Wenn nun dem sprachleeren Menschen nicht einmal die Nennwörter, die diese vier Sinne er- finden müßten, zu erfinden möglich ist, wie soll er die viel schwerern Sagewörter, und noch schwe- reren Beystände oder Vortreter zu erfinden, im Stande gewesen seyn! und wie will man die Sprachen, deren Stammwörter noch dazu mei- stens Sagewörter sind, für so erfunden angeben.
§. 131.
Betrachtet man also das Verhältniß unserer Sinne gegen die Natur noch einmahl und erwä- get, wie selten das Gehör, und wie sehr oft die andern Sinne eines sprachleeren Menschen ange- regt, und zu Zeichen ihrer Vorstellungen oder zum Sinn eines Worts, aufgefordert werden, so fällt das, was man von Seiten des Gehörs zum Theil zugab, ohnedem wieder von selbst weg.
§. 132.
Wenn also die sinnlichen Vorstellungen, nicht durch blosse Erfindung zum Sinne eines Worts gediehen seyn können, und also der größte Theil
der
G 2
§. 130.
Wenn nun dem ſprachleeren Menſchen nicht einmal die Nennwoͤrter, die dieſe vier Sinne er- finden muͤßten, zu erfinden moͤglich iſt, wie ſoll er die viel ſchwerern Sagewoͤrter, und noch ſchwe- reren Beyſtaͤnde oder Vortreter zu erfinden, im Stande geweſen ſeyn! und wie will man die Sprachen, deren Stammwoͤrter noch dazu mei- ſtens Sagewoͤrter ſind, fuͤr ſo erfunden angeben.
§. 131.
Betrachtet man alſo das Verhaͤltniß unſerer Sinne gegen die Natur noch einmahl und erwaͤ- get, wie ſelten das Gehoͤr, und wie ſehr oft die andern Sinne eines ſprachleeren Menſchen ange- regt, und zu Zeichen ihrer Vorſtellungen oder zum Sinn eines Worts, aufgefordert werden, ſo faͤllt das, was man von Seiten des Gehoͤrs zum Theil zugab, ohnedem wieder von ſelbſt weg.
§. 132.
Wenn alſo die ſinnlichen Vorſtellungen, nicht durch bloſſe Erfindung zum Sinne eines Worts gediehen ſeyn koͤnnen, und alſo der groͤßte Theil
der
G 2
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§. 130.
Wenn nun dem ſprachleeren Menſchen nicht
einmal die Nennwoͤrter, die dieſe vier Sinne er-
finden muͤßten, zu erfinden moͤglich iſt, wie ſoll
er die viel ſchwerern Sagewoͤrter, und noch ſchwe-
reren Beyſtaͤnde oder Vortreter zu erfinden, im
Stande geweſen ſeyn! und wie will man die
Sprachen, deren Stammwoͤrter noch dazu mei-
ſtens Sagewoͤrter ſind, fuͤr ſo erfunden angeben.
§. 131.
Betrachtet man alſo das Verhaͤltniß unſerer
Sinne gegen die Natur noch einmahl und erwaͤ-
get, wie ſelten das Gehoͤr, und wie ſehr oft die
andern Sinne eines ſprachleeren Menſchen ange-
regt, und zu Zeichen ihrer Vorſtellungen oder
zum Sinn eines Worts, aufgefordert werden,
ſo faͤllt das, was man von Seiten des Gehoͤrs
zum Theil zugab, ohnedem wieder von ſelbſt weg.
§. 132.
Wenn alſo die ſinnlichen Vorſtellungen, nicht
durch bloſſe Erfindung zum Sinne eines Worts
gediehen ſeyn koͤnnen, und alſo der groͤßte Theil
der
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[Füchsel, Georg Christian]: Entwurf zu der ältesten Erd- und Menschengeschichte. Frankfurt u. a., 1773, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuechsel_entwurf_1773/111>, abgerufen am 06.01.2025.
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