Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Füchsel, Georg Christian]: Entwurf zu der ältesten Erd- und Menschengeschichte. Frankfurt u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 114.

Es läßt sich also alles eigene der Sprachen, da-
von jede das ihrige hat, niemals auf die Erfin-
dung, sondern nur auf eine fortgesetzte Erlernung
zurück bringen. Denn wollte man die Sache
durch viele Erfinder erklären, daß nemlich jede
Sprache anfänglich ihren eigenen gehabt hätte;
so sieht man doch bey keinem einzigen Volke, daß
die Kinder ein solches Erfindungsvermögen hät-
ten, sondern nur höchstens mehr oder weniger
Fähigkeit, eine Sprachart zu lernen. Wo hätte
nun jeder Stammvater dieses eigene Vermögen,
und zwar im höchsten Grade her bekommen, und
nur für sich zu beleben gewußt? Es haben ja
alle Sprachen so viel unerfindliches, das man erst
in langer Zeit und mit saurer Mühe lernet, daß
man eben darum keine erfindlich noch erblich nen-
nen darf; am allerwenigsten läßt sich alles dieses
mit einem einzigen Erfinder zusammen räumen.
Denn man kann unmöglich alle Sprachen für
blosse Mundarten einer einzigen ersten ansehen,
wenn man auch nur den Laut betrachtet.

§. 115.
§. 114.

Es laͤßt ſich alſo alles eigene der Sprachen, da-
von jede das ihrige hat, niemals auf die Erfin-
dung, ſondern nur auf eine fortgeſetzte Erlernung
zuruͤck bringen. Denn wollte man die Sache
durch viele Erfinder erklaͤren, daß nemlich jede
Sprache anfaͤnglich ihren eigenen gehabt haͤtte;
ſo ſieht man doch bey keinem einzigen Volke, daß
die Kinder ein ſolches Erfindungsvermoͤgen haͤt-
ten, ſondern nur hoͤchſtens mehr oder weniger
Faͤhigkeit, eine Sprachart zu lernen. Wo haͤtte
nun jeder Stammvater dieſes eigene Vermoͤgen,
und zwar im hoͤchſten Grade her bekommen, und
nur fuͤr ſich zu beleben gewußt? Es haben ja
alle Sprachen ſo viel unerfindliches, das man erſt
in langer Zeit und mit ſaurer Muͤhe lernet, daß
man eben darum keine erfindlich noch erblich nen-
nen darf; am allerwenigſten laͤßt ſich alles dieſes
mit einem einzigen Erfinder zuſammen raͤumen.
Denn man kann unmoͤglich alle Sprachen fuͤr
bloſſe Mundarten einer einzigen erſten anſehen,
wenn man auch nur den Laut betrachtet.

§. 115.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0098" n="86"/>
        <div n="2">
          <head>§. 114.</head><lb/>
          <p>Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich al&#x017F;o alles eigene der Sprachen, da-<lb/>
von jede das ihrige hat, niemals auf die Erfin-<lb/>
dung, &#x017F;ondern nur auf eine fortge&#x017F;etzte Erlernung<lb/>
zuru&#x0364;ck bringen. Denn wollte man die Sache<lb/>
durch viele Erfinder erkla&#x0364;ren, daß nemlich jede<lb/>
Sprache anfa&#x0364;nglich ihren eigenen gehabt ha&#x0364;tte;<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ieht man doch bey keinem einzigen Volke, daß<lb/>
die Kinder ein &#x017F;olches Erfindungsvermo&#x0364;gen ha&#x0364;t-<lb/>
ten, &#x017F;ondern nur ho&#x0364;ch&#x017F;tens mehr oder weniger<lb/>
Fa&#x0364;higkeit, eine Sprachart zu lernen. Wo ha&#x0364;tte<lb/>
nun jeder Stammvater die&#x017F;es eigene Vermo&#x0364;gen,<lb/>
und zwar im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade her bekommen, und<lb/>
nur fu&#x0364;r &#x017F;ich zu beleben gewußt? Es haben ja<lb/>
alle Sprachen &#x017F;o viel unerfindliches, das man er&#x017F;t<lb/>
in langer Zeit und mit &#x017F;aurer Mu&#x0364;he lernet, daß<lb/>
man eben darum keine erfindlich noch erblich nen-<lb/>
nen darf; am allerwenig&#x017F;ten la&#x0364;ßt &#x017F;ich alles die&#x017F;es<lb/>
mit einem einzigen Erfinder zu&#x017F;ammen ra&#x0364;umen.<lb/>
Denn man kann unmo&#x0364;glich alle Sprachen fu&#x0364;r<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;e Mundarten einer einzigen er&#x017F;ten an&#x017F;ehen,<lb/>
wenn man auch nur den Laut betrachtet.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">§. 115.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0098] §. 114. Es laͤßt ſich alſo alles eigene der Sprachen, da- von jede das ihrige hat, niemals auf die Erfin- dung, ſondern nur auf eine fortgeſetzte Erlernung zuruͤck bringen. Denn wollte man die Sache durch viele Erfinder erklaͤren, daß nemlich jede Sprache anfaͤnglich ihren eigenen gehabt haͤtte; ſo ſieht man doch bey keinem einzigen Volke, daß die Kinder ein ſolches Erfindungsvermoͤgen haͤt- ten, ſondern nur hoͤchſtens mehr oder weniger Faͤhigkeit, eine Sprachart zu lernen. Wo haͤtte nun jeder Stammvater dieſes eigene Vermoͤgen, und zwar im hoͤchſten Grade her bekommen, und nur fuͤr ſich zu beleben gewußt? Es haben ja alle Sprachen ſo viel unerfindliches, das man erſt in langer Zeit und mit ſaurer Muͤhe lernet, daß man eben darum keine erfindlich noch erblich nen- nen darf; am allerwenigſten laͤßt ſich alles dieſes mit einem einzigen Erfinder zuſammen raͤumen. Denn man kann unmoͤglich alle Sprachen fuͤr bloſſe Mundarten einer einzigen erſten anſehen, wenn man auch nur den Laut betrachtet. §. 115.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fuechsel_entwurf_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fuechsel_entwurf_1773/98
Zitationshilfe: [Füchsel, Georg Christian]: Entwurf zu der ältesten Erd- und Menschengeschichte. Frankfurt u. a., 1773, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuechsel_entwurf_1773/98>, abgerufen am 21.12.2024.