träglich mit merklicher Zunahme der Besserung. Nun sagte ich auf die Nacht die Verschlimmerung vor, wel- che aber nichts zu bedeuten hätte. Abends um fünf Uhr, also in der sieben und fünfzigsten Stunde wur- de der Schmerz wieder ärger, und nahm so schnell überhand, daß er noch nie so unerträglich war. Der Harn hatte etwas wolkichtes, das in der Mitte schweb- te. Um acht Uhr war noch alles das nämliche. Die Zunge weiß, und die Haut am ganzen Leibe trocken. Um halb neun Uhr, also in der ein und sechzigsten Stunde, fieng die Haut an, weich und feucht zu wer- den; der Schmerz und der Druck ließen nach; in der Nacht schwitzte der Kranke über und über; ließ einen ganz trüben, leimichten Harn, der viel weißröthlich- ten Bodensatz machte; der Puls war jezt weich, die Zunge weniger weiß, der Schmerz und der Druck nur wenig noch merklich, der Kranke klagte über große Mat- tigkeit. Den vierten, fünften, sechsten Tag die Brust frey, der Puls langsam, etwas schwach, mäßiger Husten mit gekochtem Auswurf; den fünften verließ er das Bett; der Harn blieb noch mehrere Tage trüb, und die Genesung war vollständig.
§. 42.
So wirkt die Natur in gesunden Körpern, wenn die Kräfte geschont worden sind; ganz anderst aber in eben solchen Körpern, wenn man diese zu sehr erschöpfet hat.
Joseph Lachenmayer, ein junger, starker, gesunder Bediente bekam 1788, den zwanzigsten Christ-
monat
traͤglich mit merklicher Zunahme der Beſſerung. Nun ſagte ich auf die Nacht die Verſchlimmerung vor, wel- che aber nichts zu bedeuten haͤtte. Abends um fuͤnf Uhr, alſo in der ſieben und fuͤnfzigſten Stunde wur- de der Schmerz wieder aͤrger, und nahm ſo ſchnell uͤberhand, daß er noch nie ſo unertraͤglich war. Der Harn hatte etwas wolkichtes, das in der Mitte ſchweb- te. Um acht Uhr war noch alles das naͤmliche. Die Zunge weiß, und die Haut am ganzen Leibe trocken. Um halb neun Uhr, alſo in der ein und ſechzigſten Stunde, fieng die Haut an, weich und feucht zu wer- den; der Schmerz und der Druck ließen nach; in der Nacht ſchwitzte der Kranke uͤber und uͤber; ließ einen ganz truͤben, leimichten Harn, der viel weißroͤthlich- ten Bodenſatz machte; der Puls war jezt weich, die Zunge weniger weiß, der Schmerz und der Druck nur wenig noch merklich, der Kranke klagte uͤber große Mat- tigkeit. Den vierten, fuͤnften, ſechſten Tag die Bruſt frey, der Puls langſam, etwas ſchwach, maͤßiger Huſten mit gekochtem Auswurf; den fuͤnften verließ er das Bett; der Harn blieb noch mehrere Tage truͤb, und die Geneſung war vollſtaͤndig.
§. 42.
So wirkt die Natur in geſunden Koͤrpern, wenn die Kraͤfte geſchont worden ſind; ganz anderſt aber in eben ſolchen Koͤrpern, wenn man dieſe zu ſehr erſchoͤpfet hat.
