sperrten Beinen. Er war ganz ohne Schlaf. In- nerhalb zwanzig Tagen legte sich die Hitze. Gersten- wasser war ihm nicht trinkbar, wohl aber genaß er einen gleichen, gerösteten Trank von Aepfeln, Gra- natäpfelsaft, auch dünne, kalte Suppen von gerö- steten Linsen, kalt abgesottenes Mehlwasser, und einen dünnen Graupenschleim. -- Er kam durch. -- Dieser Fall war schwer, und das Heilverfahren höchst einfach.
Nicht selten widersteht ein solcher Zustand sogar der verheerenden Heilart der Aerzte, weßwegen der Ver- fasse vom Mißbrauche des Aderlassens sagt: "Ist der Kranke von einem starken und lebhaften Tempera- mente, so bleibt glücklicher Weise, ungeachtet der vielen Ausleerungen, manchmal das Fieber im näm- lichen Zustande, und endigt sich von selbst durch eine glückliche Entscheidung am siebenten, eilften, vier- zehnten Tage.
§. 33. Zufälle und Zeichen der verdorbenen Leibes- beschaffenheit.
Wie sehr aber die Natur von ihrer Wirksam- keit verlieren, oder vielmehr wie ohnmächtig sie wer- den müsse, wenn die Leibesbeschaffenheit zerrüttet ist, kann ich meinen Lesern auf keine Art anschaulicher darstellen, als wenn ich ihnen die Zufälle, welche der schlechten Leibesbeschaffenheit (Cachexia) eigen sind, nach ihrer Stufenfolge hererzähle. Es wird unver- kennbar bey jedem Schritte die Abnahme der Lebens-
kräfte
ſperrten Beinen. Er war ganz ohne Schlaf. In- nerhalb zwanzig Tagen legte ſich die Hitze. Gerſten- waſſer war ihm nicht trinkbar, wohl aber genaß er einen gleichen, geroͤſteten Trank von Aepfeln, Gra- nataͤpfelſaft, auch duͤnne, kalte Suppen von geroͤ- ſteten Linſen, kalt abgeſottenes Mehlwaſſer, und einen duͤnnen Graupenſchleim. — Er kam durch. — Dieſer Fall war ſchwer, und das Heilverfahren hoͤchſt einfach.
Nicht ſelten widerſteht ein ſolcher Zuſtand ſogar der verheerenden Heilart der Aerzte, weßwegen der Ver- faſſe vom Mißbrauche des Aderlaſſens ſagt: “Iſt der Kranke von einem ſtarken und lebhaften Tempera- mente, ſo bleibt gluͤcklicher Weiſe, ungeachtet der vielen Ausleerungen, manchmal das Fieber im naͤm- lichen Zuſtande, und endigt ſich von ſelbſt durch eine gluͤckliche Entſcheidung am ſiebenten, eilften, vier- zehnten Tage.
§. 33. Zufaͤlle und Zeichen der verdorbenen Leibes- beſchaffenheit.
