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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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bald nachtheilig; aber in der Pest hat sie eine uner-
setzliche Entkräftung und den Tod zur Folge. etc. etc. etc.

Ferner hat jede Epidemie ihre Eigenheiten, so,
daß in dieser ein gutes Zeichen ist, wobey in jener
der Tod nimmer verhütet werden kann. -- Gerade so
verhält es sich mit den günstigen Zufällen; wenn sie
in einer Krankheit günstig sind, so sind sie in der an-
dern gewisse Vorboten des Todes. -- Man bedenke al-
so, wie weit der Arzt hinaussehen muß, wenn er, was
immer für einen Zustand, richtig beurtheilen will!

§. 25.

Obschon alle diese Erscheinungen §. 23. jedem
Arzte aufs genaueste bekannt seyn müssen; so haben sie
dennoch, ohne der Ausnahmen §. 24 zu gedenken, im all-
gemeinen keinen andern Werth, als daß sie uns das
Unvermögen der Natur überhaupt zu erkennen geben.
Wie erkennen wir aber, worinn eigentlich das Unver-
mögen bestehe, um auf bestimmte Heilanzeigen geführt
werden zu können? Die Natur muß unterstüzt wer-
den: aber soll man stärken oder schwächen; reizen
oder stumpf machen; nähren oder Hunger leiden las-
sen? Soll man das, was die Natur angefangen hat,
vermehren oder unterdrücken? -- Wir pflegen aller-
meist die Bedeutungen der Erscheinungen nach dem
glücklichen, oder unglücklichen Ausgang zu beurtheilen.
Wissen wir aber unfehlbar, warum der Ausgang glück-
lich oder unglücklich war? -- Einmal hätte man die
nämlichen Zufälle, worunter der Kranke starb, be-
günstigen sollen, und er wäre genesen; ein andermal

hätt

bald nachtheilig; aber in der Peſt hat ſie eine uner-
ſetzliche Entkraͤftung und den Tod zur Folge. ꝛc. ꝛc. ꝛc.

Ferner hat jede Epidemie ihre Eigenheiten, ſo,
daß in dieſer ein gutes Zeichen iſt, wobey in jener
der Tod nimmer verhuͤtet werden kann. — Gerade ſo
verhaͤlt es ſich mit den guͤnſtigen Zufaͤllen; wenn ſie
in einer Krankheit guͤnſtig ſind, ſo ſind ſie in der an-
dern gewiſſe Vorboten des Todes. — Man bedenke al-
ſo, wie weit der Arzt hinausſehen muß, wenn er, was
immer fuͤr einen Zuſtand, richtig beurtheilen will!

§. 25.

Obſchon alle dieſe Erſcheinungen §. 23. jedem
Arzte aufs genaueſte bekannt ſeyn muͤſſen; ſo haben ſie
dennoch, ohne der Ausnahmen §. 24 zu gedenken, im all-
gemeinen keinen andern Werth, als daß ſie uns das
Unvermoͤgen der Natur uͤberhaupt zu erkennen geben.
Wie erkennen wir aber, worinn eigentlich das Unver-
moͤgen beſtehe, um auf beſtimmte Heilanzeigen gefuͤhrt
werden zu koͤnnen? Die Natur muß unterſtuͤzt wer-
den: aber ſoll man ſtaͤrken oder ſchwaͤchen; reizen
oder ſtumpf machen; naͤhren oder Hunger leiden laſ-
ſen? Soll man das, was die Natur angefangen hat,
vermehren oder unterdruͤcken? — Wir pflegen aller-
meiſt die Bedeutungen der Erſcheinungen nach dem
gluͤcklichen, oder ungluͤcklichen Ausgang zu beurtheilen.
Wiſſen wir aber unfehlbar, warum der Ausgang gluͤck-
lich oder ungluͤcklich war? — Einmal haͤtte man die
naͤmlichen Zufaͤlle, worunter der Kranke ſtarb, be-
guͤnſtigen ſollen, und er waͤre geneſen; ein andermal

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[285/0304] bald nachtheilig; aber in der Peſt hat ſie eine uner- ſetzliche Entkraͤftung und den Tod zur Folge. ꝛc. ꝛc. ꝛc. Ferner hat jede Epidemie ihre Eigenheiten, ſo, daß in dieſer ein gutes Zeichen iſt, wobey in jener der Tod nimmer verhuͤtet werden kann. — Gerade ſo verhaͤlt es ſich mit den guͤnſtigen Zufaͤllen; wenn ſie in einer Krankheit guͤnſtig ſind, ſo ſind ſie in der an- dern gewiſſe Vorboten des Todes. — Man bedenke al- ſo, wie weit der Arzt hinausſehen muß, wenn er, was immer fuͤr einen Zuſtand, richtig beurtheilen will! §. 25. Obſchon alle dieſe Erſcheinungen §. 23. jedem Arzte aufs genaueſte bekannt ſeyn muͤſſen; ſo haben ſie dennoch, ohne der Ausnahmen §. 24 zu gedenken, im all- gemeinen keinen andern Werth, als daß ſie uns das Unvermoͤgen der Natur uͤberhaupt zu erkennen geben. Wie erkennen wir aber, worinn eigentlich das Unver- moͤgen beſtehe, um auf beſtimmte Heilanzeigen gefuͤhrt werden zu koͤnnen? Die Natur muß unterſtuͤzt wer- den: aber ſoll man ſtaͤrken oder ſchwaͤchen; reizen oder ſtumpf machen; naͤhren oder Hunger leiden laſ- ſen? Soll man das, was die Natur angefangen hat, vermehren oder unterdruͤcken? — Wir pflegen aller- meiſt die Bedeutungen der Erſcheinungen nach dem gluͤcklichen, oder ungluͤcklichen Ausgang zu beurtheilen. Wiſſen wir aber unfehlbar, warum der Ausgang gluͤck- lich oder ungluͤcklich war? — Einmal haͤtte man die naͤmlichen Zufaͤlle, worunter der Kranke ſtarb, be- guͤnſtigen ſollen, und er waͤre geneſen; ein andermal haͤtt

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/304>, abgerufen am 13.11.2024.