Joſeph Lachenmayer, ein junger, ſtarker, geſunder Bediente bekam 1788, den zwanzigſten Chriſt-
monat
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0393"n="374"/>
traͤglich mit merklicher Zunahme der Beſſerung. Nun<lb/>ſagte ich auf die Nacht die Verſchlimmerung vor, wel-<lb/>
che aber nichts zu bedeuten haͤtte. Abends um fuͤnf<lb/>
Uhr, alſo in der ſieben und fuͤnfzigſten Stunde wur-<lb/>
de der Schmerz wieder aͤrger, und nahm ſo ſchnell<lb/>
uͤberhand, daß er noch nie ſo unertraͤglich war. Der<lb/>
Harn hatte etwas wolkichtes, das in der Mitte ſchweb-<lb/>
te. Um acht Uhr war noch alles das naͤmliche. Die<lb/>
Zunge weiß, und die Haut am ganzen Leibe trocken.<lb/>
Um halb neun Uhr, alſo in der ein und ſechzigſten<lb/>
Stunde, fieng die Haut an, weich und feucht zu wer-<lb/>
den; der Schmerz und der Druck ließen nach; in der<lb/>
Nacht ſchwitzte der Kranke uͤber und uͤber; ließ einen<lb/>
ganz truͤben, leimichten Harn, der viel weißroͤthlich-<lb/>
ten Bodenſatz machte; der Puls war jezt weich, die<lb/>
Zunge weniger weiß, der Schmerz und der Druck nur<lb/>
wenig noch merklich, der Kranke klagte uͤber große Mat-<lb/>
tigkeit. Den vierten, fuͤnften, ſechſten Tag die Bruſt<lb/>
frey, der Puls langſam, etwas ſchwach, maͤßiger<lb/>
Huſten mit gekochtem Auswurf; den fuͤnften verließ<lb/>
er das Bett; der Harn blieb noch mehrere Tage truͤb,<lb/>
und die Geneſung war vollſtaͤndig.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 42.</head><lb/><p>So wirkt die Natur in geſunden Koͤrpern,<lb/>
wenn die Kraͤfte geſchont worden ſind; ganz anderſt<lb/>
aber in eben ſolchen Koͤrpern, wenn man dieſe zu ſehr<lb/>
erſchoͤpfet hat.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Joſeph Lachenmayer</hi>, ein junger, ſtarker,<lb/>
geſunder Bediente bekam 1788, den zwanzigſten Chriſt-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">monat</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[374/0393]
traͤglich mit merklicher Zunahme der Beſſerung. Nun
ſagte ich auf die Nacht die Verſchlimmerung vor, wel-
che aber nichts zu bedeuten haͤtte. Abends um fuͤnf
Uhr, alſo in der ſieben und fuͤnfzigſten Stunde wur-
de der Schmerz wieder aͤrger, und nahm ſo ſchnell
uͤberhand, daß er noch nie ſo unertraͤglich war. Der
Harn hatte etwas wolkichtes, das in der Mitte ſchweb-
te. Um acht Uhr war noch alles das naͤmliche. Die
Zunge weiß, und die Haut am ganzen Leibe trocken.
Um halb neun Uhr, alſo in der ein und ſechzigſten
Stunde, fieng die Haut an, weich und feucht zu wer-
den; der Schmerz und der Druck ließen nach; in der
Nacht ſchwitzte der Kranke uͤber und uͤber; ließ einen
ganz truͤben, leimichten Harn, der viel weißroͤthlich-
ten Bodenſatz machte; der Puls war jezt weich, die
Zunge weniger weiß, der Schmerz und der Druck nur
wenig noch merklich, der Kranke klagte uͤber große Mat-
tigkeit. Den vierten, fuͤnften, ſechſten Tag die Bruſt
frey, der Puls langſam, etwas ſchwach, maͤßiger
Huſten mit gekochtem Auswurf; den fuͤnften verließ
er das Bett; der Harn blieb noch mehrere Tage truͤb,
und die Geneſung war vollſtaͤndig.
§. 42.
So wirkt die Natur in geſunden Koͤrpern,
wenn die Kraͤfte geſchont worden ſind; ganz anderſt
aber in eben ſolchen Koͤrpern, wenn man dieſe zu ſehr
erſchoͤpfet hat.
Joſeph Lachenmayer, ein junger, ſtarker,
geſunder Bediente bekam 1788, den zwanzigſten Chriſt-
monat
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/393>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.