Wie ſehr aber die Natur von ihrer Wirkſam- keit verlieren, oder vielmehr wie ohnmaͤchtig ſie wer- den muͤſſe, wenn die Leibesbeſchaffenheit zerruͤttet iſt, kann ich meinen Leſern auf keine Art anſchaulicher darſtellen, als wenn ich ihnen die Zufaͤlle, welche der ſchlechten Leibesbeſchaffenheit (Cachexia) eigen ſind, nach ihrer Stufenfolge hererzaͤhle. Es wird unver- kennbar bey jedem Schritte die Abnahme der Lebens-
kraͤfte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0355"n="336"/>ſperrten Beinen. Er war ganz ohne Schlaf. In-<lb/>
nerhalb zwanzig Tagen legte ſich die Hitze. Gerſten-<lb/>
waſſer war ihm nicht trinkbar, wohl aber genaß er<lb/>
einen gleichen, geroͤſteten Trank von Aepfeln, Gra-<lb/>
nataͤpfelſaft, auch duͤnne, kalte Suppen von geroͤ-<lb/>ſteten Linſen, kalt abgeſottenes Mehlwaſſer, und<lb/>
einen duͤnnen Graupenſchleim. — Er kam durch. —<lb/>
Dieſer Fall war ſchwer, und das Heilverfahren hoͤchſt<lb/>
einfach.</p><lb/><p>Nicht ſelten widerſteht ein ſolcher Zuſtand ſogar<lb/>
der verheerenden Heilart der Aerzte, weßwegen der Ver-<lb/>
faſſe vom Mißbrauche des Aderlaſſens ſagt: “Iſt der<lb/>
Kranke von einem ſtarken und lebhaften Tempera-<lb/>
mente, ſo bleibt gluͤcklicher Weiſe, ungeachtet der<lb/>
vielen Ausleerungen, manchmal das Fieber im naͤm-<lb/>
lichen Zuſtande, und endigt ſich von ſelbſt durch eine<lb/>
gluͤckliche Entſcheidung am ſiebenten, eilften, vier-<lb/>
zehnten Tage.</p></div></div><lb/><divn="3"><head>§. 33.<lb/><hirendition="#b">Zufaͤlle und Zeichen der verdorbenen Leibes-<lb/>
beſchaffenheit.</hi></head><lb/><p>Wie ſehr aber die Natur von ihrer Wirkſam-<lb/>
keit verlieren, oder vielmehr wie ohnmaͤchtig ſie wer-<lb/>
den muͤſſe, wenn die Leibesbeſchaffenheit zerruͤttet iſt,<lb/>
kann ich meinen Leſern auf keine Art <choice><sic>auſchaulicher</sic><corr>anſchaulicher</corr></choice><lb/>
darſtellen, als wenn ich ihnen die Zufaͤlle, welche<lb/>
der ſchlechten Leibesbeſchaffenheit (<hirendition="#aq">Cachexia</hi>) eigen ſind,<lb/>
nach ihrer Stufenfolge hererzaͤhle. Es wird unver-<lb/>
kennbar bey jedem Schritte die Abnahme der Lebens-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kraͤfte</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[336/0355]
ſperrten Beinen. Er war ganz ohne Schlaf. In-
nerhalb zwanzig Tagen legte ſich die Hitze. Gerſten-
waſſer war ihm nicht trinkbar, wohl aber genaß er
einen gleichen, geroͤſteten Trank von Aepfeln, Gra-
nataͤpfelſaft, auch duͤnne, kalte Suppen von geroͤ-
ſteten Linſen, kalt abgeſottenes Mehlwaſſer, und
einen duͤnnen Graupenſchleim. — Er kam durch. —
Dieſer Fall war ſchwer, und das Heilverfahren hoͤchſt
einfach.
Nicht ſelten widerſteht ein ſolcher Zuſtand ſogar
der verheerenden Heilart der Aerzte, weßwegen der Ver-
faſſe vom Mißbrauche des Aderlaſſens ſagt: “Iſt der
Kranke von einem ſtarken und lebhaften Tempera-
mente, ſo bleibt gluͤcklicher Weiſe, ungeachtet der
vielen Ausleerungen, manchmal das Fieber im naͤm-
lichen Zuſtande, und endigt ſich von ſelbſt durch eine
gluͤckliche Entſcheidung am ſiebenten, eilften, vier-
zehnten Tage.
§. 33.
Zufaͤlle und Zeichen der verdorbenen Leibes-
beſchaffenheit.
Wie ſehr aber die Natur von ihrer Wirkſam-
keit verlieren, oder vielmehr wie ohnmaͤchtig ſie wer-
den muͤſſe, wenn die Leibesbeſchaffenheit zerruͤttet iſt,
kann ich meinen Leſern auf keine Art anſchaulicher
darſtellen, als wenn ich ihnen die Zufaͤlle, welche
der ſchlechten Leibesbeſchaffenheit (Cachexia) eigen ſind,
nach ihrer Stufenfolge hererzaͤhle. Es wird unver-
kennbar bey jedem Schritte die Abnahme der Lebens-
kraͤfte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/355>, abgerufen am 13.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.