3. Allein die Anhaͤnger der Stahliſchen Hypo-
theſe erklaͤren die Wirkungen oder Aeußerungen der
Reizbarkeit in den nach dem Tode fortdaurenden Be-
wegungen willkuͤhrlicher Muskeln bei Menſchen, Voͤ-

geln
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0040" n="21"/>
und er i&#x017F;t anzu&#x017F;ehen als der Grundtrieb der eigentlichen<lb/>
men&#x017F;chlichen Natur. §. 650.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 11.<lb/><hi rendition="#b">Pru&#x0364;fung der Plattneri&#x017F;chen Hypothe&#x017F;e.</hi></head><lb/>
            <p>Was an allem die&#x017F;em wirkliches i&#x017F;t, wird die<lb/>
Folge zeigen. Ein&#x017F;tweilen erlaube man mir einige<lb/>
Anmerkungen:</p><lb/>
            <p>1. Die Seele wird aller Eindru&#x0364;cke durch die<lb/>
beyden Seelenorganen gewahr. &#x2014; Die Seelenorga-<lb/>
nen werden durch einen Reiz vermo&#x0364;g ihrer &#x017F;elb&#x017F;ttha&#x0364;-<lb/>
tigen Wirk&#x017F;amkeit in Bewegung ge&#x017F;etzt. &#x2014; Nun fra&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;ichs: Ha&#x0364;ngt die&#x017F;e er&#x017F;te, ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Tha&#x0364;tigkeit der<lb/>
Seelenorgane, die&#x017F;e er&#x017F;tern Bewegungen in der Ma-<lb/>
&#x017F;chine auch von der Seele ab? Ko&#x0364;mmt es am Ende<lb/>
nicht allemal auf Eins hinaus, na&#x0364;mlich: daß das we-<lb/>
&#x017F;entliche er&#x017F;te Erforderniß, damit die Sinne, die See-<lb/>
lenorganen, und die Seele in Bewegung ge&#x017F;etzt wer-<lb/>
den ko&#x0364;nnen, Reizbarkeit &#x017F;ey?</p><lb/>
            <p>2. Wenn das Zu&#x017F;ammenziehen der gereizten<lb/>
Muskelfiebern nach §. 280. nicht die unmittelbare und<lb/>
alleinige Folge des ihnen fu&#x0364;r &#x017F;ich beygebrachten Reizes<lb/>
i&#x017F;t; &#x017F;ondern die Er&#x017F;cheinung einer durch das Nervenge-<lb/>
fu&#x0364;hl erregten Tha&#x0364;tigkeit der Seelenkraft; wie kann<lb/>
man §. 282 zugeben: daß die&#x017F;e Zu&#x017F;ammenziehlichkeit<lb/>
auch noch in todten Ko&#x0364;rpern &#x017F;tatt habe?</p><lb/>
            <p>3. Allein die Anha&#x0364;nger der <hi rendition="#fr">Stahli&#x017F;chen</hi> Hypo-<lb/>
the&#x017F;e erkla&#x0364;ren die Wirkungen oder Aeußerungen der<lb/>
Reizbarkeit in den nach dem Tode fortdaurenden Be-<lb/>
wegungen willku&#x0364;hrlicher Muskeln bei Men&#x017F;chen, Vo&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geln</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0040] und er iſt anzuſehen als der Grundtrieb der eigentlichen menſchlichen Natur. §. 650. §. 11. Pruͤfung der Plattneriſchen Hypotheſe. Was an allem dieſem wirkliches iſt, wird die Folge zeigen. Einſtweilen erlaube man mir einige Anmerkungen: 1. Die Seele wird aller Eindruͤcke durch die beyden Seelenorganen gewahr. — Die Seelenorga- nen werden durch einen Reiz vermoͤg ihrer ſelbſtthaͤ- tigen Wirkſamkeit in Bewegung geſetzt. — Nun fraͤgt ſichs: Haͤngt dieſe erſte, urſpruͤngliche Thaͤtigkeit der Seelenorgane, dieſe erſtern Bewegungen in der Ma- ſchine auch von der Seele ab? Koͤmmt es am Ende nicht allemal auf Eins hinaus, naͤmlich: daß das we- ſentliche erſte Erforderniß, damit die Sinne, die See- lenorganen, und die Seele in Bewegung geſetzt wer- den koͤnnen, Reizbarkeit ſey? 2. Wenn das Zuſammenziehen der gereizten Muskelfiebern nach §. 280. nicht die unmittelbare und alleinige Folge des ihnen fuͤr ſich beygebrachten Reizes iſt; ſondern die Erſcheinung einer durch das Nervenge- fuͤhl erregten Thaͤtigkeit der Seelenkraft; wie kann man §. 282 zugeben: daß dieſe Zuſammenziehlichkeit auch noch in todten Koͤrpern ſtatt habe? 3. Allein die Anhaͤnger der Stahliſchen Hypo- theſe erklaͤren die Wirkungen oder Aeußerungen der Reizbarkeit in den nach dem Tode fortdaurenden Be- wegungen willkuͤhrlicher Muskeln bei Menſchen, Voͤ- geln

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/40
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/40>, abgerufen am 21.11.2024.